yr*^^, ^

^jt, ■<

(y 'Sf

■«

Oj

^^^

-^A ■'

V V

V^X;

Y- 4..'

f iSa^

MM.

¥\r

yibrarg oi i)^t Stttseum

OP

COMPARATIVE ZOÖLOGY,

AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.

Thegiftof ö^ (^ 9K14j2.^~

. iVb. /./^ ^

I

SITZUNGSBERICHTE

DKR

ÜISFllJCeFJ MAil IR WISllMR

MATI1KMTI1^(;II -NÄTÜRWISSENSCIUFTLICHR CLÄSSE.

DREIUNDNEUNZIGSTER BAND.

WIEN,

AUS UEK K. K. HOF- UND STAATS DRUCKEREI.

IN CQMMISSION BEI CARL GERQLD'S SOHN,

BUCHHÄNDLER PKK K/^tSEriLlCHEN AKADEMIE UEK WISSENSCHAFTEN

1886.

SITZUNGSBERICHTE

DEB

m CLM

D E K K A r S E U L 1 C n E N

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

XCIII. Mm. 1. ABTHEILUIG, Jahrgang 1886. Heft I bis V.

fMit ii Tafeln und 7 Holzschnitten.)

WIEN,

AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDKUCKEHEI.

IN GQMMISSIQN BEI CARL GEROLD'S SQNN,

B ü C H H i N n L K R DER K \ I S E R L I C H K N AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

]886.

INHALT.

Seite

I. SitzuHg: vom 7. Jänner 1886: Übersicht

V. Kerner u. v. Wettstein , Die rhizopodoi'leu Verdauimgs- organe thierfangeuder Ptianzen. (Mit 1 Tafel.) [Preis :

25 kr. = f)0 ?%.] 4

II. Sit/ung- vom 14. Jänner 1886: Übersicht 16

Wiesner , Untersuchungen über die Organisation der vegetabi- lischen Zellhaut. (Mit 5 Holzschuitten.) [Preis: 50 kr. =

1 RMk.] 17

Schuster , Resultate der Untersuchung des nach dem Schlamm- regen vom 14. October 1885 in Klagenfurt gesammelten Staubes. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: .50 kr. =1 RMk. I . . . 81

III. Silzuug vom 21. Jänner 1886: Übersicht . 117

IV. Sitznn^ vom 4. Februar 1886: Übersicht .121

y. Sitzuug vom 11. Februar 1886: Übersicht 122

Haberlaiidt, Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen

Brennhaare. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 40 kr. = 80 Pfg.' . 123 VI. Sitzung vom 18. Februar 1886 : Übersicht 146

Molisch, Untersuchungen über Laubfall. [Preis: 30 kr. =

60Pfg.] 148

VII. Sitzung vom 4. März 1886: Übersicht .187

VIII. Sitzung vom 18. März 1886: Übersicht 189

Bruder, Neue Beiträge zur Kenutniss der Juraablagerungen im nördlichen Böhmen. II. (Mit 1 Tafel und 1 Holzschnitt )

[Preis: 30 kr. = 60 Pfg.] 193

IX. Sitzung vom 1. April 1886: Übersicht 217

Forssell, Beiträge zur Mikrochemie der Flechten ..... 219

Heimerl, Über Einlagerung von Calciumoxalat in die Zellwand

bei Nyctagineen. (Mit 1 Tafel) [Preis 25 kr. = 50 Pfg.] . 231

X. Sitzung vom 8. April 1886: Übersicht . 247

Zlatarski, Geologische Untersuchungen im centralen Balkan und in den angrenzenden Gebieten. Beiträge zur Geo- logie des nördlichen Balkanvorlandes zwischen deu Flüssen Isker und Jantra. (Mit 3 Tafeln und 1 Holz- schnitte.) [Preis: 1 fl. 20 kr. = 2 RMk. 40 Pfg.] .... 249

VI

Seite

Firtscil, Anatomisch -physiologische Untersuchungen über die Keimpflanze der Dattelpalme. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 45 kr. = 90 Pfg.] 342

XI. Sit/uug vom 6. Mai 1886: Übersicht 357

XII. Sitzang- vom 13. Mai 1886: Übersicht 360

XIII. Sitzung vom 20. Mai 188H: Übersicht 361

Verzcichniss der in der mathematisch -naturwissenschaftlichen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in den Monaten Jänner bis inclusive Juni 1886 vorgelegten periodischen Druckschriften 363

SITZUNGSBERICHTE

DER

mmoÄüPEiiEMEWissEimm.

MATUEMATISCH-NATÜRWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

XOIII. Band. I. Heft.

ERSTE ABTHEILUNG.

Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik, Zoologie, Geologie und Paläontologie.

I. SITZUNG VOM 7. JÄNNER 1886.

Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht übermittelt zu dem von der k. grossbritannischen Regierung der Akademie zum Geschenke gemachten grossen Werke über die Challenger-Expedition einen erschienenen zoologischen Theil (Vol. XIII).

Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor:

1. „Über die Bestimmung des Kohlenstoffs und Wasserstoffs mittelst Kupferoxyd- Asbest'', von den Herren Prof. Dr. E. Lippmann und F. Fleissner in Wien.

2. „Über die Linien gleicher Stromdichte auf flä- chenförmigen Leitern", von Herrn Dr. J. Haubner in Wien.

Das w. M. Herr Director E. Weiss berichtet über die Ent- deckung eines neuen Kometen durch Herrn Brooks in Phelps N. Y. vom 27. December v. J., dessen Elementensystem an der hiesigen Sternwarte von Herrn Dr. J. Palisa berechnet und in dem Circular LVIH der kais. Akademie vom 4. Jänner 1. J. be- kannt gemacht wurde.

Ferner theilt Herr Director Weiss einen Nachtrag zu der im Circular Nr. LVI publicirten Berechnung der Elemente des Kometen Fabry von Herrn Dr. S. Oppenheim mit.

Das w. M. Herr Director A. v. Kern er überreicht eine von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Dr. R. v. Wettsteiu ausgeführte Untersuchung, betitelt: „Die rhizopodoiden Verdauungs- organe thierfangender Pflanzen".

Die rhizopodoiden Verdauungsorgane thierf äugender

Pflanzen.

(Mit 1 Tafel.)

Vou A. Kerner v. Marilaun und R. Wettsteiu v. Westersheim.

An zahlreichen Pflanzen finden sich Einrichtungen, darch welclie kleine Thiere, die mit den Blättern in Berührung- kommen, festgehalten werden. In einigen Fällen sind es Leimspindeln, an welchen die Thiere kleben bleiben, in anderen Fällen haben sich Klappen ausgebildet, welche über den aufsitzenden Thieren zu- sammenschliessen und wieder in anderen Fällen beobachtet man Fallgruben, in welche die Thiere zwar leicht einzudringen, aus denen sie nber nicht mehr zu entwischen vermögen.

Mit Rücksicht auf die biologische Bedeutung, welche diesen Einrichtungen zukommt, hat sich ergeben, dass bei einem Theile der in Rede stehenden Gewächse durch den Faugapparat ge- wisse nach Honig lüsterne Tnsectcn von dem Besuche der Blütheu, beziehungsweise von dem Honiggenuss in den Blüthen ab- gehalten werden, dass aber die thierfangenden Pflanzen keinen weiteren Nutzen aus den gefangenen Thieren ziehen. In Be- treff eines anderen Theiles ist es nachgewiesen, dass die ge- fangenen Thiere den betreffenden Pflanzen zur Nahrung dienen.

Was die Nahrungsaufnahme anbelangt, so sind bisher zweierlei Vorgänge beobachtet.

Einige Thierfänger secerniren, sobald sie durch den Coutact miteiweissartigen Verbindungen, beziehungsweise mit thierischen Körpern gereizt werden, aus besonderen Drüsen eine der Haupt- sache nach aus Pepsin und organischen Säuren bestehende Flüssigkeit, in welcher sich die eiweissartigen Verbindungen lösen, und sie haben auch die Fähigkeit, diese Lösung mittelst

Die rhizopodoideii Verclauiingsorgane etc. 5

besonderer Organe aufzusaugen. Eine zweite Gruppe von Thierfängern entbehrt der pepsinabsondernden Diüsen. Die von ihnen gefangenen Thiere verenden in den Fallen, verwesen und zerfallen dort und die Produete der Verwesung werden durch besondere im Grunde der Fallen entwickelte Saugzellen aufgenommen.

An diese zwei Fälle kann nun noch ein dritter angereiht werden, welcher von uns an Lathraea Squamaria und Bartsia aipina beobachtet wurde.

Lathraea Squamaria ist eine chloropliylllose Pflanze, welche in den Auen und Laubwäldern Europas weit verbreitet ist. Ihre unterirdischen weissen Stengel erscheinen fleischig, fest und prall und sind der ganzen Länge nach mit dicht übereinander- gestellten, dicken schuppenförmigen Blättern besetzt.

In der Farbe und Consistenz stimmen diese Blätter mit dem Stengel überein; ihr Umriss ist breit herzförmig und es macht den Eindruck als ob sie mit dem herzförmigen, stark gedunsenen Ausschnitte an der Basis voll und breit dem Stengel aufsitzen würden. Löst man aber eine dieser Schuppen vom Stengel ab, so überzeugt mau sich, dass dem nicht so ist und dass jener Theil der Schuppen, welchen man im ersten Anblicke für die untere, beziehungsweise für die Rückseite hält, nur ein Theil der oberen Seite ist.

In Wirklichkeit ist jedes dieser dicken schuppenförmigen Blätter zurückgerollt und es lassen sich au demselben folgende Theile unterscheiden. Zunächst die Verbindungsstelle mit dem Stengel (Fig. 4 a), welche verhältnissmässig schmal ist, dann jener Abschnitt (Fig. 4 6), den man bei flüchtiger Betrachtung für die ganze obere Blattfläche hält und der sich ak- eine schief aufsteigende von einem scharfen Rande (Fig. 4 c) eingefasste Platte darstellt, weiterhin von diesem scharfen Rande angefangen, der plötzlich unter spitzem Winkel herabgebogene steil abfallende Theil (Fig. 4 d), welchen man gewöhnlich für die Rückseite, beziehungsweise die untere Seite des Blattes hält, der aber in der That der oberen Blattseite angehört; viertens das freie Ende des Blattes (Fig. 4 e), welches sich als eingerollter Rand der Schuppe darstellt und fünftens die eigentliche Rückseite, welche verhältnissmässig selir klein ist und ei'st dann sichtbar wird,

6 V. Kerner u. v. Wettsteiu,

wenn man den gerollten Rlattrand entfernt. Indem sich der Blattraud rollt, entsteht ein Canal oder besser gesagt eine Hohlkehle, welche an der hinteren Seite des Blattes dicht unter jener Stelle, wo sich das Blatt an den Stengel ansetzt, quer herumläuft (Fig. 4 /:). In diese Hohlkehle münden nun mittelst einer Reihe von kleinen Löchern fünf bis dreizehn, meist zehn Kammern, welche die dicken Schuppeublätter aus- höhlen und die, in dieser Form wenigstens, einzig im ganzen Pflanzenreiche dastehen dürften. (Fig. 3), Es müssen diese merk- würdigen Kammern als tiefe, von der Rückseite des Blattes ausgehende, grubenförmige Einsenkungen in die Blattsubstanz gedeutet werden, und mit Rücksicht auf die zu erörternde Frage nach der Bedeutung derselben für das Leben und insbesondere für die Nahrungsaufnahme der Pflanzen ist es von Wichtigkeit, sie etwas näher in Augenschein zu nehmen.

Wie schon erwäimt, sind deren fünf bis dreizehn vorhanden. Sie stehen miteinander seitlich nicht in Verbindung, alle sind höher als breit und mit unregelmässig wellig gebogenen Wandungen ver- sehen. An diesen Wandungen fallen zweierlei Organe auf, welche der Form nach an die Drüsenbildungen anderer tliierfangender Pflanzen erinnern. Die einen bestehen aus je vier Zellen, von welchen zwei ein Köpfchen bilden, während die dritte den Stiel des Köpfchens darstellt und die vierte als eine schwach nach aussen vorgewölbte Oberhautzelle erscheint. Sie entstehen in dem jungen Blatte unmittelbar nach der Entwicklung der ersten Gefässbündel und gehen aus einer Epidermiszelle hervor. Diese theilt sich zunächst durch zwei zur Oberfläche parallele Wände in drei Zellen und die Spitzenzelle wird dann durch eine senk- recht zur Oberfläche stehende Wand zu einem Zellenpaar von köpfchenförmigem Aussehen. (Fig. 5 a u. 7.) Seltener bestehen die Köpfchen aus 3 4 Zellen. Was die Vertheilung dieser Gebilde anbelangt, so ist dieselbe eine ziemlich regelmässige. Sie bedecken die ganze Oberfläche der Kammern, nur an den nach innen vorspringenden Leisten und Ausbuchtungen ist eine grössere Ansannulung wahrzunehmen; dabei ist ihre Zahl eine sehr bedeutende, im Durchschnitte kommen 25 32 auf einen Quadratmillimeter der Oberfläche. Die unterhalb derselben ge- legenen Parenchvmzellen sind in keiner Weise verändert.

Die rhizopodoiden Veidaunngsorgane etc. «

An dem Zellenpaar des Köpfchens fällt zunächst die ver- hältnissmässig' bedeutende Dicke der Membran auf, während die Membran der Stielzellen, sowie der benachbarten Oberhautzellen sehr dünn ist. Im Zellenleib der Köpfchenzellen findet sich ein grosser, gut unterscheidbarer, meist der Mittel wand anliegender Zellkern, sowie ein dichtes centrales Plasma, von dem dicke Stränge zu dem klumpig geballten Wandprotoplasma hinführen. (Fig. 7.)

Die Stielzellen sind viel plasmaärmer. Das Protoplasma ist hyalin und in ein centrales und peripheres gesondert. Organische Inhaltskörper fehlen in den Köpfchenzellen ganz, im Stiele finden sich zuweilen Stärkekörner oder Krystalloide.

Von wesentlich anderer Gestalt sind die der zweiten Art angehörenden Organe, welche auch an Zahl bedeutend geringer, nur vereinzelt zwischen den eben besprochenen eingestreut sind. (Fig. 5, b und 6.) Es kommen von denselben selten mehr als 7 bis 9 auf einen Quadratmillipieter der Oberfläche und immer sind dieselben mehr in den Vertiefungen, als an den Erhöhungen der welligen Wand der Kammer zu finden. Sie bestehen aus einer plattenförmigen , im Umkreise elliptischen oder kveisförmigen Basalzelle und aus 2 oder 4, seltener 3 Zellen, die sphärisch hervorgewölbt und durch sehr zarte, meist schief verlaufende Scheidewände getrennt sind, zusammen aber im Umrisse in den Rahmen der elliptischen oder rundlichen Basal- zelle passen, von der blos ein schmaler Randstreifen hervor- ragt. (Fig. 5 6 u. 6.)

Die Entstehung dieser Organe fällt mit jener der oben ge- schilderten zusammen und erfolgt in der Weise, dass eine schon früher durch ihre bedeutende Grösse auffallende Oberhautzelle sich durch eine mit der Oberfläche parallele Membran zunächst in zwei plattenförmige Zellen theilt. Von diesen geht dann die obere, nach aussen vorgewölbte eine neue Theilung ein und zer- fällt durch eine auf die früher gebildete Membran senkrechte oder etwas schiefe Wand in zwei, später bei nochmaliger Thei- lung in vier Zellen.

Auch bei diesen Organen sind die nach aussen gekehrten Membrantheile verhältnissmässig dick und die Querwände im Innern, sowie die Zellhäute der Basalzellen dünn. Der Inhalt

8 V. Kerncr u. v. Wettstein,

aller Zellen ist hyalines Plasma, das die Zellen fast ganz erfüllt lind einen deutlichen grossen Zellkern führt. Häufig nimmt der Inhalt jener Zellen die aussen in Berührung mit den noch zu besprechenden in die Höhlungen gelangten abgestorbenen Orga- nismen kamen, eine braune Färbung an, die sich auch der Mem- bran mittheilt, ohne dass ein Absterben der betreffenden Zellen eine Folge davon wäre. Während die früher geschilderten köpfchentragenden Gebilde in keiner anatomischen Beziehung zu den in der Umgebung liegenden Gewebetheilen stehen, macht sich eine solche Beziehung bei den zuletzt besprochenen Organen sehr deutlich bemerkbar. Dieselbe besteht einerseits darin, dass diese Orgaue in einem nicht zu verkennenden Zusammenhang mit den Gefässbündeln des betreffenden Blattes stehen, anderseits sich die umliegenden Oberhautzellen strahlenförmig um die untere grosse, platt enförmige Zelle gruppireu. Die aus dem Stamme in das Blatt eintretenden Gefässbündel verlaufen längs der Wan- dungen der Kammern und lösen sich in der Nähe derselben in einzelne schmale Gefässe auf, die mit ringförmigen Verdickun- gen versehen sind und zu je einem der in Rede stehenden Organe führen. (Fig. 4 u. 6.)

Etwa zwei bis drei Zelllagen unterhalb der grossen, platten- förmigen Basalzelle endet das Gefäss und die Verbindung seines Endes mit dem Organe wird durch eine kurze cylindrische oder tonnenförmige Zelle hergestellt, die in ihrem unteren, dem Ge- fässe zugewendeten Theile ringförmige oder spiralige Wand- verdickungen aufweist, im oberen Theile jedoch dünnwandig ist. Ihre obere Wand liegt unmittelbar der erwähnten Basalzelle an, seltener ist noch eine kurze, dünnwandige Zelle eingeschaltet. (Fig. 6.)

Unter gewissen, noch näher zu erörternden Unjstäuden sieht man von den Membranen der in den Innenraum der Kammern vorragenden Zellen beider oben beschriebenen Organe eine grosse Anzahl überaus zarter Fäden ausstrahlen. (Fig. 7.)

Die Ausstrahlungspunkte derselben sind über die Oberfläche der Zellen gleichmässig vertheilt. Die Fäden selbst sind hyalin, gerade, an der Spitze abgestumpft und von verschiedener Länge bald so bedeutend verkürzt, dass sie blos als warzige Hervor- ragungen erscheinen, bald den Durchmesser der Köpfchen au

Die rhizopodoiden Verdaiumg-sorgane etc. 9

Länge bedeutend übertreffend. In mancher Hinsicht ähneln sie Krystallen oder stumpfstacheligen Hervorragungen der Mem- branen.

Dass sie keines von beiden sind, ergibt sich nach wenigen Versuchen. Dagegen erwiesen sie sich merkwürdigerweise als Plasmafäden, die mit dem Zellenleib der Zellen im Zusammen- hange stehen und von demselben durch regelmässig vertheilte Durchlässe in der Zellenmembran nach aussen in Folge eines Reizes gesendet werden. Dieser Sachverhalt ergibt sich nicht blos aus den verschiedenen mikrochemischen Reactionen, die die Plasmanatur der Fäden erweisen, sondern auch durch plasmo- lytische Versuche, die ein allsogleiches 'Einziehen der Fäden zur Folge haben, endlich durch die directe, mittelst Färbungen er- möglichte Beobachtung.

Diese Fähigkeit des Hervorstreckens von Plasmafäden kommt blos den Zellen zu, deren verhältnissmässig dicke Aussen- wände in die Höhlung der Kammer vorspringen, während sie den Stiel- und Basalzellen der beschriebenen Organe fehlt.

Das Vorstrecken der Plasmafäden erfolgt nicht unter allen Umständen, stets aber, wenn durch Wasserzufuhr die Turgescenz der Drüsenzellen gesteigert wird. Doch kann dasselbe auch dadurch herbeigeführt werden, dass kleine Thiere in die laby- rintische Kammer des Laihraea-Bluttes eindringen und die eben beschriebenen Organe berühren. Die in Folge der Reizung aus- strahlenden Plasmafäden legen sich an die Eindringlinge an, kleinere Thiere, zumal Infusorien, werden wie von Fangarmen festgehalten, grösseren Thieren aber wird durch diese Plasma- fäden die Bewegung erschwert und der Rückweg abgeschnitten.

Die Ausscheidung eines besonderen Secretes in der Kammer des Lathj\iea-B] Rttes wurde nicht beobachtet. Da man aber von den in die Kammern gelangten Thieren nach einiger Zeit nur mehr Klauen , Beinschienen , Borsten und kleine, braune, formlose Klümpchen antrifft, während Sarkode sowie Muskeln und Blut derselben spurlos verschwunden ist, so muss man annehmen, dass hier die Nahrungsaufnahme aus den veren- deten Thieren durch Contact mit den gleich Fangarmen vorge- streckten Plasmafäden erfolgt, ganz ähnlich wie bei den Wurzel- füsslern, mit welchen diese Organe eine so auffallende Ähnlichkeit

10 V. Kerner u. v. Wettsteiu,

besitzen. Es wäre nicht unmöglich, dass nur die ungestielten Organe der Aufsaugung , die gestielten köpfchentragenden da- gegen dem Festhalten der Beute dienen , wenigstens würde der Umstand für diese Auffassung sprechen, dass zu den ersteren, die, wie schon oben erwähnt, viel spärlicher sind, Gefässe hin- ziehen, die durch eine eigenthümliclie tonnenförmige Zelle mit jener grossen elliptischen Tafelzelle in Verbindung stehen, was bei den köpfchentragenden Gebilden nicht der Fall ist.

Da die Öffnungen, mit welchen die Kammern in die Hohl- kehle an der Hinterseite des Lafhrnen-Bla.tteB ausmünden, sehr enge sind, so können nur winzige Tliiere Infusorien, Amoeben, Rhizopoden, Räderthierchen, kleine Milben, Apliis-Arten, Podu- ren und dergleichen einschliefen. Was sie dazu bewegt, gerade diese versteckten Kammern aufzusuchen, ist ebenso schwierig zu sagen, wie es schwer hält, anzugeben, wodurch die Daphnia- und Cyclops- Arten veranlasst werden, in die Schläuche der Utri- cularien einzufahren.

Am wahrscheinlichsten ist es, dass die winzigen Thiere Nahrung suchend in die Hohlräume vordringen und dort durch die oben geschilderte Einrichtung ihren Tod finden.

Es wurde schon erwähnt, dass die Schuppenwnrz eine Schmarotzerpflanze ist, welche die Hauptmasse ihrer Nahrung vermittelst eigener .Saugwarzen den Wurzeln sommergrüner Laubhölzer entzieht.

Sie wächst nur in Gegenden, in welchen die Thätigkeit der Bäume und Sträucher durch einen ziemlich langen Winter unter- brochen wird; ihre Saugwarzen sterben regelmässig ab, sobald die Holzpflanzen, auf deren Wurzeln die Lafhmcfi->>iöcke schma- rotzen, sich herbstlich verfärben und das Laub abwerfen. Wenn dann im darauffolgenden Frühlinge das Aufsteigen des Saftes in den Holzpflunzen beginnt, sendet auch die Lathrnea wieder neue Wurzeln aus, welche sich mit Saugwarzen unterirdisch an die saftstrotzenden Baum wurzeln anlegen. Die Nahrung, welche auf diesem Wege in die Lnthraea kommt, ist nicht wesentlich ver- schieden von jener, welche die Wurzeln des betreffenden Baumes oder Strauches aus der umgebenden Erde aufgenommen haben, vorwaltend also Wasser und in diesem gelöst eine geringe Menge

Die rhizopodoideu Verdammgsorgane etc. 11

mineralischer Salze, eine Flüssigkeit, welche man früher nicht unpassend den „rohen Nahrungssaft" genannt hat.

Da die Lathraed unterirdisch lebt und des Chlorophylls ent- behrt und da sie nicht befähigt ist, im Sonnenlichte aus dem Kohlendioxyd der Luft und dem durch Vermittlung der Saugwarzen aufgenommenen ..rohen Nahrungssafte" des angefallenen Baumes oder Strauches selbst alle zum weiteren Wachsthum nothwen- digen organischen Verbindungen zu erzeugen, da namentlich die Menge der stickstoffhaltigen Verbindungen in der den angefal- lenen Wurzeln entzogenen Flüssigkeit nur eine sehr geringe ist, so muss jeder Zuschnss an organischer Nahrung, zumal an stick- stoffhaltigen Verbindungen aus den gefangenen Thieren sehr willkommen sein. Obschon es vorwaltend winzige Infusorien sind, welche von der Schuppenwurz gefangen und verdaut werden, so darf dieser Zuschuss doch durchaus nicht unterschätzt werden; es ist eben in Anschlag zu bringen, dass jedes der unzähligen schuppenförmigen Blätter des L«^/iraea- Stockes einen Fang- apparat darstellt und dass der Fang- und Verdauungsapparat das ganze Jahr hindurch in Wirksamkeit ist, da es in jener Tiefe des Erdreiches^ in welcher die Stöcke der Schuppenwurz eingebettet liegen, im Winter nicht einfriert, so dass dort auch in der Jahres- periode, in welcher oberirdisch alles im Winterschlafe ruht, die Infusorien und andere kleine Thiere ihr Wesen treiben und von der Lathraea gefangen werden können.

Die überaus grosse Zahl der im Laufe des Jahres gefan- genen Thiere vermag also sicherlich die Grösse der einzelnen Individuen zu ersetzen.

Wenn es nach alledem nichts weniger als befremdend ist, dass sich ein chlorophyllloser, unterirdisch lebender Wurzel- schmarotzer mit dem Aussaugen des rohen Nahrungssaftes aus anderen Pflanzen und gleichzeitig auch mit dem Thierfange be- schäftigt, so muss es anderseits unser Erstaunen wachrufen, wenn wir Pflanzen finden, welche ihre Nahrung einmal mittelst Saugzellen aus der Erde, dann schmarotzend mittelst Saugwarzen aus angefallenen Wurzeln anderer Pflanzen und drittens auch noch aus gefangenen Thieren entnehmen.

Als eine solche Pflanze aber stellt sich Bartsia alphia dar. Dieses merkwürdige Gewächs ist im arktischen Gebiete und in

12 V. Kerner ii. v. Wettsteiu,

der Flora der Hochgebirge durch fast ganz Europa verbreitet lind fällt sofort dadurch auf, dass die Farbe der Laubblätter aus Schwarz, Violett und Grün gemengt erseheint. Auch die Bliithe ist trüb dunkelviolett gefärbt und die Pflanze macht durch dieses eigenthümliche Colorit den Eindruck einer rechten Trauerpflauze.

Einschaltungsweise mag hier erwähnt sein, dass Linne für diese düstere Pflanze den Namen ^«r/sm wählte, um damit seiner tiefen Trauer über den Tod des ihm innig befreundeten eifrigen Naturforschers und Arztes Bartsch, der in jungen Jahren dem Klima Guiana's erlag, einen Ausdruck zu geben.

Feuchter schwarzer Boden und die Umgebung von Quellen bilden den bevorzugten Standort dieser Pflanze. Gräbt man im Sommer ihren Wurzeln nach, so sieht man, dass von denselben einige Saugwarzen ausgehen, welche sich den Wurzeln der nach- barlich wachsenden Seggen und anderer Pflanzen anlegen; man findet aber auch unterirdische Sprosse, welche in der Nähe der mit gegenständigen weissen Schuppen besetzten Knoten „Wurzel- haare" entwickeln, die deutlich gegliedert sind und als gewöhn- liche Saugzellen fungireu.

Gegen den Herbst zu bilden sich, und zwar gleichfalls unter- irdisch, eiförmige Knospen aus, welche in ihrer Form den Knos- pen der Kosskastanie nicht unähnlich sehen (Fig. 8) und deren in vier Keihen angeordnete chlorophylllose Schuppen wie Dach- ziegel theilweise übereinander geschoben sind, so zwar, dass von jeder Schuppe nur die Rückseite des oberen Theiles zur Ansicht kommt, während der untere Theil von tieferstehenden Schuppen zugedeckt ist. An der frei sichtbaren convexen Rückseite jeder Schuppe sieht man auf dem Mittelfelde drei scharf vorspringende Rippen; die beiden seitlichen Ränder der Schuppe aber sind zurückgerollt, und zwar so, dass dadurch an jedem Rande eine Hohlkehle gebildet wird. Nun sind aber, wie an dem Quer- schnitte einer unterirdischen Bartsia-KmmißG (Fig. 9) zu sehen ist, die tieferstehendeu Schuppenpaare so über die nächst oberen gelegt, dass die Hohlkehlen zugedeckt und zu Kanälen werden. Das Innere der Knospe ist, diesemBaue entsprechend, von doppelt so vielen Kanälen durchzogen, als gedeckte Blattschuppen vor- handen sind und die Mündungen von je zwei Kanälen finden sich an jenen Stellen, wo die Deckung der zurückgerollten seitliehen

Die rhizopodoiden Verdamingsorgaue etc. 13

Ränder einer oberen Schuppe durch das Mitteiteid einer unteren Schuppe beginnt. Au der einen Seite dieser Kanäle, nämlich in den Hohlkehlen sind ganz dieselben zdiigen Gebilde entwickelt, welche sich in den Kammern der Z„7//ir«tY<-Schuppeu finden, wieder jene aus zwei Zellen zusammengesetzten Köpfchen, die einer Fusszelle aufsitzen, dann gepaarte als Halbkugel vor- gewölbte Zellen und endlieh noch gewöhnliche plattenförmige Oberhautzellen. \ Fig. 10) Es ist wohl nicht zu zweifeln, dass der ganze Apparat auch in derselben Weise wie bei der Schu])pen- wurz wirksam und auf den Fang von kleinen Thieren berech- net ist.

Da aus den eben geschilderten unterirdischen Knospen der Bartsia, welche im Spätsommer angelegt werden, im Laufe des nächsten Frühlings ein oberirdischer Stengel hervorgeht, dessen chlorophyllreiche Laubblätter im Sonnenlichte ausGemengtheilen der Luft und der aus dem Boden durch die Saugzellen auf- genommenen flüssigen Nahrung organische Verbindungen erzeu- gen, so drängt sich die Frage auf, ob denn in diesem Falle auch noch ein Zuschuss an Nahrung aus den Leichen gefangener Thiere nothwcndig oder doch vortheilhaft sein kann. Berück- sichtiget man die Verhältnisse, unter welchen Bartsia alpina in der freien Natur wächst, so wird man diese Frage unbedingt bejahen müssen.

Diese Pflanze gehört, wie schon erwähn^^, der arktischen und Hochgebirgsflora an und wächst in Gebieten, wo die ober- irdische Thätigkeit der Pflanzen auf die kurze Zeit von ein paar Monaten eingeschränkt ist. Nach Ablauf dieser kurzen Vegeta- tionszeit sterben die oberirdischen Theile der arktischen und alpinen Pflanzen entweder vollständig ab oder sie bleiben zwar grün, sind aber im Schnee vergraben und alle Bewegung und Lebensthätigkeit ist in ihnen auf 9 bis 10 Monate sistirt.

Der erste Schnee fällt in den, von der ^«r^sm bewohnten Gebieten regelmässig schon zu einer Zeit, in welcher der Boden noch nicht gefroren ist, und die später immer mächtiger sich aufthürmeude winterliche Schneedecke schützt den Boden so ausgiebig gegen den Einfluss der Wiuterkälte, dass die Tem- peratur selbst der oberflächlichsten Erdschichten nicht unter den Nullpunkt herabsinkt. In dieser frostfieien Schichte aber ist

34 V. Kerner u. v. Wettstein,

weder das pflanzliche, noch das tWerische Leben ganz erstarrt und es ist in dem langen Zeiträume für die unterirdischen Knospen der Bartsia gewiss nur von Vortheil, wenn ihnen eine ausgiebige Nahrung aus den Leibern gefangener Infusorien zu- kommt. Der Vortheil wird um so einleuelitender, wenn man bedenkt, dass aus den organischen Verbindungen, welche die Schuppen der unterirdischen Knospen in ihren Zellen aufgespei- chert enthalten, in der darauffolgenden Vegetationszeit in zwei bis drei Wochen der oberirdische Stengel mit seinen Laubblät- tern und Blüthen aufgebaut werden soll und dass der feuchte Boden, in welchem die Bartsia wächst, so wie auch die Wurzeln der Sumpfpflanzen, an welche die Bartsia einige Saugwarzen anlegt, zwar Wasser und mineralische Salze, aber nur wenig Materiale zur Erzeugung stickstoffhaltiger Verbindungen liefern.

A.v:I\erner luid R.v.irettsteiii. Bie rhizopodüidenVerdamingsorganß toerfangei-ider Pflanzer..

Autor isl Lith v.M. Streicher

Lith.Aist 7:Tii Banmvaitk.TOsr.-

Sitzimösl)er. d.kaiserl . Akad.d.Wss. math.natuTH^ a.XCIl[.Bd.Lifl)äi.l886.

Die rhixopodoiden Verdau ungsorgane etc. 15

Erklärung der Tafel.

Fig. 1. Stück eines unterirdischen Stammes vonLat/naea Squamaria.^-dtüv], Grösse.

2. Dasselbe, im Längsschnitte, au dem die Kammern in den einzelneu Blättern sichtbar sind. Natürl. Grösse.

3. Ein einzelnes Blatt vergrössert. Durch die durchscheinende Ober- seite sind die zehn Kammern im Innern des Blattes sichtbar.

4. Längsschnitt durch ein Blatt; bedeutend vergrössert. a Anheftungs- stelle des Blattes; 6 e Oberseite des Blattes, bei c nach rückwärts gekrümmt; f Blattunterseite mit dem Eingange in die Höhlung «7; h Stamm.

5. Stück der Wand emer Höhlung, stark vergrössert.

6. Stück eines Querschnittes durch ein Blatt, zeigt ein stielloses Organ und die Verbindung der Basalzelle (b) mit den Endigungen des Ge- fässbündels (G)] stark vergrössert.

7. Köpfchentragendes Organ mit den über die Wand der Köpfchen- zellen vorragenden Plasmafäden, stark vergrössert.

8. Unterirdische Knospe von Bartüa alpina. Natürl. Grosse.

9. Querschnitt durch einen Theil derselben; vergrössert.

10. Der Rand einer Knospenschuppe von Bartsia im Durchschnitte mit gestielten {a) und uugestielten (6) Organen, stark vergrössert.

16

II. SITZUNG VOM 14. JÄNNER 1886.

Das c. M. Herr Prof. L, Gegen bau er in Innsbruck tiber- sendet eine Abliandlung: „Über die Classenanzabl der quadratischen Formen von negativer Determinante".

Der Secretär legt eine Abhandlung von Herrn August Adler in Wien: „über ein allgemeines Princip des graphischen Rechnens" I. vor.

Herr Dr. Friedrich Wächter in Wien übersendet eine Abhandlung: „Über die Artunterschiede der positiven und negativen Elektricität".

Herr Hofrath 6. Tschermak überreicht eine Abhandlung des Herrn Dr. Max Schuster: „Resultate der Untersuchung des Staubes, welcher nach dem Schlammregen vom 14. October 1885 zu Klagenfurt gesammelt wurde."

Das w. M. Herr Prof. E. Weyr Überreicht eine Abhandlung des Herrn Regierungsrathes Prof. Dr. F. Hertens in Graz: „Über die Invarianten dreier terniären quadratischen Formen."

Das w. M. Herr Prof. J. Wiesner überreicht eine Abhand- lung: „Untersuchung über die Organisation der vege- tabilischen Zellwand".

Das w. M. Herr Hofrath Prof. C. Claus tiberreicht eine Abhandlung des Herrn Dr. J. H. List in Graz, betitelt: „Die Rudimentzellentheorie und die Frage der Regenera- tion geschichteter Pflasterepithelien".

17

Untersuchungen über die Organisation der vegetabili- schen Zellhaut.

i^Iit 5 Holzschnitten. j

Von dem w. M. Julias Wiesner.

Einleitung.

Die feinsten Stnicturverhältnisse der pflanzlichen und thierischen Organe aufzudecken, bildet bekanntlich einen der wichtigsten Zielpunkte der Morphologie und Physiologie der Pflanzen und Tliiere.

Von rein morphologischem Gesichtspunkte aus wird man an diesem heute noch in weiter Ferne liegenden, aber selbst dem besonnensten Naturforscher erreichbar erscheinenden Ziele angelangt sein, wenn die letzten, das ist die einfachsten Structur- elemente der Lebewesen aufgefunden sein werden. Die Phy- siologie aber wird die Veränderungen und Eigenschaften dieser Elementargebilde erst zur Erklärung der Lebens Vorgänge heran- zuziehen haben.

Im Bereiche der Morphologie ist es die Anatomie, welche auf analytischem "Wege den inneren Bau der Organismen darzu- legen strebt. Wie die Chemie die Verbindungen zerlegt und zu den wahren Elementen zu gelangen sucht, so trachtet die Anatomie durch analoge Operationen zu den letzten Formelementen der Pflanzen und Thiere vorzudringen. Auf diesem Wege gelang es zunächst, die Organe in Gewebe und diese in die bisher als Elementarorgane angesehenen Zellen zu zerlegen.

Dass die sogenannten chemischen Elemente die gesuchten Grundstoffe der Verbindungen nicht repräsentiren, wird derzeit wohl allgemein zugestanden. Aber auch die „Zellen" können heute nicht mehr als das angesehen werden, wofür man sie so lange hielt, als die letzten organisirten Bausteine der Pflan- zen und Thiere. Es ist das Verdienst Brücke's, die grosse

Sitzb. d. malhem.-naturw. Cl. XCIII. Ed. I. Abth. 2

18 Wiesuer,

Complication im Baue der sogenannten ,. Elementarorgane" zuerst nacliclriieklich hervorgehoben und gezeigt zu haben, dass die damals herrschenden auf den Bau der Zellen bezug- nehmenden Vorstellungen : Kerne oder Membranen seienhomogen, wenn sie uns homogen erscheinen, oder besässen keine andere als Molecularstructur, oder das Protoplasma sei eineEiweisslösung u, s. w.j als völlig unberechtigt zurückgewiesen werden müssen. Es geschah dies bekanntlich in seiner mit Recht berühmten Schrift, „die Elementarorganismen"*, aufweiche ich in dieser Abhandlung noch oftmals zurückkommen werde. Sehr treffend nennt Brücke die Zellen dort Elementarorganismen " , um schon durch das für dieselben gewählte Wort seine Anschauung über ihren wahren Bau in Gegensatz zu stellen mit jenen seiner Vorgänger, welche die Zellen als die letzten Structurelemente des Organis- mus, als „Elementarorgane" betrachteten.

Der genannte Forscher begnügte sich damit, die Organisation des Protoplasmas aus dessen Functionen zu erschliessen, ohne über die Structur des „lebenden Zellenleibes" eine bestimmte Vorstellung zu formuliren, wozu aus Mangel au thatsächlichen Kenntnissen damals alle positiven Anhaltspunkte fehlten. Hin- gegen betonte Brücke, dass eine selbst noch so complicirte Molecularstructur die in den Zellen sich abspielenden Lebens- vorgänge nicht zu erklären im Stande wäre und räumt die Möglichkeit ein, dass die Elementarorganismen aus organische Structur besitzenden Elementen, aus wahren Elementarorganen zusammengesetzt seien.

In der Geschichte dieses schwierigen Forschungsgebietes erblicken wir zwei scharf getrennte Wege. Der eine geht von den Schichtungsverhältnissen der vegetabilischen Zellenmembran und der Stärkekörnchen aus, der andere sucht durch die unmittel- bare Beobachtung unterAnwendung bestimmterMethoden (Härtung, Färbung etc.) die Structur des Protoplasmas und desZellkernes auf- zufinden. Der erstere, bekanntlich von Nägeli eingeschlagen, bewegt sich fast gänzlich auf hypothetischem Gebiete, der letztere steht durchaus auf dem Boden der Thatsachen. Nägeli's

1 .Sitzuns'sb. d. kais. Ak. d. Wiss. math. iiat. Cl. Bd. 44 (1861) II. Abth. p. 381 ffd.

Untersuchimg-en über tl. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 19

Hypothese, heute allgemein als Micellartheorie bekannt, entstand etwa gleichzeitig- mit Brücke's „Elementarorganismen", die Untersuchungen über die Structuren des Protoplasmas und Zell- kernes gehören bekanntlich der neuesten Zeit an.

Nägeli leitete seine Theorie aus dem optischen Verhalten der Zellmembran und der Stärkeköruchen und aus jenen Structur- eigenthümlichkeiten ab, welche als Schichtung und Streifung der Zellwand bekannt sind. Es gelang ihm, durch einige einfache, mit grossem Scharfsinn ersonnene Annahmen nicht nur die Doppel- brechung der genannten Gebilde, deren Schichtung und Streifung n höchst einleuchtender Weise, sondern auch manche physiolo- gisch wichtige Erscheinung, wie z.B. die Quellung der Zellmembran zu erklären und überhaupt die Structurverhältnisse mit den damals bekannten physiologiscben Phänomenen in nahen Zusammenhang und von einzelnen zumeist überseheneu Thatsaclien abge- sehen— in eine geradezu imponirende Übereinstimmung zu bringen.

Nägeli's Micellartheorie geht von folgender Annahme aus: Die vegetabilische Zellmembran besteht aus ausserordentlich kleinen, niikroskopiscli nicht wahrnehmbaren Molekülgruppen (Micellen.) Dieselben haben die Form und optischen Eigen- schaften von (nicht tessularen) Krystallen, und sind nicht imbibir- bar. Absolut trocken gedachte organisirte Gebilde bestehen aus sich berührenden Micellen. Da die Anziehung der Micelle zum "Wasser grösser als die der Micelle untereinander ange- nommen wird, so muss das in die organisirten Gebilde ein- dringende Wasser die Micelle wie ein Keil auseinander treiben. Je kleiner die Micellen sind, desto grösser werden bei der Imbibi- tion die sie umhüllenden Wasserschichten. Damit im Zusammen- hange steht die Annahme, dass der grösste Querschnitt der Wasserhülle dem kleinsten Querschnitte des Micells entspricht und umgekehrt. Da die Micelle nach einer weiteren Annahme Nägeli's sich während des Wachsthums der von ihnen zusammengesetzten Gebilde selbst vevgrössern, so müssen die Schichten der Zellwand in späteren Entwicklungsstadien wasser- armer werden.

Aus der Doppelbrechung der Micelle leitet Nägeli die Ani- sotropie der Zellhäute und der Stärkekörnchen ab, hingegen aus der Vertheilung von Micellen und Wasser alle im Laufe der

2--

20 W i e s n e r,

Entwicklung und in den verschiedensten Verbältnissen des- Lebens sieb ergebenden Erscheinungen der Aufnahme und Abgabe des Wassers, der Schichtung und Streuung der Zellhäute^ beziehungsweise der Stärkekörnchen u. s. w. Dass beispielsweise aus Form und Lage der eine Faser zusammensetzenden Micelle sich die starke Quellung in der Richtung des Querschnittes und die relativ geringe in der Richtung der Längsschnitte erklären lässt, leuchtet ein.

Die Nägeli'sche Lehre hat eine fast allgemeine Anerkennung gefunden. Der bewundernswerthe Scharfsinn, mit welchem die- selbe construirt und die strenge Consequenz der Durchführung, welche ihr den Charakter einer vollendeten Theorie aufdrückt, lassen den Erfolg, welchen dieselbe errang, begreiflich erscheinen und machen es verständlich, dass von vielen Seiten die so spär- liche thatsächliche Unterlage, auf welcher die Micellarhypothese gebaut ist, übersehen worden ist. Und auch heute noch kann Nägel i's Lehre im Gebiete der Botanik als herrschend ange- sehenwerden, obwohl manche Erscheinung in viel naturgemässerer Weise erklärt wird und manche dieser Lehre zu Grunde liegende Annahme zweifelhaft geworden oder als unhaltbar sich heraus- gestellt hat.

So vor allem der krystallinische Charakter der Micelle. Ich habe schon vor Jahren die Anisotropie der vegetabilischen Zellwand aus Spannungsunterschieden abgeleitet ^ Später machte Ebner^ die schwerwiegendsten Argumente gegen den Kry stall - Charakter der Micelle geltend und lieferte den Beweis, dass die Anisotropie der organischen Gebilde weder auf Interferenz depo- larisirter Strahlen beruhe, welche beim Durchgange durch optisch nicht homogene einfach lichtbrechende Körper entstehen, noch auf krystallinische Bescliaifenheit zurückzuführen sei, sondern dass dieselbe von nach verschiedenen Richtungen ungleichen Spannungen verursacht werde, von Spannungen, welche im Lebenslaufe des Organismus sich vielfach ändern und die auf künstliche Weise geändert werden können.

1 Elemente der Aii;itomie und Physiologie der Pflanzen 1. Aufl. p. 260. - Ebner, Untersuchungen ülxu- die Ursachen der Anisotropie organischer Substanzen. Leipzig 1882.

Untersuehuiigeii über d. Orgcauisation d. vegetab. Zellliaut. 21

Auch N. J. C. Müller \ HöhneP und Strasburger^ haben die Annahme der krystalliuischen Micelle zur Erklärung der Doppelbrechung der Zellmembran verworfen und fassen das Zustandekommen dieser Erscheinung im Wesentlichen in gleicher Weise wie Ebner und ich auf.

Höhnel führte auch die Quellungserscheinungen auf Spannungszustände zurück, nachdem er die aus der Micellar- theorie sich ergebende Erklärung für unzureichend gefunden hat.

Diejenigen, welche, wie Schmitz, Höhnel und Andere, besonders Strasburger, dessen Stellung zur Nägeli'schen Lehre ich später im Zusammenhange erörtern werde, das ge- sammte Wachsthum auf Apposition zurückführen, leiten die Schichtung der Zellwand nicht wie Nägeli aus ungleichem Wassergehalt ab, sondern führen dasselbe auf successive erscheinende, aus dem Protoplasma entstehende und sich gegen- seitig differenzirende Ablagerungen zurück.

Seit Jahren vertreteich die Ansicht*, dass der geschichtete Bau der Zellmembran im Wesentlichen nicht auf einer Wechsellagerung wasserarmer und wasserreicher Schichten, sondern auf vom Wassergehalt unabhängiger Ungleichheit der Schichten im Licht- brechungsvermögen beruhe, welches ungleiche optische Ver- halten wieder auf eine Differenz in chemischer Beziehung zurück- zuführen sei. Ich stütze mich hiebei auf Thatsachen zweierlei Art. Erstlich darauf, dass vollkommen ausgetrocknete Membranen sich geschichtet erweisen, auf welche Thatsache ich in den unten folgenden ., Untersuchungen" noch in anderem Zusammenhange zurückkomme, sodann auf die Hervorrufung von Schichtung in Zellwänden durch Reagentien, welche weder wasserentziehend noch wasseranziehend wirken, z. B. Chromsäure, welche durch Oxydation einzelne Schichten früher angreift als andere und dadurch die letzteren deutlicher macht.

1 Handbuch der Botanik I. 1880.

2 Bot. Zeitung 1882 p. 595 flfd.

3 In der weiter nuten citirteu Abhandlung über Bau und Wachsthum der Zellhäute.

i Wiesner, Elemente der Anatomie und Physiologie der Pflanzen, I. Aufl. p. 257 und 2G0.

22 W i e s 11 e r,

Näg'eli hat auf diese und andere seine Mieellartheorie be- treffenden Einwände nicht erwidert, vielmehr später seine Hypo- these mit noch grösserer Bestimmtheit, als dies früher gelegent- lich geschah, auf alle organisirten Gebilde ausgedehnt und sie zur Grundlage seiner Abstammungslehre gemacht ^

Er fasst nämlich^, indem er das von ihm aufgestellte Idio- plasma (den Träger der erblichen Anlagen des Organismus) charakterisirt, die Grundlage seiner Theorie in folgende Worte zusammen: „Sie (die Structur des Idioplasmas) ist nur einer bereits feststehenden analogen Structur anderer organisirter Körper nachgebildet. Jeder dieser Körper besteht aus krystalli- nischen Micellen (mikroskopisch unsichtbaren, aus einer grösseren oder kleineren Zahl von Molekülen bestehenden Kryställchen, von denen jedes im imbibirten Zustande mit einer Wasserhülle um- geben ist)."

Da die Micelle nur als Molekülgruppen zu betrachten sind^ und von Nägeli auch nur dafür ausgegeben werden, so ist ersichtlich, dass nach der Auffassung dieses Forschers dem Protoplasma, dem Zellkerne und der Zellwand ganz direct ein molecularer Bau zukömmt, eine Auffassung, welche den Ideen Brücke's über die Structur der Zelle zuwiderläuft. Freilich nimmt auch Brücke, wie sich von selbst versteht, gleich Nägel i eine molekulare Structur der organisirten Gebilde an, wie selbe einer Lösung, einem festen amorphen oder krystallisirten Körper zukömmt, und jedem Körper eigen ist. Diese Structur trennt er aber vollständig von der Organisation, einer Structur, welche nur den lebenden Wesen eigen ist. Der Gegensatz der beiderseitigen Ansichten spricht sich, wie ich glaube, am deutlich- sten in folgender, den „Elementarorganismen'^ (p. 385) entnom- menen Stelle aus: „Die zusammengesetzten Moleküle der organi- schen Verbindungen sind nur die Werkstücke, die nicht in ein- förmiger Weise, eines neben dem andern aufgeschich- tet, sondern zu einem lebenden Baue künstlich zusammen- gefügt sind."

1 Nägeli, Mechiinisch-physiologischeTheorie der Abstamminigslehre. München und Leipzig 1884. - 1. c. p. 35. •"' Vergl. hierüber u. a. Ebner. 1. c. p. 11.

Uutersncliungen über d. Organisation d. vfgetab. Zellhant. 23

Ehe ich einige bisher noch nicht gemachte, aber, wie ich vielleicht erwarten darf, nicht unwesentliche Einwände gegen die Nägeli'sche Hypothese vorbringe, möchten folgende Bemer- kungen gerade hier am Platze sein.

Erstlich, dass die Micelle Nägeli's mehrfach als die letzten organisirten Bausteine gehalten worden sind, welche etwa den von Brücke vorausgesetzten oder doch zugegebenen eigent- lichen Elementarorganen entsprechen. Es ist aber schon gesagt worden, dass zwischen Molekülgruppen und Micellen kein wesentlicher Unterschied bestehe. Auch schliesst schon die An- nahme Nägeli's, dass die Micelle für Wasser undurchdringlich seien, deren organische Structur aus.

Sodann möchte ich hier hervorheben, dass Nägeli's Micellartheorie, so sehr sie auf botanischem Gebiete Anklang gefunden, im Bereiche der zoologischen Forschung ohne Wirkung geblieben ist. In Flemming's bekanntem Werke über Zell- substanz* wird die Nägeli'sche Theorie nicht erwähnt, obwohl dieses Werk die bis dahin bekannten Versuche, die feinsten Structurverhältnisse der Zellsubstanz aufzufinden, am ausführlich- sten schildert und unter allen hierauf bezüglichen Arbeiten am meisten gefördert hat. Auch in anderen, den genannten Gegen- stand betreffenden Schriften finde ich kein oder doch kein näheres Eingehen auf die Nägeli'schen Ideen ^. Eine Annäherung an Nägeli's Vorstellungen über micellaren Bau liegt in Rauber's ^ Auffassung der Zellstructur, welche letztere auf einen radialconcentrischen Typus zurückzuführen sei, einen Typus, nach welchem die Stärkekörnchen gebaut sind*. Obgleich nun

1 Leipzig 1882.

- Mit Ansnahme einer Schrift, die ich nur aus einer Stelle in Ebner 's Werk (1. c. p. 9.; kenne, wo es heisst, dass Bernstein (Über die Kräfte der lebenden Materie, Universitätsschrift, Halle 1880) die Ansichten Nägeli's auf den Bau des thierischen Körpers übertragen habe, und als Ursache der Doppelbrechung thierischer Gewebe Krj'^stallmoleküle voraus- setze. Eine ähnliche Voraussetzung machen Wundt (Lehrbuch der Physio- logie des Menschen 2. Aufl. p. 55) und Ranke (Grundzüge der Physiologie 2. Aufl. p. 65.) Vrgl. auch Eb n er, 1. c. p. 233 und fifd.

3 Thier und Pflanze, Leipzig 1881, p. 7.

1 Xägeli, Abstammungslehre p. 35.

24 W i c s 11 u r.

Raub er die auf Zellstructur und Waclisthum bezugnehmende botanische Literatur kennt, so beruft er sich bei Aufstellung seiner Lehre über den radial-coucentrischen Bau der thierischen Gebilde nicht auf Kägeli, woraus vielleicht hervorzugehen scheint, dass er der Nägeli'schen Micellartheorie nicht zustimmt.

Hingegen sind Brücke's Ideen über die Organisation der Zelle bei denjenigen, welche die thierischen Gewebe zum Gegen- stand ilirer Forschungen gemacht haben, unvergessen geblieben und bilden in mancher wichtigen Abhandlung den Ausgangspunkt der Untersuchung \

Es sind also die theoretischen Grundanschauungen in Betreff der Innern Structur der Organismen bei Zoologen und Botanikern getheilt. Indess beginnt jetzt ein Umschwung einzutreten, seit- dem nämlich auch von Seite der Botaniker in den Fragen der Structur der einzig richtige Weg, nämlich der der Beobachtung eingeschlagen wird. Angeregt durch die Zoologen, studiren gegenwärtig die Botaniker die Structurverhältuisse des Zell- kernes und des Protoplasmas an der Hand der Beobachtung und beide sind bezüglich des feineren Aufbaues dieser Zellbestand- theile zu im Wesentlichen übereinstimmenden Besultatcn ge- kommen. —

Die wichtigsten Einwände, welche gegen die Nägeli'sche Lehre erhoben werden können, scheinen mir aber die folgenden zu sein.

Die von Nägel i gemachten Annahmen waren zur Erklärung einiger ganz einfachen Verhältnisse berechnet: es handelte sich ja nur darum, die Schichtung, die Streifung, die Quellung und Doppelbrechung der Zellwände, beziehungsweise der Stärke- körner zu erklären; dies ist ja seinerzeit gelungen und es hat die Micellarlehre für jene, die bloss auf die genannten Ver- hältnisse Rücksicht nehmen, auch heute noch eine gewisse Be- rechtigung. Allein es handelt sich gegenwärtig um die Verdeut- lichung, wo möglich Erklärung viel wichtigerer und schwierigerer Verhältnisse der Zellwand, um jene Vorgänge, die die Zellwand zu einem lebenden Organismus stempeln, vor Allem um die Organisationsveränderungen und chemischen Umbildungen,

1 Vgl. beispielweise Fl(nuiniug-, 1. c. p. 11.

Untcrsuchnugen übi-r d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 25

welche das Wachsthum bedingen und begleiten, durchaus Yer- bältuisse, für deren ungezwungene und naturgemässe Erklärung w4r in Nägeli's Annahmen keine Stütze finden.

Die Micellarhypothese setzt eine gewisse Homogenität der Zellhaut voraus, eine Gleichartigkeit des Gefüges, die eben noch mit der Schichtung und Streifung verträglich ist. Nim haben aber die durch T a n g l's wichtige Entdeckung eingeleiteten Untersuchungen über die Continuität des Protoplasmas benachbarter Zellen ge- lehrt, dass neben den starren Wandbestandtheilen Protoplasma- züge die Haut der Pflanzenzelle durchsetzen. Die Structur der Zellwand muss infolge dessen weit inhomogener sein, als mit der Micellartheorie vereinbar ist.

Ich werde in dieser Abhandlung mehrfache thatsächliche Belege für die Auffassung, dass in der wachsenden Zellwand stets Protoplasma vorhanden sein muss, anführen und werde zeigen können, dass nicht nur dieOrganisatiousänderungen in derZellbaut unter der Annahme lebenden Protoplasmas inmitten derselben verständlicher werden, sondern auch die chemischen Verhältnisse, auf welche die Nägeli'sche Theorie keine Rücksicht nimmt und die, sofern sie mit der Structur der Zellhaut in Zusammen- hange stehen, überhaupt bisher nicht genügend gewürdigt wor- den sind.

Nach beiden hier angedeuteten Richtungen ist mir die Tangl'sche Entdeckung über die Communication des Proto- plasmas benachbarter Zellen von Wichtigkeit geworden. Man hat diese nunmehr im Pflanzenreiche so vielfach bestätigte Entdeckung bisher nur unter jenem Gesichtspunkte betrachtet, von welchem Tang] selbst sich leiten Hess, und den zu unterschätzen ich weit entfernt bin. Man betrachtete den Durchgang des Proto- plasmas durch die Wand nur als ein Verhältniss, welches den Zusammenhang benachbarter Zellen beeinflusst; dass man unter diesem Gesichtspunkte eine viel naturgemässere Vorstellung über Reizfortpflanzung und ähnliche physiologische Vorgänge erhielt, halte ich für einen hohen Gewinn.

Ich habe nun Tan gl 's Entdeckung von einem ganz anderen Gesichtspunkte aus betrachtet: ich frug mich, was hat die An- wesenheit des Protoplasmas in der W^and für die Organisations- verhältnisse derselben, ferner für ihren Chemismus zu bedeuten?

26 Wiesuer,

Diese Frag-estellung- in Vei-binduug mit einer vorher schon auf analytischem Wege gemachten Auffindung', dem Vorhandensein kleiner individualisirter Hautkörperchen, auf die ich noch in dieser Einleitung zu sprechen kommen werde, waren die Ver- anlassung, meine vor langer Zeit begonnenen Untersuchungen über die feineren Structurverhältnisse der vegetabilischen Zell- wand wieder aufzunehmen.

Ich muss noch einer wichtigen, die Structur der Zellhäute betreffenden Untersuchung Erwähnung thun aus zweierlei Grün- den: erstlich weil ich deren Verhältniss zu Brücke und Nägel i zu beleuchten für nöthig finde, und zweitens, weil ich mich auf dieselbe in dieser Abhandlung mehrfach beziehen werde.

Ich meine die umfassenden Untersuchungen, welche in neuerer Zeit Strasburger ,,tiber den Bau und über das Wachs- thum der Zellhäute" ^ veröffentlichte.

Strasburger steht in einer das Wesen der organischen Structur betreffenden Hauptfrage auf dem Standpunkte Nägeli's; auch er sucht eine Förderung- unserer Anschauungen über die Leistungen des Organismus in der Aufstellungeiner Hypothese über die Molecular structur der organisirten Gebilde. Aber seine Vor- stellung über den molekularen Bau der Organismen ist eine von der Nägel i 'sehen vollkommen verschiedene.

Nägeli fuhrt den Aufbau der Organismen auf lose, aber in bestimmter regelmässiger Anordnung nebeneinander liegende Molekülgruppen (Micelle) zurück. Strasburger hingegen nimmt eine specifische Verkettung- der Substanzmoleküle eine netzartige Vereinigung an und spricht sehr bestimmt die Meinung aus, dass diese Vereinigung der Moleküle nicht etwa eine Eigenthümlichkeit der colloidalen Substanzen, sondern eine specifisclie Eigenthümlichkeit der lebenden Gebilde ist. „Organi- sirt ist für mich ein CoUoid erst dann, wenn es eine durch die specifische Thätigkeit des Organismus bedingte Structur besitzt.-^

Durch diese Äusserung setzt sich aber Strasburger in bestimmten Gegensatz zu jenen Forschern, welche, wie z. B. Pfeffer-^, gar kein Unterschied zwischen „organisirt" und

1 Jena 1882.

- Strasbu rgei-, 1. c. p. 218.

3 Osmot. Unters, p. 151 und Pflanzenphysiologie. p. 13.

Untersuchuügen über d. Organisation cl. vegetab. Zellhaut. 27

„quellung'sfähig-" zulassen. Diese Identifieinmg' der org'anisirten mit der eolloidaleu Substanz scheint mir der schärfste Ausdruck für die Käg-eli'sche Grundauffassung der Organisation zu sein, und man wird, indem man von hier aus den Vergleich zwischen dieses Forschers und S trasburger's Ansicht unternimmt, wohl zugeben, dass letzterer sich mehr der Grundauffassung Brücke's als jener Nägel i 's hinneigt.

Die Untersuchungen Strasburger's haben noch einen anderen grossen Vorzug: sie bringen die über die Structur des Protoplasmas und Zellkernes erworbenen Kenntnisse mit den Zell- wandstudien in Verbindung und versuchen mehrfach die Structur der Zellmembran aus jener des Protoplasmas entwicklungs- geschichtlich abzuleiten.

Strasburg er bew^eist, dass das Protoplasma direct die Wand erzeugt und nicht etwa bloss ausscheidet, er zeigt, dass die erste Anlage der Haut selbst ein Protoplasmagebilde ist. Gerade diese bedeutungsvolle Entdeckung, welche mit der be- kannten von Pringsh ei m herrührenden Darstellung der Zellhaut- entwicklung aus dem Protoplasma mehrfach im Einklänge steht, ist für meine Studien über die Organisation der Zellwand von Wichtigkeit geworden.

Auch Strasburger führt die Doppelbrechung der Zell- häute und Stärkekörnchen auf Spannungsverhältnisse zurück und bestreitet den krystallinischen Charakter der den Micellen ent- sprechenden Formtheilchen.

Die Schichtung der Zellhäute und Stärkekörnehen wird von Strasburger auf reines Appositionswachsthum, also auf eine successive Substanzanlagerung vom Protoplasma her durch Umwandlung von Protoplasmasubstanz (Mikrosomen etc.) in Hautbestandtheile zurückgeführt, eine Auffassung, welche nicht nur der Micellarhypothese Nägeli's zuwiderläuft, sondern auch im Widerspruche mit der von den letztgenannten Forschern begründeten Lehre vom Wachsthum der organisirten Gebilde durch Intussusception steht.

Während ich bezüglich des Zustandekommens der Doppel- brechung der Zellwand mich mit Strasburger in Überein- stimmung finde, gelange ich sowohl, was das Wachsthum der Zellhaut als das Zustandekommen der Schichten anlangt, zu

28 W i e s n e r,

Resultateu, welche ebensowohl von seiueu als von jenen Käg-eli's abweichen.

Dagegen stimme ich mit Strasburger's Auffassung in Bezug auf das Zustandekommen der Streifung Uberein. Gleich ihm betrachte ich die Streifen als schraubig angeordnete Fäden.

Indem ich hier andeute, dass nacli meinen Untersucliung-en die Streifen der Hauptsache nach aus kleinen, mikroskopisch nachweisbaren Körperchen (Dermatosomen) bestehen, aber auch die Schichten aus diesen Hautkörperchen sich zusammensetzen, komme ich zu dem Ausgangspunkte meiner Untersuchung,

Ich legte mir die Frage vor, ob es nicht auf analytischem Wege gelingen könnte, die Haut in feinere Elemente zu zerlegen, wie es gelungen ist, auf diesem Wege die Gewebe in Zellen zu theilen.

Nach langwierigen Untersuchungen fand ich mehrere Methoden, welche die Nachweisung von mikroskopisch erkenn- baren individualisirten Hautkörperchen ermöglichten.

Aber erst durch die Verbindung dieser Thatsache mit den früher genannten Entdeckungen Strasburger's und Tangl's wurde ich in den Stand gesetzt, eine naturgemässe Vorstellung über die Organisation der Zellwand entwickeln zu können.

Um diese letztere, um die organische Structur und nicht um den molekularen Bau der Zellhaut wird es sich in den folgenden Blättern handeln. Bezüglich der ersteren tinden sich in den umfassenden Untersuchungen Nage li 's die sorgfältigsten Beob- achtungen, namentlich über Schichtung und Streifung, auf die man wohl immer wird zurückgreifen müssen, wenn es sich um das Studium der Zellwandstructur handelt. Auch meine ich, dass die tiefe speculative Behandlung, w^elche dieser grosse Forscher den organisirten Gebilden in seiner Micellartheorie angedeiheu Hess, vieles hervorgebracht hat, was in späterer Zeit, w^enn die Frage über den molekularen Bau der Organismen mit Aussicht auf Erfolg wird in die Hand genommen werden können, Verwerthung finden wird.

Untersuchung-eu über d. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaut. 29

Untersuchungen.

I. Zusammensetzung der vegetabilischen Zellhaut aus mikrosko- pisch nachweislichen Elementarkörperchen (Dermatosomen).

a) Z e r s t ä ii Ij u n g s v e r s u c b e.

3Ieine ersten Versuche, die Zellwand iu feinere als in die bis jetzt bekannten organisirten Bestandtheile zu zerlegen^ knü- pfen an eine mit glücklichem Erfolge angewendete Fabrications- methode au, welche den Zweck hat, vegetabilische Verunreini- gungen aus Thierwolle und daraus erzeugten Webeproducten zu entfernen, ohne die animalische Faser anzugreifen.

Die vegetabilische Faser zerfällt bei dieser gleich näher zu beschreibenden Procedur durch leiseste Berührung in eine über aus feine Masse. Ich hoffte, durch dieses Verfahren die Zellwand, weiter als dies bisher geschehen war, zerlegen zu können.

Die Methode, von welcher die Rede sein wird, ist in der Praxis als „Carbonisirung" (auch „Entklettung-', „epaillage)" bekannt. Sie besteht in Folgendem: Die zu „entklettende" Wolle wird mit etwa zweiprocentiger Salz- oder .Schwefelsäure (auch andere Substanzen werden verwendet) behandelt, die adhärirende Flüssigkeit durch Abpressen oder Centrifugiren entfernt und die feuchte Masse auf etwa 60 bis 70° C. bis zur völligen Ein- trocknung erhitzt. Die Thierfaser bleibt wenigstens anscheinend intact; hingegen zerstäubt Alles, was vegetabilischen Ursprungs ist, und lässt sich durch Waschen mit Wasser und geringe mechanische Bearbeitung beseitigen.

Ich habe der Carbonisirungsmethode * schon vor Jahren meine Aufmerksamkeit zugewandt, vornehmlich um eine merk- würdige Eigenschaft der vegetabilischen Gewebe näher kennen zu lernen, welche den Botanikern unbekannt geblieben war. Es

1 Der Ausdruck „Carbonisiruug-' rührt davon her, dass im Fabri- cationsbetriebe die Temperatur, bei welcher die Zerstörung der vegetabili- schen Faser vorgenommen wird, oft bis zu Graden (65° C. und darüber)« steigt, bei welchen die Pflanzentheile ein kohliges Aussehen annehmen Ich nehme die sogenannte Carbonisirnng stets bei relativ niederer Tem. peratur vor, wobei die zerstäubte Faser in der Färbung keine Änderung erfährt. Es bildet beispielsweise eine nach meiner Methode carbonisirte Baum- wolle ein schneeweisses Pulver.

30 W i e s u e r,

gelang- mir zu zeigen, dass die vegetabilische Faser ihren Zu- sammenhang einhüsst, während die animalische keine Ande- rimg erfährt oder bei sorgfältiger Durchführung der Methode sogar an absoluter Festigkeit gewinnt ^ Um der Auffassung, als würde diese Methode den Zweck haben, die Faser zu humi- ficiren oder gar in Kohle zu verwandeln, vorzubeugen, will ich dieselbe im Nachfolgenden als Zerstäubungsmethode bezeichnen.

Ich habe schon bei den damals durchgeführten Unter- suchungen darauf hingewiesen, dass die verschiedenen vegeta- bilischen Gewebe dem Zerstäubungsverfahren gegenüber ein verschiedenes Verhalten darbieten. Ich zeigte, dass aus reiner (oder nahezu reiner) Cellulose bestehende Gewebe, ferner alle verholzten Gewebsbestandtheile, durch die Carbonisirung zerstört werden, hingegen die peridermatischen Gewebe (z. B. der Kork) hierbei keinerlei sichtliche Veränderung erleidend

Zur Zerstäubung der Gewebe benütze ich Salzsäure, und zwar einprocentige, da eine so schwache Säure zur Durchführung des Verfahrens ausreicht. Wie ich finde, kann selbst mit einer halbprocentigen Salzsäure carbonisirt werden, nur ist längere Einwirkung und wenn man rasch zerstäuben will, eine relativ hohe Trocknungstemperatur erforderlich. Hochprocentige Salz- säure, z. B. die gewöhnliche Salzsäure der Laboratorien, welche 15 bis 22 Procent reine HCl enthält, sollte für unsere Zwecke nicht angewendet werden, da dieselbe auch andere Wirkungen im Gefolge hat.

Versuche mit Leinenfaser. Wird diese Bastfaser in eiuprocentiger Salzsäure durch 24 Stunden liegen gelassen, sodann von der adhärireuden Flüssigkeit befreit und hierauf solange bei 50 bis G0° C. erwärmt, bis die Substanz völlig trocken geworden ist, was bei Anwendung kleiner Fasermengen schon nach 30 bis 50 Minuten erreicht ist, so zerstäubt die Faser, lässt sich beispielsweise zwischen den Fingern selbst durch leisen Druck in ein überaus feines Pulver zerreiben.

1 Näheres hierüber .siehe Wies n er, über das Verhalten der vegeta- bilischen nnd animalischen Faser beim Carbonisiren der Wolle und des Tuches, in Dinglev's polytechn. Journal Bd. (187ü), p. 454 ffd.

'■i I. c. p. 457.

Untersuohuügen über a. Organiscltion <1. vegetab. Zellhaut. 31

Trockuet man die Faser in unverändertem Zustande bei 50 bis 60° C, ja sogar bei 100°, so lässt sie bezüglich ihres Zu- sammenhangs keine Veränderung bemerken. Wird sie hingegen nach 24 stündigem Liegen in einprocentiger Salzsäure an der Luft bei mittlerer Temperatur sich selbst überlassen, so wird sie brüchig. Lässt man sie 2 bis 3 Tage in einprocentiger Salzsäure, so zerstäubt sie nach der Trocknung wie eine regelrecht carboni- sirte vegetabilische Substanz, woraus sich ergibt, dass die verdünnte Säure allein den Zerfall der Faser zu bewirken im Stande ist, dass aber erhöhte Temperatur den Process be- schleunigt.

Ähnliches gilt bezüglich aller anderen durch unsere Methode zum Zerfall zu bringenden vegetabilischen Gewebe. Manche erfordern eine höhere als die zum Zerfallen der Leinenfaser nöthige Temperatur, um innerhalb der genannten Zeit zu zer- stäuben, z. B. die Baumwolle, welche nach 24stündigem Liegen in einprocentiger Salzsäure bei 50 bis 60 ° C. nur unvollständig, hingegen bei 60 bis 65 ° C. vollständig zerstäubt.

Durch längere Einwirkung der Salzsäure, Erwärmen bei höherer Temperatur, beziehungsweise länger andauerndes Aus- trocknenlassen bei gewöhnlicher Temperatur hat man es in seiner Gewalt, viele vegetabilische Gewebsarten nach unserem Verfahren zur vollständigen Zerstäubung zu bringen.

Nach meinen bisherigen Erfahrungen lassen sich durch Carbonisirimg leicht zerstäuben: verholzte und uuverholzte Paren- chyme (HoUundermnrk, Kartoffelparenchym etc.\ Bastzellen, und zwar sowohl verholzte (z. B. Jutefaser) als unverholzte oder sehr schwach verholzte (z. B. Leinen- und Hanffaser), Holzgewebe (Tanne, Fichte, Föhre, Linde etc.), alle Arten von Meristemen und jugendlichen Geweben.

Sehr dickwandige unverholzte Gewebe, wie z. B. das Endo- sperm von Phytelephas, können auf die angegebene Weise nicht zerstäubt werden. Erst nach monatelanger Einwirkung der Salz- säuie gelingt, nachdem die Zellen sich von einander losgelöst, haben, oder durch leisen Druck von einander entfernt werden können, die Zerfälhmg bei 50 bis 60 ° C.

Hingegen konnte selbst nach monatelanger Einwirkung von einprocentiger Salzsäure auf Pilzgewebe (Fruchtkörper von

o^ W 1 e s n c r,

Polijponis f'omenlarinii und andere PolyporKS- Arten, Daedulea quercina etc.) und auf Periderm (gewöhnlicher Kork, Periderm der Kartoffel, Korkhäiite ausdauernder Spiraea-kxiew etc.) durch das Zerstäubungsverfahren kein merklicher Erfolg erzielt werden.

Die zu Staub gewordene Masse besteht aus kleinen Frag- menten, welche, sofern sie aus faserförmigeu Elementen hervor- gegangen sind, bestimmt orientirte Bruchflächen aufweisen; hin- gegen haben die durch den Zerfall von Parenchymzellen ent- standenen Bruchstücke eine unregelmässige Begrenzung.

Die Bruchflächen der untersuchten Bastfasern (Lein-, Hanf-, Jutefaser etc.) stehen zur Zellaxe genau oder nahezu senk- recht. Die Bruchfläche ist entweder eben oder staffeiförmig (häufig bei der Hanfl)astzelle zu sehen) und setzt sich dann theils aus zur Zellaxe senkrechten, theils zu dieser parallelen Flächen zusammen. Die Fragmente sind oft von zahlreichen, manchmal dichtgedrängt liegenden, zur Zellaxe senkrechten Querlinien durchzogen. Auch die untersuchten Holzfasern (Tracheideu) bieten ein ähnliches Bild dar; doch sieht man nicht selten neben quergebrochenen Fasern auch solche, welche stellenweise schief gebrochen sind. Hingegen bieten die Bruchflächen der zerstäub- ten Baumwollenfasern ein anderes Bild dar. Sehr häufig laufen die Bruchflächen schief von der natürlichen Grenzfläche ab und schneiden sich dann meist unter nahezu rechten Winkeln. Manchmal scheint die Bruchfläche quer zu liegen ; sie hat dann, wie genauere mikroskopische Untersuchung lehrt, eine Zickzack- gestalt uud die kleinen Bruchflächen sind so wie die früher genannten Bruchflächen orientirt. Die wahren Bruchfiächen der. carbonisirten Baumwollefaser stehen schief (häufig unter 45°) zur Axe.

Nur selten findet sich eine andere Anordnung der Bruchfläche vor, namentlich bei stark verdickter Faser.

Aus diesen Beobachtungen ist zu ersehen, dass in den unter- suchten Bastzellen der Zusammenhang der Theilchen durch das Zerstäubungsverfahren fast ausschliesslich in querer Eichtung gelöst wurde, in den untersuchten Trachciden vorwiegend in zur Zellaxe senkrechten, aber auch in schiefer (derStreifungparalleler) Eichtung, hingegen in der Baumwollenfaser fast ausschliesslich

Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. oo

in schiefer Richtung-, welche gleichfalls jener der Streifung der Zelle entspricht.

Bei ein- oder zweimaliger Wiederholung des Zerstäuhungs- verfahrens an einem und demselben Objecte schreitet der Zerfall doch nur in dem angegebenen Sinne fort. Wird dieses A^erfahren an einem und demselben Objecte oftmals wiederholt, so treten nach und nach auch andere Trennungen ein, ähnlich jenen, welche Chlorwasser hervorbringt und die weiter unten eingehend be- schrieben sind. Da aber bei wiederholt angewendetem Zer- stäub ungsverfahren die Theilungen der Zellmembranen nicht in so reiner Form sich vollziehen, wie bei Anwendung von Chlor- wasser, so will ich die diesbezüglichen Versuche nicht näher beschreiben.

Anscheinend geht in den dem Zerstäubungsveifahren unter- worfenen Geweben keine chemische Veränderung vor sich. Die unverholzten Zellwände reagiren gegen Jodpräparate und Kupfer- oxydammoniak wie Cellulose, die verholzten geben mit schwefel- saurem Anilin, ferner mit Phloroglucin und Salzsäure die be- kannten Holzstoffreactionen und nach Beseitigimg der sogenann- ten Holzsubstanz die Cellulosereactionen.

Dennoch ruft das Zerstäubungsverfahren tiefgreifende chemische Veränderungen in den Zellmembranen hervor.

Einige hierauf bezügliche Untersuchungen hat auf meine Veranlassung Herr Fridolin Krasser ausgeführt. Ich theile aus seinen Aufzeichnungen Folgendes mit.

Schwedisches Filterpapier, welches sich bei der mikrosko- pischen Untersuchung als reine Baumwollenmasse erwies, wurde durch mehrere Stunden in destillirtem Wasser gekocht. Es gab in der ersten Zeit eine Spur löslicher Substanz ab, später nichts. Die so vorbehandelte Masse wurde bei 100° getrocknet, bis kein Gewichtsverlust stattfand. Etwa 5 Grm. dieser Substanz wurden mit einprocentiger Salzsäure bei 60 bis 65 ° C. der Zerstäubung unterworfen. Die zerstäubte Masse war schneeweiss. Sie wnirde mit destillirtem Wasser so lange ausgekocht, bis keine Substanz mehr in Lösung ging. Sowohl die extrahirte Substanz als die rück- ständige Faser wurde getrocknet und gew^ogen. Die Menge der extrahirten Substanz betrug 13-- 12 Procent. In derselben Hess sich durch die Fehling'sche Probe reducirender Zucker nachweisen.

Sitzb. rt. mathera.-naturw. Cl. XCIII. Bfi. I. Abth. 3

34

W i e s n e r.

Ein ähnlicher Versuch wurde mit reinem Leinenzwirn ge- macht, welcher früher durch Auskochen von allen in Wasser lös- lichen Bestandtheilen befreit worden war. Die Carbonisirung geschah gleichfalls mit einprocentiger Salzsäure, aber bei einer Temperatur von 50 bis 60° C. 8-183 Gramm der zerstäubten reinweisseu Masse gaben an destillirtes Wasser 0-803 Substanz ab, so dass die Trockensubstanz des Extractes in diesem Falle beiläufig 10 Proceut betrug. Auch in diesem Extracte Hess sich reducirender Zucker nachweisen.

h) ZerJegung zerstäubter Gewebe in Dermatosomen.

1. Baumwoll enfaser. Wird die zerstäubte Baumwolle auf den Objectträger in einem Tropfen gewöhnlicher Salzsäure eingelegt und mittelst des Deckglases schwach gequetscht, so bietet sie ein ähnliches Bild dar wie die sonst unverändert ge- bliebene und gequetschte Faser, nur treten die Sprunglinien viel reichlicher auf und erscheint die Faser in zu diesen Sprung- linien paralleler Richtung gestreift.

Lässt man die Säure längere Zeit, etwa 15 bis 20 Minuten einwirken und verstärkt man den Druck, so zerfällt die Faser in zahlreiche parallel gestreifte und reichlich durchklüftete Frag- mente, welche vielfach in kurze überaus feine Fäserchen zer- theilt erscheinen. Diese letztgenannten Fäserchen sind weiteren

Fig. 1.

/

£>

Vci-gr. GOO. Zerstäubte B.axmwoUc. A nach Behandlung mit Salzsäure. B nach Behandlung- mit Kalilauge. C gequetscht, a nach Vorbehandlung der zerstäubten Baumwolle mit Salzsäure, b mit Kalilauge, b besteht bloss aus Dermatosomen und homogener Grundmasse; in a sind die Dermatosomen noch vielfach zu Fibrillen vereinigt. D gechlorte Baumwolle, durch leisen Druck in Fibrillen zerlegt.

Untersucliiui.aen über ä. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 35

mechanischen Ang-riffeu geg-enüber ziemlich resistent, zerfallen aher dennoch stellenweise der Länge nach in kleine Körnchen, welche in einer homogenen gelatinösen Masse eingebettet liegen. Letztere färbt sich auf Zusatz von Chlorzinkjod lebhaft violett, während die darinliegenden Körnchen und Fäserchen viel weniger deutlich (violett) gefärbt werden.

Ein anderes Verhalten der carbonisirten Faser gibt sich bei Anwendung concentrirter Kalilauge zu erkennen. Wie vielfach die Fragmente dieser Fasern auch durch die früher genannten Sprnnglinien zerklüftet sein mögen^ es treten nunmehr neue Zer- klüftungen auf, welche die Faser quer oder nahezu quer durch- setzen. Bei aufmerksamer Beobachtung erkennt man, dass durch die Kalilauge innerhalb der Zellmembran andere Bindungen der Theilchen gelöst werden, als durch die Zerstäubung beziehungsweise durch die Salzsäure, welche, wie wir gesehen haben, diejenigen Bindungen nur viel reichlicher aufliebt, welche durch das Zerstäubungsverfahren aufgelöst worden sind. Lässt man die Kalilauge gleichfalls durch 15 bis 20 Minuten auf die carbonisirte Baumwolle wirken, und quetscht man nach vorherigem Auswaschen mit Wasser, um die weitere Einwirkung des Kali auszuschliessen, mittelst des Deckglases, so zerfallt die ganze Faser in überaus kleine Körnchen, welche in einer homogenen Schleimmasse eingebettet sind. Durch wiederholte Druckwirkungen lässt sich eine weitere Theiluug der Körn- chen nicht erzielen, vor Allem gelingt es nicht, dieselben in eine homogene Schleimmasse zu verwandeln. Körnchen und Schleim- masse verhalten sich dem Chlorziukjod gegenüber wie in dem früher beschriebenen Falle.

Die durch den Druck nach vorheriger Behandlung mit Reagentien erhaltenen Körnchen bilden gegenüber der schleimigen Substanz die Hauptmasse.

Ich will jetzt gleich bemerken, dass ich diese Körnchen aus allen bis jetzt von mir untersuchten Zellmembranen ^ abge- schieden habe. Bei stärkster Vergrösserung gesehen erscheinen dieselben als rundliche Gebilde, deren nähere Grestaltverhältnisse

1 Mit Ausnalime jener der untersuchten Pilzgewebe, über welche weiter unten nähere Angaben folgen

3*

W i e s n e r,

derzeit kaum zu ermitteln sein dürften, da dieselben zumeist an der Grenze deutlicher mikroskopischer Wahrnehmung- liegen. Dieselben bilden nicht ein zufällig- entstandenes Zerfällungs- product der Zellmembran etwa vergleichbar dem Säg-emehl eines Holzes oder einer durch Zerstossuug erhältlichen staubigen Masse, sondern sind org-anisirte Körperehen, welche an dem Aufbau der Zellhant wesentlichen Antheil nehmen. Dies näher zu begründen, ihre g-eg-enseitige Bindung zu erklären und ihre Beziehung zu analogen Bildungen des Protoplasmas darzulegen, bildet eine der Hauptaufgaben, welche ich in dieser Abhandlung zu lösen versuchen werde. Ich schlage für diese Körperchen den Namen D e rm at o s o m e n vor.

Ich zweifle nicht, dass diese Dermatosomen schon oft gesehen worden sind. Denn jene überaus feinen Körnchen, welche bei der Fäulniss und bei anderweitigen Zersetzungen aus den festen Theilen der Zellen entstehen und welche den „Gewebsdetritus" constituiren, sind vornehmlich Dermatosomen vielfach untermengt mit Mikroorganismen und Avahrscheinlich noch mit anderen kleinen, gleichfalls an der Grenze der mikroskopi- schen Wahrnehmung gelegenen, dem Zellinhalte entstammenden Theilchen.

Ich möchte auch nicht bezweifeln, dass diese Dermatosomen und kleine Gruppen derselben häufig für Mikrokokken und Bac- terien gehalten wurden und dass die in neuerer Zeit wieder auf- getauchte Behauptung, aus Gewebezellen höherer Organismen könnten Spaltpilze hervorgeiien, auf einer Verwechslung dieser mit Dermatosomen und analogen Gebilden des Protoplasma beruhen. Ich habe Dermatosonienpräparate, welche entweder bloss aus diesen oder aus diesen und stäbchenförmigen Körnchen- gruppen bestanden, mehreren in Bacterienfragen wohlbewanderten Personen mit der Frage vorgelegt, wofür sie diese Gebilde halten und durchwegs die Antwort erhalten, dass dieselben von Schizomycetenarten kleinster Art dem Aussehen nach nicht zu unterscheiden wären. Ich führe dies nur au, um zu zeigen, wie leicht bei einfacher Betrachtung eine Verwechslung der Dermato- somen mit Bacterien möglich ist, und brauche wohl nicht hinzu- zufügen, wie leicht es durch die vorgeschrittenen Züchtungs- methoden geworden ist, sich vor Irrthtimern zu bewahren.

Unter.suehuuö'eu über d. Ore'auisation d. ve<i-etab. Zellhaut.

37

Ich möchte hier noch auf ein Verfahren aufmerksam machen, durch welches es noch viel leichter als durch Kalilauge g-elingt, die Baumwollenfasern in Dermatosomen zu zerlegen. Wird die carbonisirte Baumwolle wochenlang der Einwirkung von Chlor- wasser ausgesetzt und hierauf unter Mikroskop betrachtet, so bietet sie kein anderes Bild dar als eine fast unverändert geblie- bene Faser. Aber schon durch leisen Druck zeifällt sie in ge- streift aussehende Bruchstücke , welche selbst bei schwacher Quetschung mittelst des Deckgläschens in Fibrillen und schliess- lich in Dermatosomen zerfallen (Fig. 1, D).

2. Leinenfaser. Weniger leicht erfolgt die Zerlegung der 'zerstäubten Leinenfaser in Dermatosomen. Die Fragmente dieser so vorbehandelten Fasern erscheinen quer abgebrochen, sind reichlich von Querlinieu und querverlaufenden Spalten durchsetzt, der Länge nach infolge partieller Loslösung der sogenannten Yerdickungsschichten gestreift und hin und wieder von sehr steil ansteigenden Klüften durchzogen. Im Wasser quillt diese Faser sehr wenig, durch Druck stellt sich eine reichliche Zerklüftung und Zerfaserung der mittleren Partien der Zellwand ein, während die äusseren Partien unverändert bleiben, gewissermassen eine homogene Hüllschichte bildend, desgleichen die innerste

Fiff. 2.

B

a

1

1

1

m.

ü

Vergröss. GOO. Leinenfaser, ^zerstäubt und gequetscht: B zerstäubt und

mit Kali behandelt, a Dichte Ausseuschichte. i Innenhaut. 1 bis 4 Eichtuu-

gen der Sprungliuien.

ijb W i e s 11 e r,

Zellwaudscliichte (luuenhaut). Die zerklüftete I^avtie lässt vier 8chiclitimg.srichtnngeu erkeimcu: eine parallel zur Axe, die zweite senkrecht liiezu, die dritte und vierte nach steil ansteigenden, sich kreuzenden Schraubenlinien.

In der Regel sieht man au den einzelnen Fragmenten nur zweierlei Streifen: entweder Längs- und Querstreifen oder sich kreuzende schiefe Streifen.

In gewöhnlicher Salzsäure quillt die Faser auf, die Längs- streifen treten deutlicher hervor, desgleichen die schrauhig ver- laufenden Spalten. An den Stellen, wo die queren Spaltflächen liegen, quillt die umliegende Wandpartie auf und erhält ein knoti- ges Aussehen, wie es manchmal auch an der rohen, deutlicher noch au stark gedreht gewesenen Leinenfasern zu selien ist. Auch eine zarte, sehr steil verlaufende schrauhige Streifung wird erkennbar.

Stärker quillt die carbonisirte Leinenfaser in Kalilauge auf, die äussersten Wandpartien reissen, sich nach aussen concav krümmend, von der Querbruchfläche aus auf. Die Innenhaut hebt sich von der Umgebung ab und erscheint als ein hin- und herge- wundener Schlauch. (Fig. 2Bi)^

Quetscht mau das Salzsäurepräparat, so gelingt der Zerfall in Fibrillen und in Dermatosomen. Auch entsteht eine homogene Masse, in welcher die Fibrillen und Körnchen liegen und die sich durch Chlorzinkjod stärker als die beiden letzteren violett färbt. Doch bleiben noch immer einzelne Faserfragmente ungelöst zurück, welche den äusseren Wandpartien entsprechen.

Nur sehr unvollkommen lässt sich das Kalipräparat durch Quetschung in Dermatosomen zerlegen.

Die reinsten Präparate gewinnt man, wenn man abwechselnd, mit Salzsäure und Kali behandelt, jedesmal sorgtaltig auswäscht und schliesslich erst die Quetschung vornimmt oder wenn man 2- bis 3mal carbonisirt und dann mit Kali behandelt.

1 Die scheinbare Verlängeruug der Inneiihaut iaruitteu der ge- quollenen Bastfaser (Fig. 2 Bj^t) lehrt, dass diese an der bei der Quellung der Faser sich einstellenden, von Höhnel zuerst genauer beschriebenen und erklärten Verkürzung der Schichten nicht Antheil nimmt oder doch nicht in dem Masse, wie die benachbarten Schichten. (Vergl. Höhne 1., bot Zeit. 188-2 p. 5it5 ff.)

Untersuchuug-eu über d. Organisation d. vegetab. Zollliaut.

39

3. Jutefaser. Auch verholzte l)astfaserii lassen sich durch Zerstäubung- und hierauf folgende Behandlung mit Salzsäure und Kalilauge durch Druck in Dermatosomeu und homogenen Schleim zerlegen, wie die mit Jute angestellten Versuche lehren.

Am besten ist es auch in diesem Falle, zuerst Salzsäure und nach erfolgtem Auswaschen mittelst Wasser Kali einwirken zu lassen.

Eine sehr bemerkenswerthe Besonderheit zeigt sich nach Einwirkung von Kalilauge und hierauf folgender Quetschung. Die bedeutend aufquellende, schon infolge der Carbonisirung stark der Quere nach zerklüftete Faser zerfällt in Querscheiben, wie sich solche durch Querschnitte nicht vollkommener herstellen lassen.

I Fig. 3C. ) Die äusserste Schichte dieser Querscheiben erscheint grobgekörnt. Schon die Grösse dieser Körnchen macht es unwahrscheinlich, dass sie Dermatosomen seien. Dieselben sind zweifellos grössere Gruppen von Der- matosomeu, denn sie zeifallen nach weiterer Einwirkung von Eeagentien und Druck thatsächlich in Körnchen, welche mit den übrigen Dermato- somen in Grösse, Form und Aussehen übereinstimmen. Die inneren Partien dieser Scheiben sind sehr deutlich geschichtet. Dieser merkwürdige Zer- fall der Jutefaser nach der Quetschung in zarte Querplatten macht es wahr-

^ -r r . T- scheinlich, dass die Dermatosomen

Zerstaubte Jutefaser. ^ \ ergr. ' r^ ^

200, mit zahlreichen Querlinien, «dieser Bastzellen m der Querrichtung

B und C. Vergr. 600. Nach bedeutend stärker als in der Längs-

Behandhiug mit Kali. C Durch richtung gebunden sind, eine Eigen-

Quetschung- entstandene Quer- thümlichkeit, welche, wenn auch

Scheiben, l Lumen der Zellen. i , i irr

,, ^.. , ,^. nicht m so ausgesprochener Weise

Ä Kornchen (C-rrnppen von o i

Dermatosomen), in welche die allen untersuchten Basttasern zu- Mittellamellen zerfielen. kömmt.

40 W i e s u e r,

4. HoUuudcrniark lässt sich durch dasselbe Verfahren wie die Jute in Dermatosomen und homogen erscheinenden Schleim zerleg-en. Doch darf die "Wirkung- der Kalilauge nicht zu lange andauern, da die ersteren bald stark quellen und sich lösen. Ich habe die besten Resultate erzielt, wenn ich das zer- stäubte Gewel)e zuerst durch einige (3 bis 5) Minute'ü mit Kali- lauge behandelte, sodann mit Wasser auswusch, Salzsäure ein- wirken Hess und nunmehr erst drückte.

5. Holz. Die Zerlegung der Tracheiden in Dermatosomen erfordert noch mehr Sorgfalt als die der früher genannten Gewebs- bestandtheile und gelingt nicht oder nur sehr unvollständig, wenn die Einwirkung der hiezu erforderlichen Reagentieu (Kalilauge und Salzsäure) zu kurz oder zu lang anwährte, indem im ersteren Falle dieAufhebungderdie Dermatosomen vereinigenden Bindung zu unvollständig ist, im letzteren Falle die Dermatosomen selbst angegriffen und schliesslich gelöst w^erden.

Nach vielen mit Fichtenholz angestellten Versuciieu zu schliessen, gelangt man noch am besten an's Ziel, wenn man das Holz 2 bis 3 Mal carbonisirt und hierauf etwa 3 bis 4 Mal hinterein- ander mit Kali (durch 1 Minute) und mit Salzsäure (durch 2 bis 3 Minuten) behandelt, l)evor es der Druckwirkung ausgesetzt wird. Nach jeder Einwirkung des Reagens muss mit Wasser ausge- waschen werden.

Ich möchte an dieser Stelle noch bemerken, dass die Zerle- gung der Zell wand in Dermatosomen bei Anwendung homogener Gewebe, z. B. Hollundermark, oder gleichartiger Zellen, z. B. Baumwolle, Bastfasern, besser gelingt, als wenn Gewebe vorliegen, welche aus verschiedenen Elementen bestehen, wie z. B. Holz. Bei diesem kann es leicht geschehen, dass die Tracheiden schon in Dermatosomen zerfallen, während Markstrahlen und Holz- parenchym durch die vorgenommenen Proceduren noch nicht so weit angegriffen sind, um sich in die genannten Elemente zerlegen zu lassen. Geht aber die Wirkung der Reagentieu weiter, so werden die Dermatosomen gelöst. Dies ist der Hauptgrund, wess- halb derartige Gewebe nur selten so klare Dermatosomenpräparate liefern als gleichartiiie Zellen.

Uütersiichimgen über d. OrgauisHtiun d. vegetab. Zellhaut. 41

c) Zerleg-nug- der Zellwände in Dermatosomen ohne Anwendung" der Zerstäubung-.

Ich habe diese eben mitgetheilten Versiichsergebuisse in den Vordergrund gestellt^ weil in denselben die zwischen den Dermatosomen befindlichen Bindungen der Reihe nach durch ver- schiedene Proceduren aufgehoben werden.

Es gelingt aber in den meisten Fällen, selbst in jenen, in welchen sich die Zerstäubungsmethode ganz unwirksam erweist, eine Zerlegung der Wand in Dermatosomen durch ein und das- selbe Reagens zuwegezubringen.

Solclie Reagentien sind Chromsäure ' und Chlorwasser. Beide lösen schliesslich jede vegetabilische Zellwand bis auf gewisse Mineralbestandtheile (Kieselsäure etc.) vollständig auf, die erstere nach kürzerer, das letztere nach längerer Zeit. Es ist aber auch lange bekannt, dass diese beiden Reagentien die Bestandtheile der vegetabilischen Zellwand in verschiedenem Grade angreifen und einen nach den anderen in gelöste Prodiicte überführen. Darauf beruht ja unter Anderem der Zerfall der Gewebe in Zellen, ferner die Reindarstellung der Cellulose aus Geweben durch diese Reagentien , indem dieser Stoff der üxydirenden Wirkung der Chromsäure und des Chlors mehr Widerstand leistet als die übrigen Zellhautbestandtheile.

1 Ich wende die Chromsäure seit lauger Zeit au uud habe über die- selbe als mikrochemisches Reagens zuerst im Jahre 1864 (Unters, über die Zerstörung der Hölzer an der Atmosphäre. Sitzb. der kais. Ak. der Wiss., Bd. 49) berichtet. Es ist aber nicht chemischreiue, sondern mit Schwefel- säure (oder einer anderen I\lineralsäure, welche mit Chromoxyd lösliche Salze bildet) versetzte Chromsäure, welche (behufs Hervorrufung von Schichtung der Zellmembranen und Stärkekörnchen, Isolirung der Zellen eines Gewebes etc.) so treffliche Dienste leistet (Vergl. hierüber Wiesner, techn. Mikroskojoie, 1S<37, pag. 38), also dasselbe Reagens, welches jüngst- hin Leitgeb (Bau und Entwicklung der Sporenhäute, Graz, 1881) als „Chromschwefelsäure" mit so gutem Erfolge angewendet hat. Am zuletzt ang3zeigten Orte sagte ich bezüglich der Darstellung dieses Reagens: ,.Reine Chromsäure bringt die zu erzielenden Veränderungen nicht hervor, wohl aber ein Gemisch von Chromsäure und Schwefelsäure, das man am einfachsten durch Mischen von doppeltchromsaurem Kali mit überschüssig zugesetzter Schwefelsäure erhält." Genaueres über die Methode der Dar- stellung a. a. 0.

42 W i e s u e r ,

Gerade dieser Umstand veranlasste mich, diese beiden Reag'entien zu dem genannten Zwecke anzuwenden.

Die Cliromsäure ist im Ganzen wegen ihrer raschen und intensiven Wirkung zu den Zerlegungsversuchen weniger geeignet als das Chlorwasser, dennoch insoferne wieder brauch- bar, weil sie eine Reihe von Erscheinimgeu, welche auf Auf- hebung der in der Zell wand vorhandenen Bindungen der Derma- tosomen beruhen, rasch und übersichtlich vor Augen führt.

Anfangs wirkt die Chromsäure so wie die Zerstäubung, was besonders an Bastzellen und Tracheiden sehr schön zu sehen ist. Dass diese Zellen durch das Zerstäubungsverfahren der Quere nach zerklüftet werden, was sich häufig zunächst in einer überaus reichlich auftretenden Querstreifung zu erkennen gibt, ist früher auseinandergesetzt worden. Eine gleiche Veränderung ruft auch die Chromsäure hervor. Es wird wohl auch Jedem, welcher durch Chroiusäure Bastbündel oder Holz in die Elemente zerlegt hat, aufgefallen sein, wie leicht die aus dem Verbände tretenden Fasern der Quere nach brechen, gewissermassen von selbst. Die spätere Wirkung der Chromsäure entspricht der oben charakterisirten Wirkung der Salzsäure und des Kali. Es spricht sich dies bei Bastzellen und Tracheiden in einer schraubigen Streifung und später schraubigen Zerklüftung der Wand aus. In diesem Zustande lässt sich die Faser durch Druck in Dermato- someu zerlegen, einige Minuten später zerfliesst aber dieselbe.

Das Chlor w a SS er muss wochenlang einwirken, um eine Zerlegung der Zellen durch Druck in Dermatosomen möglich zu machen. Aber noch bevor die Wirkung des Chlorwassers so weit fortgeschritten ist, kann man durch Kalilauge und Druck die Zellhaut in Dermatosomen zerlegen.

Das Chlorwasser wirkt also successive in derselben Weise auf die Zellwand ein, wie hintereinander Zerstäubung, Salzsäure und Kali, ja, wie wir gleich sehen werden, es lassen sich selbst aus den Zellwänden mancher Gewebe, welchen gegenüber die Zerstäubungsmethode wirkungslos ist, durch Chlorwasser die genannten Hautkörperchen isoliren.

Ist diese Chlorungsmethode auch langwierig, so gibt es doch bei genauer Beobachtung der in den Zellwänden vor sich gehenden Veränderungen kein Verfahren, welches, soweit meine

Uutersiicliung-eu über cl. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaut. 43

bisherigen Erfahrimgen reichen, die Zusammensetzung: der Zell- haut aus Dermatüsomen deutlicher machen würde als dieses.

Aus meinen zahlreichen diesbezüglichen Beobachtungen wähle ich hier nur die instructivsten heraus, zunächst diejenigen, welche sich auf Zellwände beziehen, die durch das Zerstäubungs- verfahren auf den Zerfall in Dermatosomen vorbereitet werden können, bemerke aber, dass die betreffenden Zellen oder Gewebe ohne vorhergehende Zerstäubung der Wirkung des Chlors unter- worfen wurden.

Hauffaser wurde in nahezu gesättigtes Chlorwasser ein- gelegt und von Zeit zu Zeit, wenn die Intensität des Geruches der Flüssigkeit stark abgenommen hatte, mit frischem Reagens behandelt. Nach einigen Tagen waren die Bastzellen isolirt, der Quere nach reichlich gestreift, desgleichen der Länge nach, aber nicht so reichlich. Später zeigte sich die Zell wand in den äussersten Schichten vollkommen erhalten, im Innern erschien die lunenhaut scharf abgegrenzt, und zwischen diesen beiden dicht und gänzlich homogen erscheinenden Membranschichten zeigte sich eine gleichartige, flüssige oder gelatinöse, von einem zarten Netzwerke durchzogene Masse. Bei weiterer Einwirkung des Reagens verschwand das Netzwerk. Behandelt man nun- mehr mit Clilorziukjodlösung , so wird die Zwischenmasse intensiv, die dichte Hülle und die Inneuhaut nur schwach violett gefärbt. Später löst sich die erstere auf, desgleichen die Zwischen- masse, und man findet von den Bastzellen nichts anderes als die Innenhänte, welche anfänglich durch Chlorzinkjodlösung noch violett werden, dann ein feinkörniges Gefüge annehmen, in diesem Zustande aber durch Chlorzinkjod nicht mehr violett zu färben sind und schliesslich im Chlorwasser sich auflösen.

Solange noch feste Theile in der Zellhaut erkennbar sind, lassen sich dieselben durchDruck in Dermatosomen zerlegen, auch das früher genannte feine Netzwerk. Man muss aber darauf achten, dass das Chlorwasser nicht zu lange einwirkt, weil sonst die ausserordentlich zart gewordenen Membranschichten durch Druck nur mehr eine homogene Masse liefern, in welcher nur noch die Dermatosomen der äussersten und innersten Zellwand- schichte zu sehen sind, die der übrigen Zellhauttheile aber so weit aufquollen und wahrscheinlich auch chemisch verändert

44 Wie SU er,

wurden, das.s sie durch Druck zu einer homogenen oder nur sehr undeutlichen körnigen Masse werden.

Die relativ leichte Zerstörung- der mittleren Ver- dickungsschichten durch das Chlor lässt annehmen, dass die äussersten und innersten Zellwandschichten dichter als die mittleren gefügt sind, mit anderen Worten, dass dort die Dermatosomen dichter neben einander- stehen als hier. Das Netzgerüst, welches an Stelle der mittleren Verdickungsschichten erscheint, deutet wohl auf eine netzförmig fibrilläre Structur innerhalb der Wand und auf einen verschie- den dichten Bau der (mittleren) Verdickungsniasse, in dem Sinne, dass die dem Netzwerke entsprechenden Zellhautparfien eine dichtere Fügung besitzen als die benachbarten Hautantheile.

Die Leinenfaser bietet im Ganzen die gleichen Verhält- nisse dar. Die Jutefaser lässt wegen der ungleichmässigen Verdickung der Zellwaud die Innenhaut besonders deutlieh hervortreten. Ein Netzwerk konnte an den Jutebastzellen, wahr- scheinlich infolge ausserordentlicher Zartheit der Theile, nicht beobachtet werden. Ich möchte nur noch bezüglich dieser Zellen bemerken, dass sie bei anfänglicher Wirkung des Reagens eine reichliche Querstreifung zu erkennen geben.

Fichtenholz wird in Chlorwasser schon nach einigen Minuten bräunlich, nach 24 Stunden tiefbraun; nach 3 K) Tagen entfärbt es sich wieder, so dass es sich ähnlich verhält, wie an der Atmosphäre, wo es von Zeit zu Zeit durchnässt und der fort- währenden Wirkung des Sauerstoffes ausgesetzt, auch dunkel- braun wird und sich wieder entfärbt, um schliesslich gebleicht zu werden (Erscheinung der „Vergrauung*'). Wäscht man die durch das Chlor entfärbten Gewebestüeke aus, so findet man, dass die Zellwände die Holzstoifreaction nicht mehr zu erkennen geben, aber noch im gegenseitigen Verbände stehen. Auf Zusatz von Kalilauge zerfällt unter starker Braunfärbung der Flüssigkeit das Gewebe in Zellen.

Lässt man das Chlorwasser wochenlange einwirken, so gehen die Zellen aus dem Verbände und es bleiben schliesslich nur die Innenhäute der Zellen zurück, welche dem Chlor einen

1 Wies n er, Zerstöriiug der Hölzer au der Atmosphäre, I. c. p. ,5 ff.

Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 45

grossen Widerstand entgegensetzen, aber schliesslich doch der AVirkung des Eeageiis verfallen. Auf das Verhalten der Innenhaut der Holzmarkstrahlen Zellen komme ich weiter unten noch zurück.

Zur Zeit der Isolirung der Tracheiden brechen diese der Quere nach sehr leicht, zeigen eine deutliche schraubige Streifung, durch Druck zerfallen sie in Dermatosomen und homogene Grundmasse.

fTäufig beobachtete ich an Tracheiden, welche lange Zeit der Einwirkung des Chlorwassers ausgesetzt waren, dass ähnlich wie bei den Bastzellen des Hanfes und des Flachses die äusserste und innerste Schichte noch im Zusammenhange blieben, dazwischen eine weiche Masse sichtbar wurde, welche von einem zarten Fibrillennetze durchzogen war.

Hollundermark wird durch Chlorwasser gleichfalls gebräunt, später entfärbt, auf Zusatz von Kalilauge gebräunt, wobei die braune Substanz in Lösung geht und in ähnlicher Weise scheinen sich alle verholzten Gewebe zu verhalten.

Nach der Entfärbung bildet das Gewebe noch ein zusammen- hängendes Ganze, zeigt aber nicht mehr dieHolzstoffreaction. Auf Kalizusatz gehen alle Zellen augenblicklich aus dem Verbände.

Die Isolirung der Zellen erfolgt aber auch durch Chlorwasser allein, wozu meist eine mehrere Wochen andauernde Einwirkung erforderlich ist. Aber selbst in diesem Zustande bestehen die Zellwände noch nicht aus reiner Cellulose, indem sie durch Kali goldgelb gefärbt werden.

Isolirt zerfallen sie durch Druck in überaus feine Körnehen, Gelingt die Zerlegung der Wand in Körnchen noch nicht, so muss Kali zugesetzt und der Druck wiederholt werden, oder aber mau muss das Chlorwasser noch weiter einwirken lassen.

Korkgewebe. (Versuche mit gewöhnlichem Flaschenkork.) Es ist schon erwähnt worden, dass das Zerstäubungs verfahren diesem Gewebe gegenüber sich wirkungslos erweist. Selbst nach einjähriger Einwirkung oftmals erneuerter einprocentiger Salz- säure bleiben die Peridermzellen im dichtesten Verbände und ist die Carbonisirung wirkungslos.

Legt man Korkgewebe in Chlorwasser ein, so sieht man, dass alsbald die Sklerenchymelemente entfärbt werden und als-

46 Wiesuor,

bald aus dem Zusammenbang-e treten. Viel später uaeb zwei bis drei Wocben zeigen die Peridermzellen eine belle Färbung, werden weiss, bangen aber nocb innig zusammen. Auf Zusatz von Kalilauge tritt aucb bier. wie bei Hollundermark und Holzgewebe ein augenblicklicher Zerfall des Gewebes in seine zelligen Elemente ein.

Nach monatelanger Einwirkung von Cblorwasser isolivt dieses scbliesslicb alle Elemente. In dieser Zeit ist von den Sklerencbymzellen (Steinzellen) nicbts als die Innenbaut übrig geblieben, in Form eines zierlicben festausgespannten Sackes, der mit feinen stacbelförmigen Aussackungen besetzt ist.

Die isolirten Korkzellen können äbnlich den Hollundermark- zellen diircb Druck in Dermatosomen zerlegt werden, entweder sofort, wenn nämlicb die Wirkung des Chlors genügend fort- geschritten ist, oder unter Mitwirkung von Kalilauge, in jedem Falle aber nach vorausgegangenem Drucke.

Pilzgewebe. Dass auch die Membranen der Pilzbyphen dem Zerstäubungsverfahren Widerstand leisten, ist bereits erwähnt worden. Ein Gleiches gilt für die Flecbtenbyphen, also für den Pilzantheil des Flechtenthallus, nach Beobachtungen, welche Herr Dr. Forseil im pflanzenphysiologischen Institute anstellte.

Der Einwirkung des Chlors, als Chlorwasser angewendet, leisten die Pilzbyphen einen Widerstand, der nach meinen Erfahrungen unter den Pflanzengeweben nicht seinesgleichen bat. Nach monatelauger Behandlung mit Chlorwasser wird das Hyphengewebe des Frnchtkörpers von Polyporns fomentarms nur wenig angegriffen, wenn das Gewebe des Bastes (von Flachs, Hanf etc.) des Holzes (Fichte etc.), wenn Parenchym- und Sklerenchymgewebe der verschiedensten Art durch das Reagens vollkommen gelöst worden sind. Von dem genannten Gewebe findet sich nach monatelanger Einwirkung des Cblorwassers eine voluminöse Schleinimasse vor, welche aus massig gequollenen, sonst aber wenig verändert erscheinenden Hyphen zusammen- gesetzt ist, in welchen die Innenhäute mit ausserordentlicher Schärfe hervortreten. ' Die über der Schleimmasse stehende trübe

1 Bekuuntlich ist die Verdickung der Hyphen des Pohiporus fomen- tariiis eine so starke, dass das Lumen der unveränderten Zellen stellen-

Untersuchuiigeu ülier d. Organisation d. ve.i^etab. Zellhaiit. 47

Flüssigkeit enthält aber Reste des Pilzgewebes: feine Körnchen lind mehr minder lange Stücke der Innenhaut. Mau wäre geneigt, die ersteren fürDermatosomenzu halten, sie sind aberZerfällungs- producte der Inneuhaut, wie ich später noch genauer darlegen werde.

Die Pilzzellwand lässt direct die Cellulosereactionen gegen Jodpräparate und Kapferoxydammoniak nicht erkennen uud mau glaubte lauge, dass iu der Pilzzellwand diese Reactionen gar nicht hervorzurufen sind, woraus mau auf die Gegenwart einer besonderen Modification der Cellulose (Pilzcellulose) schloss. Es ist aber in meinem Labor.itorium von Karl Richter gezeigt worden, dass durch länger andauernde Behandlung mit Kali- lösung sich Substanzen aus den Pilzzellwänden extrahiren lassen, welche die Cellulosereactiouen verhindern, indem nach dieser Vorbehandlung die Pilzzellwand ebenso durch Chlorziukjod violett gefärbt uud durch Kupferoxydammouiak in Lösung über- geführt wird, wie etwa eine Holzzellwand, nachdem man durch passende Reagentien das Lignin beseitigt hat.

Lässt man das Pilzgewebe durch 2 3 Wochen im Clilor- wasser liegen, so werden die Hyphen durch Chlorziukjod violett, durch Kali, ähnlich wie viele andere gechlorte Gewebe (Hollunder- mark, Holz, Kork) gebräunt. In diesem Stadium der Einwirkung des Chlors auf die Pilzzellwand nimmt dieselbe auf Zusatz von Salzsäure oder Chromsäure deutliche, oft überaus scharf hervor- tretende Schiclitung an. Eine Zerlegung in Dermatosomen ist weder durch Salzsäure, noch durch Kali, auch nicht durch abwechselnde Einwirkung beider dieser Reagentien hervor- zubringen.

Lässt man das Chlorwasser noch länger einwirken, so ver- liert die Hyphe nach und nach das Vermögen, durch Ciilorzinkjod violett gefärbt zu werden. Salzsäure ruft dann noch undeutliche Schichtung, sonst aber keine sichtliche Veränderung hervor. Hingegen werden die Hypheu in diesem Stadium der

weise nicht zu erkennen ist und die Zelle an diesen Orten solid erscheint. (Vgl. de Bary, Morphologie undBiologie derPilze, Leipzig 1884, pag. 13.) Nach der Behandlung mit Clilorwasser sieht man aber die Innenhaut als ununterbrochenen Schlauch durch die Zelle ziehen, woraus sich also ergibt, dass die Hyphen an keiner Stelle factisch solid sind.

48 W i e s n e r ,

Einwirkuni;' des ('hlorwassers durch Kalilauge bis auf die Innenhau i fast aug-enblicklich aufgelöst, diese zer- fällt in zahllose Qnerstücke, welche den Eindruck von Der- matosomen machen. In gleicher Weise wirkt (englische) Schwefel- säure. Die gechlorten Fasern lassen aber auch auf dieser Stufe weder direct, noch nach Einwirkung der verschiedensten Reagen- tien und darauffolgendem Drucke Dermatosomen erkennen, sondern die ganze Masse verwandelt sich, von der Innenhaut abgesehen, in einen homogen erscheinenden Schleim. Nachdem die Pilzzellwand, analog den Zellhäuten der anderen Pflanzengewebe gebaut anzu- nehmen ist, diese aber, soweit meine Erfahrungen reichen, sich stets in Dermatosomen zerlegen lassen, die freilich oft an der Grenze der mikroskopischen Wahrnehmung liegen, so erscheint die Vermuthung berechtigt, dass auch die Pilzzellwand aus Dermatosomen bestehe, welche sich aber ihrer Kleinheit wegen der directen Beobachtung entziehen.

Die früher genannten Querstücke, in welche die Innenhäute der Hyphen zerfallen, sind trotz ihrer Kleinheit nicht als Derma- tosomen aufzufassen, haben die Gestalt von kurzen Hohlcylindern und möchten wohl als Gruppen von Dermatosomen aufzufassen sein, welche untereinander fester gebunden sind als mit Nach- bargruppen und die sich desshalb von einander loslösten.

Analoge mit den Hyphen des Frnchtkörpers von Daedalea quercina augestellte Versuche gaben im Wesentlichen die- selben Resultate; auch hier konnten Dermatosomen nicht nach- gewiesen werden.

Es liessen sich also, abgesehen von den Pilzgeweben, die Wände alier übrigen untersuchten Gewebe in Dermatosomen zer- legen. Dieselben treten aber nur dann in Erscheinung, wenn sie aus dem gegenseitigen Verbände gelöst sind. Die Loslösung geschah erstlich durch chemische Eingriffe, sodann durch mechanische Trennung. Dass selbst die gechlorten Zellwände, in welchen die Aufhebung der Bindungen sehr langsam erfolgt, einem wenngleich nur schwachen Drucke unterworfen werden müssen, damit die Dermatosomen frei werden, hat wohl seinen Grund darin, dass die Substanz , welche diese Hautkörperchen bindet, schliesslich in den LiJslichkeitsverhält- nissen mit derDermatosomsubstanz selbst übereinstimmt und dann

Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 49

wohl nichts Anderes als gereinig-te Cellulose ist. Wirken Chlor- wasser oder Chromsäiire, oder nach vorhergeg-angener Zerstäu- bung, Salzsäure und Kali weiter ein, so werden die Bindesub- stanzen aufgelöst und gleichzeitig die Dermatosomen selbst an- gegriffen.

II. Aussenhaut (Mittellamelle) und Innenhaut der Zellwand.

Die älteren Anatomen unterschieden als Bestandtheile der Zell wand ausser den sogenannten Verdickungsschichten (secun- dären Schichten) noch eine äussere und eine innere homogene Zell- schichte, die primäre und die tertiäre Zellhaut. Unter letzterer verstand man wohl auch Verdickungsschichten, welche in der Ausbildungsweise mit den secundären Schichten nicht überein- stimmten. Die homogen erscheinende innerste Zellwandschichte, und nur um diese handelt es sich hier, ist zuerst genauer von Schach t* untersucht und als „Innenhäutclien'' bezeichnet worden.

Die primäre Zellwand wurde später unter verschiedeneu Titeln, am häufigsten als Mittellamelle, beschrieben und ist so ziemlich allgemein als ein nie fehlender Bestandtheil von im Gewebeverbande befindlichen Pflanzenzellen aufgefasst worden, während das Innenhäutchen fast der Vergessenheit anheimfiel, hauptsächlich wohl deshalb, weil es früher als wesentliche Stütze der Appositionstheorie herangezogen wurde.

Ich habe vor mehr als zwei Decennien eine einfache Methode zur Freilegung der Inuenhaut angegeben und seither deren Existenz stets betont^, was später auch durch in meinem Laboratorium ausgeführte Arbeiten geschehen ist, so durch Mikosch, und besonders durch Pfurtscheller ^ , welcher auf meine Anregung diesen Zellwandbestandtheil genauer studirte und die Methode zur Isoliruug desselben wesentlich ver- vollkommnete.

1 Schacht, Lehrbuch der Anatomie und Physiologie der Gewächse, I. pag. 30, ff.

- Vergl. hauptsächlich meine „technische Mikroskopie", pag. 53 (da- selbst eine Abbildung einer durch Chromsäure Ireigelegten Innenhaut), ferner pag. 108, 110 etc. Sodann: Wiesner, Elemente der Anatomie und Physiologie der Pflanzen.

3 Über die Innenhaut d. Pflanzenzelle. Gymnasialprogramm, Wien, 1883.

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 4

50 W i e s n e r .

Im Übrigen ist von der Existenz der Inoenhaut wenig Notiz genommen worden, doch, wie ich glaube, mit Unrecht; denn sie bildet einen nicht minder scharf ausgeprägten Theil der Zellhaut wie die Mittellamelle und dürfte wohl auch in Betreff der Ver- breitung in den Geweben dieser kaum nachstehen.

Aussenhaut (Mittellamelle) ^ Ich will bezüglich dieses Zell wand bestandtheiles bloss die oft ventilirte Frage erörtern, ob diese Haut einfach oder doppelt ist. Nach der herrschenden Lehre ist ersteres der Fall; sie wird als eine einfache, homogene, zwei benachbarten Zellen gemeinschaftliche Schichte angesehen.

Gelegentlich einer Erörterung dieser Frage stim.mte ich der genannten Auffassung nicht unbedingt zu^, brachte vielmehr einige Gründe vor, welche für die zweite Alternative sprechen. Nach Dippei's Auffassung^ besteht die Mittellamelle der Autoren aus drei Lamellen. In Jenen Fällen, in denen die gemeinschaft- liche Grenzwand in drei Schichten sich differenzirt, ist aber selbstverständlich bloss die mittlere homogene Schichte als Mittellamelle aufzufassen.

Was ich früher nur als Möglichkeit zugal), spreche ich jetzt als Behauptung aus, dass nämlich die gemeinschaftliche Aussenhaut aus zwei Schichten besteht, von denen je eine einer besonderen Zelle angehört. Ich schliesse dies aus folgenden Thatsachen. Wenn die Zellwände durch Druck vom Innern der Zelle her gedehnt werden, so spaltet sich die Mittellamelle mitten durch und ohne Verletzung in ihre natür- lichen Hälften. Es geschieht dies beispielsweise, wenn das Parenchymgewebe der Kartoffel gekocht wird; die innerhalb der

1 Der Ausdruck ,, Aussenhaut'- scheint mir passender gewählt als der übliche Name, was ich schon früher motivirte (Elemente der Anatomie und Physiologie der Pflanzen. 2. Aufl., pag. 288). Der von mir vorgeschlagene Ausdruck fügt sich auch besser in die Terminologie der Zellhaut ein, lässt sich auf das an frei auftretenden Zellen vorkommende Analogen der Mittel- lamelle anwenden und scheint auch desshalb den Vorzug zu verdienen, da meine Untersuchungen lehren, dass die sogenannte Mittellamelle thatsäch- li,ch aus zwei getrennten Theilen besteJit und mithin jede im Gewebe- Aerbande stehende Zelle ihre eigene Aussenhaut besitzt.

- Elemente der Anatomie und Phys. <l. Pflanzen, 1. Aufl., pag. 259, 2. Aufl., pag. 281».

3 Verhandlungen der 8 e n k e n h e r g'schen Gesellschaft, Bd. XI, pag. 148.

Uutersuchuuii-en über d. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaiit. 51

geschlossenen Zellwand mächtig aufquellende Stärke dehnt die Wand und spaltet die Mittellamelleu in ihre natürlichen Hälften. Kocht man dünne Schnitte der Kartoffel, welche nur aus durchschnittenen Zeilen bestehen, tagelang, so tritt keine Trennung der Zellen ein, woraus ersichtlich ist, dass die Isolirung der Parenchymelemente nicht eben auf einer Auflösung der gemeinsamen Grenzschichte, sondern auf einer einfachen Spaltung beruht, was zuerst Solla in einer im hiesigen pflanzenphysiologischen Institute ausgeführten Arbeit zeigte. ^ Die Meristemzellen des Vegetationskegels schliessen dicht anein- ander, aber wie die Turgescenz der Zellen sich steigert, erfolgt schon eine partielle Spaltung der Mittellamellen, nämlich die Bildung der lutercellularen. Aus diesen Thatsachen geht aber hervor, dass die Dermatosomen innerhalb einer Zellwand fester gebunden sind als zwischen benach- barten Zellen. Unter dieser „Bindung" verstehe ich selbst- verständlich eine mechanische Vereinigung der Dermato- somen. Ich werde später genauer meine Vorstellung über diese mechanische Bindung ausdrücken.

Meine Versuche haben aber auch gelehrt, dass chemische Mittel viel leichter die Verbindung zwischen benach- barten Zellhäuten lösen als den Zusammenhang der Theilchen innerhalb einer Zellwand. Es muss ange- nommen werden, dass jene Theilchen, welche die Dermatosomen benachbarter Zellen verbinden, sich in gewisser Beziehung chemisch von jenen unterscheiden, welche die Dermatosomen einer und derselben Zellhaut zusammensetzen. Der Unterschied mag vielleicht bloss ein quantitativer sein. Dass aber ein solcher besteht, geht aus folgenden Thatsachen hervor.

Wenn Hollundermark in Chlorwasser eingelegt wird, so bräunt sich das Gewebe, später entfärbt es sich wieder und bald darauf ist die Holzsnbstanz aus den Zellhäuten verschwunden. Dennoch hält das Gewebe innig zusammen. Wird nun zu dem Gewebe Kalilauge hinzugefügt, so treten die Zellen augenblick- lich aus dem Verbände, wobei ein Körper in Lösung geht, welcher der Flüssigkeit eine braune Farbe ertheilt. Dass die hier erfolgte Aufhebung der Bindung, welche die Häute der benachbarten

1 Österr. bot. Zeitschrift, 1879, Xr. 11.

0^ W i e s n e r,

Zellen zusammenhielt, nicht ein einfacher mechanischer Vorgang* wie in dem früheren, die Kartoffel betreffenden Falle ist, leuchtet ein, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass eine chemische Veränderung jener Hauttheilchen, welche die Dermatosomen benachbarter Zellen vereinigte, die Trennung der Zellen herbei- führte.

Man hat bisher an der Vorstellung festgehalten, dass die jugendlichen Zellwände (z. B. die Häute der Meristemzellen) homogen seien, und dass sich erst später die Schichten differen- ziren, wobei an der äussern Grenze der Zellwände eine chemische Metamorphose eintrete, welche es möglich machen solle, dass durch chemische Mittel eine Loslösung benachbarter Zellen sich einstelle.

Ich habe mich aber davon überzeugt, dass eine Spaltung der Zellwaud durch Lösung einer inmitten der Mittellamelle gelegenen, im Mikroskope direct nicht nachweislichen Partie, selbst in jenen frühen Entwicklimgsstadien der Zellwand ausführbar ist, in welchem dieselbe sich als eine geschlossene, zwei Zellen abgrenzende, homogen erscheinende Haut zu erkennen gibt. Wenn ich Vegetationsspitzen von Keimpflanzen {Phaseolus mnlti- florns, Pismn sativum, Mais etc.) oder Lanbsprossen {Solanum tuberosiim, Myrtus communis etc.) in concentrirter Salzsäure ein- lege, so treten die Zellen schon nach wenigen Minuten aus dem Verbände. Später erst trennen sich die Jungparenchymzellen^ viel später, in manchen Fällen gar erst nach wochen- und monatelanger Einwirkung die vollkommen ausgebildeten, aus den Meristemzellen hervorgegangenen Zellen, woraus sich also ergibt, dass in früheren Entwicklungsstadien die Bindung der Elemente untereinander auch rücksichtlich der Resistenz der diese Bindung- bewirkenden Substanzen gegenüber lösenden Mitteln eine weniger feste ist, als in jener Zeit, in welcher sie auf der Höhe ihrer Ent- wicklung angelangt sind *, dass die Zusammensetzung der Mittel- lamelle aus zwei Häuten sich schon im Meristemzustande der

1 Dass die Zellen vieler Gewebe nach Beendigung' des Wachsthiiras durch chemische Uniwandhmgen der äussersteu Hautpartie sich von ein- ander loslösen, ist hinlänglich bekannt und widerspricht den oben mit- getheilten Thatsachen gar nicht, lehrt übrigens gleichfalls, dass die Bindung der Dermatosomen innerhalb einer Zellwand eine innigere ist als die jener Hautkörperchen, welche die Grenzen zweier benachbarter Zellen bilden.

Untersuchuugeu über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 53

betreffenden Zellen nachweisen lässt und dass es ein Irrthnm ist wenn man glaubt, die Fälligkeit der Zellen, sich durch chemische, Mittel zu trennen, erfolgt erst in späteren Wachsthumsstadien, infolge einer chemischen Metamorphose innerhalb der Mittel- lamelle. Dass die erste, noch protoplasmatische Anlage einer Scheidewand als einfaches Häutchen zu betrachten ist, soll nicht in Abrede gestellt werden und widerspricht nicht meiner Auf- fassung, dass die Mittellamelle aus zwei Schichten besteht.

Innenhaut. Die Methode, durch welche es mir zuerst gelang, die Innenhaut zu isoliren (Markstrahlen von Nadel- und Laubhölzern), bestand in der Einwirkung von Chromsäure auf die Gewebe. Durch Anwendung von Kupferoxydammoniak konnte ich die Innenhäute unverholzter Bastzellen (Flachs, Hanf etc.) biossiegen. ^ Schacht^ und später Kabsch^ hielten die Innen- haut für eine aus reiner Cellulose bestehende Zellwandschicht, Aber schon Sanio* wies nach, dass das chemische Verhalten der Zellhaut dieser Annahme nicht günstig ist und ich habe durch zahlreiche Versuche nicht nur die Angabe Sanio's bestätigt gefunden, sondern konnte auch für bestimmte Fälle den Beweis erbringen, dass die Innenhaut mit Eiweissk(3rpern imprägnirt ist. '

Später hat Pf ur tscheller (1, c.) gezeigt, dass man in vielen Fällen durch concentrirte Schwefelsäure die Innenhaut noch viel schöner als durch Chromsäure von den übrigen Zell- waudbestandtheilen befreien kann. Dies gilt für die Markstrahlen der von ihm untersuchten Baumarten (Fagus, Pyrus, Acer, Ulmus), ferner für Sklerenchymzellen (Samenschale von Cocos nncifera).

Dass man durch Anwendung von Chlorwasser die Innenhäute gleichfalls isoliren kann, darüber habe ich in einem früheren Ab- schnitte mehrfache Belege gebracht, und ich möchte hinzufügen, dass sich die so gewonnenen Innenhäute sowohl zum Studium des chemischen als morphologischen Verhaltens dieser Membran- schichte am meisten eignen.

1 Wiesner, Techn. Mikroskopie, Wien 1867, pag. 109 u. 111. - Anatomie und Physiologie der Gewächse, pag. 30. •^ Pringsheim's Jahrb. f. wiss. Bot.. Bd. III, pag. .383. i Bot. Zeitung, 1860. pag. 201.

■' Wiesuer. Zerstörung der Hölzer an der Atmosphäre, 1. c, pag. 16 lind 17.

54 W i e s n e r .

Es ist von Russow' uamentlich gegen Pfiirtscheller's Angaben gesagt worden, die als „Innenbäute" bescbviebenen Membrantheile wären nicbts anderes als der eingetrocknete Primordialscblauch der betreifenden Zellen. Wäre diese Auf- fassung riebtig, so könnte die Innenhaut keine Cellulosereaction geben. Wenn man aber Innenbäute aus Markstrablen (z. B. Ficbte) Bastzellen (Jute, Hanf etc.) durcb Cblorwasser isolirt und dann auf 12—48 Stunden in Chlorzinkjodlösung einlegt, so erhält man sehr deutliche Violettfärbung. Dabei ist aber zu beachten, dass die Innenhäute dem Cblorwasser gegenüber sich ähnlich wie Pilzzellwände verhalten, welche nach längerem Liegen in diesem Reagens die Cellulosereactionen (gegen Jodpräparate) annehmen, nach einiger Zeit aber, nämlich nach noch länger anwährender Einwirkung des Chlors diese Fähigkeit einbUssen, offenbar, weil die lange der Wirkung des Chlors widerstehende Cellulose der Innenhaut schliesslich doch durch dasselbe zer- stört wird, aber in einer Zeit, in welcher andere an der Zusammensetzung der Inneuhaut Antheil nehmende Körper diesem Reagens noch Widerstand leisten.

Auch die Innenhaut der Pilzhyphen (Polyporus] siehe oben pag. 46) versuchte ich auf Cellulose mikrochemisch zu prüfen, allein, trotz vielfacher Versuche, bisher vergebens.

Hingegen konnte ich in allen von mir untersuchten lunen- häuten die Gegenwart von Eiweisskörpern constatiren.

Ich rechne die luuenhaut in jedem Falle zur Zellwand, auch wenn sich in derselben Cellulose nicht nachweisen lässt. Sie bildet eben eine Zellwandschichte, in welcher Protoplasma am reichlichsten vorkommt und am längsten sich erhält, so dass die lunenhaut einer ausgebildeten Zelle dem Chlorzinkjod gegenüber kaum anders als eine Meristemzellwand sich verhält, welche, wie im nächsten Abschnitte gezeigt werden soll, infolge ihres Proto- plasmagehaltes reich au Eiweisskörpern ist und in welcher die Nachweisung der Cellulose gleichfalls auf Schwierigkeiten stösst.

Die Innenhaut ist bis jetzt als ein homogen erscheinendes Häutchen angesehen worden. Die überaus schönen Innenhaut- präparate, welche durch Kinwirkung von Chlorwasser auf

i Über die Auskleidung der Intercellularen. Sitzungsbericht der Dorpater Naturtorschergesellsfhat't. 18S4, VIT. 1. Heft, pag. 10 flf.

Untersuchuugen über <l. Organisation d. vegetab. Zellhant. OO

Gewebe resiiltiven, lassen aber doch bestimmte Stmcturen erkennen. So zeigen die Inneuhäute ans Markstrahlen der Fichte theils excentrisehe, theils knotige Verdickung, welche von sehr zarten, zur Oberfläche der Haut senkrechten Streifen durch- setzt sind. (Fig. 4.)

Fig. 4.

h

b

^'ergr. 1000. Bruchstück einer durch Chlorwasser isolirten Markstrahlzelle

der Fichte. Die Aussackungen bei a und b sind excentrisch verdickt und

von zarten radialen Linien fPorencanälen?) durchsetzt.

III. Chemische Beschaffenheit der Zellhaut und Vorkommen von Protoplasma in derselben.

Durch die neuere Forschung wurden zahlreiche chemische Individuen als Bestandtheile der vegetabilischen Zellwand erkannt. Obwohl wir noch weit davon entfernt sind, die chemi- schen Verhältnisse der Membran zu überschauen, so lässt sich doch aus unseren derinaligen Kenntnissen schon zweierlei ableiten : erstens, dass die Zellwand, vom chemischen Stand- punkte betrachtet, nicht so einfach gebaut ist, als früher ange- nommen wurde, vielmehr ein höchst complicirtes Stoffgemenge rei)räsentirt, und zweitens, dass die bisherige Auffassung in Betreff der Entstehung der Zellwandbestandtheile unhaltbar ist.

Bezüglich des erstgenannten Punktes möchte ich nur auf eine sehr lehrreiche Thatsache hinweisen, nämlich auf die chemische Beschaffenheit der verholzten Zellwand. Man nahm früher an, dass sie aus Cellulose und Lignin (Holzsubstanz) bestehe. Dieses letztere ist aber zweifellos ein Stoffgemenge. Derzeit kennt man neben Cellulose als Bestandtheil der verholzten Zellwaud: zwei Gummiarten, Touiferin, Vanillin und ferner eine durch Salzsäure sich gelbfärbende, mit keiner der früheren identische Substanz ' und ist sich wohl schon darüber klar, dass

1 .S. hierüber M. Singer, Arbeiten des pflanzenphysiol. Inst, der "Wiener Universität. XXII, in diesen Berichten, Mai 1882.

56 Wiesner,

damit der chemische Bestand der verholzten Zellwand noch nicht erschöpft ist, wie übrigens ans dem oben mitgetheilten Verhalten ihrer Holzsubstanz mittelst Chlor beraubter und dann mit Kali behandelter verholzter Gewebe hervorzugehen scheint.

Was den zweiten Punkt anbelangt, so wird bezüglich der Entstehung der Zellwandbestandtheile noch immer angenommen, dass dieselben, soferne sie nicht einfache Infiltrations- pro du cte sind, wie z. B. die mineralischen Einlagerungen, Pro- ducte repräsentiren, welche durch chemische Metamorphose aus Cellulose hervorgegangen sind, die man als Umwandlungs- pro du cte der Zellwand zusammenfasst. Die Cellulose soll stets die erste feste Ausscheidung des Protoplasmas bilden, gewisser- massen die Grundlage der Zellwand, aus welcher die übrigen Membransubstanzen, sofern sie nicht blosse Infiltrate sind, ent- stehen.

Diese Ansicht über die Entstehung der Umwandlungs- producte ist in neuerer Zeit, seitdem man den chemischen Aufbau der Zellwand genauer kennen gelernt iiat, nicht näher geprüft worden.

Dass Kohlenhydrate, welche mit Cellulose isomer sind, oder sich bloss von ihr durch ein Plus von Wasser unterscheiden, aus Cellulose hervorgehen können, kann wohl keinem Zweifel unterliegen, und die Entstehung der Gummiarten und Schleime aus Cellulose ist vom chemischen Standpunkte aus ebenso gerechtfertigt, wie sich auch in Bezug auf die dabei eintretenden morphologischen Verhältnisse in vielen Fällen, z. B, bei Ent- stehung des Traganths, die Ansicht nicht zurückweisen lässt, dass Cellulose das Materiale zur Entstehung derartiger Kohlenhydrate liefert. Zahlreiche andere Körper, welche in Beziehung zu den Kohlenhydraten stehen, mögen gleichfalls aus Cellulose innerhalb der Zellwand hervorgehen. Diese Möglichkeit könnte für die grosse Zahl jener Substanzen zugegeben werden, welche der Classe der F e 1 1 k ö r p c r angehören.

Nun kommen aber auch sogenannte aromatische Ver- bindungen (Benzolabkömnilinge) in der Zellwand als Umwand- lungsproducte, genauer gesagt, als Körper vor, welche an Ort und Stelle gebildet wurden. Stehen sich heute die Fettkörper und aromatischen Verbindungen auch nicht mehr so schroff gegenüber

Untei'suchuu.ffeii über d. Organisation d. vegetab. Zellliaut. 57

wie früher, seitdem es nämlich gelung-en ist, Fettkörper in aromatische Substanzen zu verwandeln, so sind diese Fälle doch so vereinzelt, dass die Wahrscheinlichkeit für die Annahme, die aromatischen Verbindungen seien Abkömmlinge der Cellulose, nur eine sehr geringe ist. Ganz unmöglich ist es aber, die stick- stofflialtigen nicht infiltrirten Producte der Zeliwand aus der Cellulose abzuleiten.

Ich werde zeigen, dass die lebende Zell wand stets Protoplasma enthält, somit Eiweisskörper führt. Diese Thatsache allein schon erlaubt uns, die in der Zellwand statt- habenden chemischen Vorgänge naturgemässer als bisher zu betrachten.

Die Zahl der Zersetzungsproducte der Eiweisskörper ist eine so grosse, dass aus denselben sich weit mehr und viel ver- schiedenartigere chemische Individuen ableiten lassen, wie aus der Cellulose. Die Qualität dieser Zersetzungsproducte lehrt uns sowohl Fettkörper als aromatische Substanzen gewissermassen als nähere Beslandtheile der Eiweisskörper kenneu. Die Ab- kömmlinge der Eiweisskörper können mithin ebenso Fettkörper als aromatisclie Verbindungen sein. Mit Rücksicht auf die leichte Verwandlung der Eiweisskörper im Organismus in Fettsäuren und Glyceride ist es viel wahrscheinlicher, dass diese Fettkörper auch in der Zellwand aus Albuminaten und nicht aus Cellulose sich ableiten. In noch höherem Grade gilt dies bezüglich der stickstofffreien aromatischen Verbindungen, und für sämmtliche stickstoffhaltige Kohlenstoffverbindungen muss dies wohl als gewiss angenommen werden.

Dass innerhalb der ganz jungen Zellen Eiweisskörper vor- kommen, schliesse ich aus dem Verhalten der die Vegetations- spitze des Stammes bildenden Meristemzellen, des Fhellogens und des Cambiums.

Dr. So Ha (1. c.) und Dr. Karl Richter (1. c.) haben sich durch vielfache Versuche überzeugt, dass die Zellwände von Meristemgeweben der Vegetationsspitze weder durch Jodpräparate noch durch Kupferoxydammoniak die Cellulosereactionen zu erkennen geben. Dr. Richter konnte in solchen Zellen Cellulose durch Chlorzinkjod constatiren, wenn das Gewebe vorher mit Kalilauge behandelt und gequetscht wurde.

58 Wiesner.

Ich wiederholte dieses Verfahren mit gleichem Erfolge und es schien mir dieses Verhalten der jugendlichen Zellwände mit der Annahme, dieselben enthielten Eiweisskörper, verträglich zu sein. Zur weiteren Prüfung meiner Annahme unterwarf ich Vegetationsspitzen der Keimstengel von Zea Mais, Phaseohis multtflorus und anderer Pflanzen der Peptonisirung, worauf nach 24 Stunden Chlorzinkjod die Anwesenheit der Cellulose in den Membranen zu erkennen gab. Auch direct lässt sich die Gegen- wart der Eiweisssubstanzen in der Zellwand durch die Raspail' sehe Reaction nachweisen, doch nicht mit grosser Sicherheit, da die Zellen mit Eiweisskörpern gefüllt, die Membranen aber nur sehr dünn sind, mithin bei Prüfung auf die Färbung eine Täuschung leicht unterlaufen kann.

Durch Anwendung derselben Methoden lässt sich auch im Phellogen zahlreicher Pflanzen die Gegenwart von Eiweisskörpern constatiren, desgleichen imCambium, bezüglich welchen Gewebes schon Dippel* darauf hinweist, dass es mit Cldorzinkjodlösung die Cellulosereaction nicht gibt.

Die genannten eiweissführenden, aber bereits Cellulose ent- haltenden Meristemzellwände nehmen erst nach 24 48stündigera Liegen in Chlorzinkjodlösung violette Farbe an.

Dass die Innenhaut reich an Eiweisskörpern ist, wurde schon im fi-üheren Capitel gesagt.

Eine besondere Beachtung wegen ihres liolien Eiweiss- gehaltes verdienen die Membranen der Pilzzellen.

Schon lange weiss man, dass sich in diesen Zellmembranen auf gewöhnliche Weise die Gegenwart der Cellulose durch Jod- präparate und Kupferoxydamraoniak nicht nachweisen lässt, selbst nicht nach Vornahme jener Proceduren, welche in stark verholzten Zellwänden die Constatiruug der Cellulose ermög- lichen. Dieser Umstand hat bekanntlich zur Annahme einer besonderen Modification der Cellulose im Pilzgewebe geführt, welcher man den Namen Pilzcellulose gegeben hat. Es hat aber Dr. Richter in einer in meinem Laboratorium aus- geführten Arbeit gezeigt, dass eine solche Pilzcellulose nicht existirt, dass man vielmehr nach lang andauernder Einwirkung alkalischer Flüssigkeiten durch die gewöhnlichen Reactionen

1 Das Mikroskop. 1. Aufl.. WA. II, pa--. 49, 230.

Uutersuchimgen über d. Organisatiou d. vegetab. Zellhaut. 59

die Anwesenheit der Cellulose in den Wänden der Pilzzellen nach- weisen könne. Ich habe in vorliegender Arbeit noch eine andere Vorbehandlung- angegeben, die Einwirkung von Chlorwasser.

Welcher Art jene Körper sind, welche in den Zellwänden der Pilze die Constatirung der Cellulose durch die üblichen Reagentien unmöglich machen, konnte bisher nicht aufgeklärt werden.

Gestützt auf meine, an lunenhäuten vor langer Zeit ange- stellten Beobachtungen, denen zufolge diese wegen ihres Eiweiss- gehaltes der Celliilosereaction noch schwerer zugänglich sind, selbst als verholzte Zellwaudschichten, habe ich sowohl bezüg- lich der Meristem- als auch der Pilzzellhäute die Vermuthung aus- gesprochen, es möchten dieselben mit Eiweisskörpern imprägnirt sein. Sowohl Solla als Eichter haben diese meine Vermuthung geprüft; ersterer kam aber bezüglich der Meristemzellen zu keinem positiven Resultate, hingegen gelang es letzterem, einige Wahrscheinliclikeitsgründe für die Richtigkeit dieser Vermuthung in Betreff der Pilzzellmembraneu beizubringen.

Herr Dr. Forsell, derzeit mit Untersuchungen über die Histochemie der Flechten in meinem Laboratorium beschäftigt, ist zu bestimmteren Resultaten gekommen. Es gelang ihm nament- lich in dickwandigen Pilzhyphen des Flechtengewebes durch das Millon'sche Eiweissreagens positive Resultate zu bekommen, worüber später von seiner Seite ausführliche Mittheilungen folgen werden. Um die Richtigkeit meiner Auffassung über die Structur und chemische Beschaffenheit weiter zu prüfen, habe ich zunächst eine eingehende Untersuchung über das Auftreten des Eiweiss in den Zellmembranen veranlasst, welche von Herrn Fridolin Krasser im pflanzenphysio- logisehen Institute ausgeführt wird. Mit Zuhilfenahme der üblichen Reactionen auf Eiweiss (Millon'sche, Raspail' sehe, Biuret- und Xanthoproteinsäurereaction) gelang es bereits bei zahlreichen Pflanzen in den Membranen von Meristemen (Phel- logeu,Cambiumect.) undDauergeweben(Ep«V/erw?{s, velamen radi- cmn, Endosperme ect.) positive Resultate zu gewinnen. Über diese Versuche wird später eingehend berichtet werden. Ich will hier nur noch bemerken, dass die Membranen des Endosperms von Zea Mais zu den genannten Versuchen sich besonders gut eignen.

60 AY i e s u e r ,

Da das in der lebenden Zelhvand vorliandene Eiweiss gänzlich oder zum grossen Tlieile in Form von Protoplasma vor- kommt, so können alle jene cliemisclien Umwandlungen, welche bisher im Inhaltsplasma nachgewiesen wurden, auch innerhalb der Membran angenommen werden.

Ich glaube, dass die hier vorgetragene Ansicht, dass stets Protoplasma in der lebenden Zellwand vor- handen ist, das Verständniss der in der Zellwand statthabenden chemischen Vorgänge mehr fördern wird als die bisherige Lehre, derzufolge alle soge- nannten Umwaudlungsproducte der Zellwand aus Cellulose sich ableiten sollen.

Am Schlüsse dieses Capitels möchte ich noch zu zeigen ver- suchen, dass es Zellen gibt, deren Membranen als Hauptträger des Protoplasmas fuugiren.

Höchst auffallend, aber bisher in Bezug auf das Vorkommen des Protoplasmas in der Zelle nicht beachtet, ist die Dickwandig- keit vieler Pilzhyphen, welche sich bei vielen Gasteromyceten und Hymenomyceten selbst schon in Jugendzuständeu zu erkennen gibt. ' Bedenkt man, dass gerade in den Membranen solcher dickwandigen Hyphen sich die Gegenwart von Eiweisskörpern zu erkennen gibt, so gewinnt die Annahme, ein relativ grosser Theil des Protoplasmas verberge sich hier in der Wand, umso- mehr an Wahrscheinlichkeit, als die Anwesenheit von Proto- plasma in den Zellwänden höherer Pflanzen vielfach nach- gewiesen wurde, und das Lumen der genannten Hyphen schon zur Zeit desWachsthiims oft so klein ist, dass für ausreichende Mengen von Protoplasma in solchen Zellen kein Raum zu sein scheint.

Ich will nun versuchen, die Eiweissmenge eines aus der- artigen Hyphen zusammengesetzten Pilzes in Vergleich zu setzen mit dem Räume , welcher innerhalb solcher Zellen für das Proto- plasma disponibel ist.

leb wähle hiezu das noch wachsthumsfähige Gewebe des Fruchtkörpers von PoJyporus fomentarius. Nach einer genauen chemischen Untersuchung, welche Herr Dr. Fossek, Assistent am ersten chemischen Universitätslaboratorium, auszuführen die

^ De Biiry, Morphologie und Biologie der Pilze etc., pag. 13.

üiitersuchungeu über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 61

Güte hatte, beträgt die ilenge an Stickstoff in dem genannten Gewebe 2-34 Proc, auf absolut trockene Substanz bezogen. Nimmt man die duvchsebnittlielie Sticlvstoffmenge eines Eiweiss- körpers mit 16 Proe. an, so entspricht der angegebene Stickstoflf- gehalt einer Menge von 14-6 Proe. Eiweiss. Da in wachsenden Pflanzentheilen die Hauptmasse der Eiweisskörper im Proto- plasma auftritt, dieses aber, auf organische Trockensubstanz bezogen, nur etwa zwei Drittel Eiweisskörper enthält, so wäre die Annahme nicht unberechtigt, dass das Gewebe 14 Proe. absolut trockene Protoplasmasubstanz enthält. Da aber der Stick- stoff in diesem Gewebe, wie in anderen in chemischer Beziehung- genauer untersuchten Geweben noch in Form anderer Verbin- dungen auftreten dürfte, die allerdings sonst zum grössten Theile im Protoplasma ihren Sitz haben, so wäre ein Gehalt von lOProc. Protoplasma eher zu niedrig als zu hoch geschätzt. Nun verhält sich nach zahlreichen, von mir vorgenommenen Messungen der cubische Inhalt der jugendlichen Zelhvand des genannten Gewebes zu dem cubischen Inhalt des Lumens der betreffenden Zelle etwa wie 87 : 1. Es könnte somit unter der gemachten An- nahme und unter der Voraussetzungj dass die Dichte der trockenen Protoplasmasubstauz mit jener der übrigen festen Zellwandbestandtheile übereinstimmt, bloss der achte Theil des Protoplasmas im Zellinhalte Platz finden. Würde man die Berechnung auf frische Substanz machen, wobei der Wasser- gehalt des Protoplasmas viel höher als der der Wand anzunehmen wäre, so würde ein noch kleinerer Bruclitheil des Protoplasmas als Füllmasse des Zelllumens resultiren.

Diese Discussion führt zu dem Resultate, dass es Zellen gibt, in welchen die Hauptmasse des Proto- plasmas der Membran angehört.

IV. Organisation der Zellwand.

1. Molecularstructur und Organisation. Die directe Beobachtung führte uns bereits tief in die Organisationsverhält- nisse der Pflanzen ein. Wir zerlegen die Pflanzen in Organe, diese in Gewebe, diese in Zellen, finden diese wieder aus unter- scheidbaren Theilen: Protoplasma, Kern und Zellhaut zusammen- gesetzt und bemerken innerhalb des Protoplasmas individualisirte,

62 Wie SU er,

organische Structiir besitzende Gebilde^ wie Stärkekörnehen, Chlorophylkörner. protoplasmatisclie Anlagen der letztgenannten Gebilde (^Piastiden etc.). Weiter ging man bisher in der Auf- suchung der Organisationsverhältnisse gewöhnlich nicht, sondern trachtete, die sich darbietenden morphologischen Differenzirungen, z.B. die Schichtung undStreifuug derZellhaut sofort auf moleculare Verhältnisse zurückzuiühren oder, wie man sich ausdrückt, man suchte die Molecularstructur dieser Bildungen zu finden.

Auf botanischem Gebiete spricht sich dieses Streben viel deutlicher aus als auf zoologischem, und wenn in jüngster Zeit die gesunde Tendenz, nach neuen Organisationsverhältnissen im Protoplasma und Zellkern zu suchen, unter den Botanikern hervortritt, so ist dies zum grossen Theile den von den Zoologen ausgehenden Anregungen zu danken.

Wohl besteht die letzte im Bereiche der morphologischen Untersuchung organisirter Objecto gelegene Aufgabe darin, die Zusammensetzung der Organismen bis auf die die letzten Form- elemente constituirenden Molekülverbindungen und Moleküle zurückzuführen; allein das Suchen nach der Molecular- structur der Organismen scheint mir derzeit ein hoffnungs- loses Beginnen, da es sich hier um ein mechanisches Problem handelt, welches ohne Auffindung neuer theoretischer Grundlagen nicht zu fördern ist, das also eine umfassende Vorbereitung seitens der Physiker eigentlich voraussetzt und welches, da diese Vorarbeiten fehlen, mit Erfolg auf Lösung derzeit nicht in die Hand genommen werden kann.

Hingegen scheint das Bestreben, tiefer in die Organisa- tionsverhältnisse der Pflanze einzudringen, grössere Aussicht auf Erfolg zu gewähren, wie die neueren Studien über pflanzliches und thierisches Protoplasma erkennen lassen. Die \ erliegende Unter- suchung bezweckt im Wesentlichen gleichfalls ein tieferes Ein- dringen in die organische Strnctur der Wand. Auf die Frage der Molecularstructur der Zellen, wie sie durch Nägeliund später durch Strasburger ^ gestellt und zu lösen versucht wurde, gehe ich aus schon angegebenen Gründen nicht ein, wohl aber möchte ich an dieser Stelle versuchen, den zwischen Molecularstructur und Organisation bestehenden Unterschied zu verdeutlichen.

"i Zellhäute, pag-. -ilG ff.

UnttMsucluiugeu über d. Organisation d. vegetab. ZelUiant. 63

Die bisherigen üutersuchimg-eii der Physiker über den moleciilaren Bau der Körper beziehen sich auf die einfachsten Fälle: auf leblose Körper von homogenem Gefüge und einheit- lichem chemischen Bau oder von einer höchst einfachen Com- bination chemischer Verbindungen.

Es gelang aus Thatsachen zu erschliessen, wie die Moleküle eines chemisch einheitlich gebauten Krystalls gegenseitig gelagert sind, und welche formbildenden Eigenschaften diesen Molekülen zukommen. Weniger klar sind schon die Lagerungsverhältnisse der Moleküle innerhalb eines Krystallwasser führenden Krystalls. In diesem Falle wird das Krystallmolekül als ein zusammen- gesetztes Molekül angenommen, bestehend aus dem Haupt- molekül und dem angelagerten Wasser, über dessen Stellung zum Hauptniolekül man noch nicht im Klaren ist. Die Anschauungen über MolekUlverbinduugeu, wie solche im Alaun, in Lösungen und Flüssigkeiten, in der Substanz einfacher colloider Körper vor- liegen, sind ganz hypothetischer Natur und schliessen einge- staudenermassen andere Anschauungen nicht aus. Strenge genommen kennt man aber selbst den einfachsten Fall der Molecularstructur, nämlich den Bau eines krystallwasserfreien Krystalls nicht, weil die Form des Moleküls der beti-effenden chemischen Substanz unbekannt ist.

Die Anschauungen über die Molecularconstitution so einfach gebauter Körper sind also noch zum grössten Theile unbestimmte oder unsichere. Welche Hoffnungen sind also bezüglich der Auf- deckung der Molecularsü-uctur der Organismen zu hegen, nach, dem wir wissen, dass diese Gebilde eine höchst complicirte chemische Zusammensetzung haben? Es scheint, als wenn man sich dies mit Eücksicht auf das gestellte Problem noch nicht recht vergegenwärtigt habe, weshalb ich diesen Punkt etwas näher beleuchten will.

Man hielt die Stärke früher für ein chemisches Individuum, man weiss aber jetzt, dass jedes Stärkekörnchen aus mehreren isomeren Kohlenhydraten, aus riechenden und farbigen Sub- stanzen, welche bezüglich ihres chemischen Charakters noch nicht untersucht wurden, ans Wasser und iMineralbestandtheilen besteht. Dass die verholzte Zellwand chemisch sehr complicirt gebaut ist, wurde schon oben (pag. 55 56) dargelegt.

64 Wie SU er,

Nach den Uutersuchungeu Reinke's über die chemische Beschaffenheit der Myxomyceten-PIasmodien \ welche grosse Protoplasmakörper repräsentiren , enthalten dieselben ausser Eiweisskörpern, Wasser und Mineralbestandtheilen noch zahl- reiche andere Verbindungen: Reinke hat nicht weniger als 15 organische Substanzen und mehrere organische Körpergruppen (Amide, Peptone, Fettsäuren etc.) im Plasmodium vom Jg^/ia^/wm septicum nachgewiesen und hob hervor^ dass etwa 5 Proc. der untersuchten Substanz auf bestimmte chemische Individuen noch nicht zurückgeführt werden konnten. Die Chlorophyllkörner ent- halten ausser der protoplasmatischen Grundlage, deren chemische Mischung zweifellos gleichfalls eine sehr complicirte ist, noch die Chlorophyllfarbstoffe, unter Umständen die zu assimilirenden Substanzen und die Producte der Kohlensäureassimilation, u. s. w.

Wohl werden nicht alle diese einem bestimmten Theile der Zelle angehörigen chemischen Species an dem Aufbaue jedes sichtbaren Theiles der betreffenden organisirten Substanz Antheil nehmen, doch kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass diese kleinsten eben noch unterscheidbaren Theilchen einen im Vergleiche zu nicht organisirten Körpern (Krystallen etc.) sehr verwickelten Bau und eine complicirte chemische Zusammen- setzung besitzen.

Es kann als sicher angenommen werden, dass jedem chemi- schen Individuum, das in die Bildung eines organisirten Gebildes eintritt, jene Molecularstructur zukommt, die ihm auch im isolirten Zustande eigen ist; ob dasselbe fest, flüssig oder gasförmig ist oder in Form einer Lösung vorkommt, ist dabei glcichgiltig.

Völlig fraglich ist es aber, wie diese leblosen Moleküle und Molekülgruppen im Organismus verbunden sind.

In dieser Beziehung liegen folgende zwei Möglichkeiten vor: Entweder vereinigen sie sich zu besonderen, selbst im Ver- hältnisse zur Zelle sehr kleinen individualisirten Gebilden, oder sie bilden ein homogenes Ganzes, das nur als Zellhaut, Proto- plasma, Kern, Stärkekorn etc. individualisirt ist.

In jedem Falle ist eine grosse Complication im chemischen Bau gegeben: eine Molekülaggregation von so verwickeltem Baue,

J Studien über das Protoplasma, Bcrliu. 1881.

Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zeühaut. 65

bezUgiich deren innerer Gliederung: sich keine irgendwie berechtigte Vorstellung entwickeln lässt, und die man einst- weilen am besten als Organisation bezeichnen kann, weil dieselbe auf die Lebewesen beschränkt ist.

Von den beiden eben genannten Möglichkeiten halte ich die erstere für die berechtiglere, und möchte ich die Mikrosomen als jene individualisirten Körperchen ansprechen, welche die letzten Formelemente des Protoplasma bilden. Aus den Mikro- somen des Plasma (Plasmatosomen) gehen, wie ich später darlegen werde, die Mikrosomen der Zellhaut (D e r m a t o s o m e n) hervor. Nach meiner Annahme würden also die Plasmatosomen die eigentlichen Elementarorgane der Pflanzen und überhaupt der Lebewesen bilden.

Nach dieser Auffassung würde die Zelle in demselben Sinne aus Mikrosomen (Plasmatosomen und Dermatosomen) auf- gebaut sein, wie die Gewebe aus Zellen sich zusammensetzen.

Das Protoplasma hat eine netzförmige Structur. ' Eine ähnliche Structur kömmt auch der Membran zu. Ich schliesse dies aus Folgendem: Wir haben gesehen, dass die Zellhaut sich in Dermatosomen zerlegen lässt, und dass diese untereinander gebunden sein müssen. Diese Bindungen können, wie wir gesehen haben, entweder einfach mechanisch gelöst werden, oder durch eine chemische Veränderung, wobei feste Substanz in Lösung übergeführt wird. Die Bindung kann also nicht in Anziehungs- kräften der Dermatosomen bestehen, wie etwa nach Nägeli's Vorstellungen die Micellen einer Zellwand durch Anziehung zu einem Ganzen vereinigt sind. Es ist nun mit Rücksicht auf die Anwesenheit des Protoplasmas inmitten der Zellwand

1 Der Ausdruck „netzförmig" soll selbstverständlich nur besagen, dass der optische Durchschnitt durch das Protoplasma als Netz erscheint, ist also ähnlich so aufzufassen, wie der Ausdruck „Cambiumring", der bloss ausdrücken soll, dass der Querschnitt des Cambiums ringförmig ist. Strenge genommen besteht das Protoplasma aus Fäden, welche gerüstartig zusammengefügt sind. Die Frage, in welcher Weise die Fäden verbunden sind, und ob ihre Vereinigung den Ausdruck „netzfönnig" rechtfertigt, will ich hier nicht näher erörteni (Vergl. hierüber die kritischen Auseinander- setzungen belFle mm in g, 1. c, pag. 58), sondern nur bemerken, dass gerade bezüglich der vegetabilischen Zellwand die Annahme einer im Flächenbilde genau netzförmigen Structur die grössere Wahrscheinlichkeit für sich hat.

Sitzb. d. mathem.-natnrw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. O

66 W i c s u c r.

anzunehmen, dass diese Bindung der Dermatosomen durch zarte Stränge von Protoplasma zu Stande kömmt.

Die erste Anlage der Zellwand wurde früher als eine Schichte von Cellulose betrachtet, bis Strasburg er in seinen bekannten Arbeiten zeigte, dass bei Zelltheilungen. welche unter Intervention eines sich in seine Hälften theilenden Kerns vor sich geht, ein Aggregat kleiner Körnchen diese erste Anlage der Wand bildet. Unter dem Einflüsse der alten Lehren glaubte Strasburger anfänglich, diese Körnchen wären Ausscheidungen von Cellulose oder einem ähnlichen Kohlenhydrat; später unter- nommene genaue Versuche, in denen es ihm gelang, in diesen Körnchen (Mikrosomen) Eiweiss durch Eeactionen nachzuweisen, lehrten, dass dieselben kleine Protoplasma gebilde seien.*

Diese protoplasmatischen Mikrosomen (Plasmatosomen) bilden mit einer Zwischenmasse eine zusammenhängende Platte (Kernplatte Strasburger's). Diese Zwischenmasse erscheint meist homogen oder überaus' feinkörnig. Es ist aber wohl anzu- nehmen, dass sie als organisirte Substanz nicht homogen ist, und dass sie als protoplasmatisches Gebilde wie alle übrigen bis jetzt untersuchten Protoplasmagebilde eine aus feinen Fäden gefügte Netzstructur hat.

Es ist also anzunehmen, dass die Plasmatosomen der Zell- hautanlage durch Protoplasmastränge netzartig verbunden sind.

Die erste Anlage der Zellwand besteht geradezu aus Proto- plasma; dass in den Wänden junger Meristemzellen reichlich Protoplasma enthalten ist, dass selbst ausgewachsene Zellwände noch Protoplasma führen, darauf ist früher schon hingewiesen worden. Aus unseren Erfahrungen darf nunmehr mit Wahr- scheinlichkeit abgeleitet werden, dass das in der wachsenden Haut enthaltene Protoplasma netzartig verknüpft ist und die Dermatosomen untereinander verbindet.

Dass die Mikrosomen des Protoplasma in die Bildung der Haut unnüttelbar eintreten, darüber sind bei Strasburger (1. c.) zahlreiche Belege zu finden. Nach meiner Auffassung ist dieses Factum so auszudrücken: Die Plasmatosomen ver- wandeln sich innerhalb der Wand in Dermatosomen.

1 ZellhäuU', pa^'. 17:

Uutersuchungeu über cl. Organisatiou d. veg-etab. Zollhaut. 67

Die Existenz der Protoplasmafäden, welche als Verbindung-s- glieder der Devmatosomeu angenommen werden, konnte durch directe Beobachtung nicht bewiesen werden, da diese Proto- plasmafäden im Vergleiche zu den Dermatosomen als sehr klein anzunehmen sind, diese aber selbst schon oft an der Grenze der mikroskopischen Wahrnehmung liegen. Nur in jenen Fällen erscheint das Protoplasma direct in der Wand, wo es als solches in breiten Zügen erhalten bleibt, innerhalb welcher die Pla^ma- tosomen keine Umwandlung in Dermatosomen erfuhren.

Fig. 5.

Schema der Wandstructur. d P ^^J^ ^ Dermatosomen, v Verbin-

ySi-M'y^^^^^^xr^^y^^^^r^r^^ dungsstränge innerhalb der Zell

C^\^^~^l^^^r^i^^r^^ wand, v' Verbiudungsstränge an

J^^W^-^ö^^^'^ö^^ den Grenzen zweier Zellen. yLHXTX'lATX'TLi~<J j^ I v' P P breiter dermatosomen-

(r^^^^_^^^S^^^^M-S^&^^^ä^~MS^ freier Protoplasmazng, welcher

r^^T^^'^ä^'^^'^^ i™ Mikroskope direct nachweis-

^^^^^^"^^^P""^^^ bar ist.

Die beistehende Abbildung (Fig. 5) soll veranschaulichen, in welcher Art ich mir die vegetabilische Wand gebaut denke. Sie zeigt die Dermatosomen und deren Verkettung, ferner die dichte Bindung innerhalb der Zellhaut, die lockere Bindung an der äusseren Grenze der Zellwand und das Zustandekommen mikro- skopisch sichtbarer, durch die Zellwand hindurchgehender Protoplasmastränge.

2. Schichtung und Streifung der Zellhaut. Die Meinungen über die innere Structur der Zellhaut haben sich bekanntlich im Laufe der Zeit mehrfach wesentlich geändert. Die ältere von Meyen ^ und später noch vonCrüger^ ver- theidigte, übrigens schon bei Grew und Moldenhawer auf- tauchende Ansicht, derzufolge die vegetabilische Zellwand aus Fibrillen bestehe, ist später auf das heftigste bekämpft worden. Der herrschenden Lehre zufolge besteht die Wand aus sich kreuzenden, abwechselnd wasserreichen und wasserarmen

1 Neues System der Pflanzenphysiologie, Bd. I p. 45, daselbst anch die ältere Literatur.

■-' Bot. Zeitung. 1855. p. 601 ff.

68 Wit'sner,

Lamellen und diese sind es, welche sowohl die Schichtung als auch die Streifung hervorbringen sollen.

Diese von Xägeli begründete Ansicht ist indess nicht ohne Widerspruch geblieben und namentlich Strasburger' fuhrt die Streifung wieder auf schraubig verlaufende Fasern, hingegen die Schichtung auf optische Differenzirung von zur Grenzfläche der Zellen parallelen Lamellen zurück.

Seitens der mit thierischen Objecten beschäftigten Histo- logen ist mehrfach gesagt worden, dass die Botaniker zu weit gehen, wenn sie die Annahme von Fibrillen in den gestreift erscheinenden Zell wänden geradezu perhorresciren.^

Nach den in dieser Abhandlung mitgetheilten Thatsachen ist die Frage, ob sich die Membran aus Schichten oder aus Fibrillen zusammenfügt, ziemlich bedeutungslos. Indem man bestimmte Bindungen innerhalb der Zellwand auflöst, zerfällt die Membran in Schichten, durch Auflösung anderer Bindungen zerfällt sie in Fibrillen, wie unter anderem die Versuche, welche mit Baumwolle und Bastfasern angestellt und oben mitgetheilt wurden, lehren. Je nach den in der Zellmembran herrschenden Spannungen werden dieDermatosomen zu Fibrillen, zu Schichten oder zu beiden vereinigt erscheinen. Man könnte also mit demselben Rechte, mit welchem man die Zellwand als lamellös gebaut betrachtet, sagen, sie bestehe aus Fibrillen. Sie besteht aber strenge genommen weder aus Schichten noch aus Fibrillen, sondern aus Der- matosomen, die, bestimmt angeordnet, entweder zu Fibrillen sich vereinigen oder zu Schichten oder zu beiden, ein Fall, welcher in den Wänden fibröser Zellen die Regel bildet.

Es zeigt sich also bezüglich des Baues der vegetabilischen Zellwand ein ähnliches Verhältniss, wie bei der quergestreiften Muskelfaser. Es wurde lange darüber gestritten, ob dieselbe aus Fibrillen oder Querscheiben bestehe, bis der Nachweis geliefert wurde, dass in derselben kleine Körperchen in regel-

' Zellliäute. Auch Hofmeister (Pflauzenzelle, pag. 206) hat in' einigen Fällen die Streifung der Zellwand aus Fibrillen abgeleitet. Vergl. auch Dippel, das Mikroskop, I. Aufl., Bd. II. p. 82 ff.

- Vergl. u. A. Ebne r, 1. c. pag. 224.

Untersuchungen über d. Org-auisation d. veg-otab. Zellliaut. 69

massiger Anordnung enthalten sind, ^Yelehe je nach äusseren Einwirkungen zu Fibrillen oder zu Scheiben sich zu vereinigen scheinen.

Dass die Dermatosomen zu Fibrillen, diese zu Schichten sich zu vereinigen vermögen, hat vornehmlich seinen Grund in der relativen Grösse der Dermatosomen im Vergleiche zu den Fäden, welche sie verknüpfen.

Die Dermatosomen verschiedener Zellen haben verschiedene Grösse und davon hängt in erster Linie die Deutlichkeit des Her- vortretens von Schichten undStreifen ab. Damit Schichten und Strei- fen gesehen werden, ist vor Allem eine bestimmte Grösse der Der- matosomen erforderlich. Es ist oben wahrscheinlich gemacht worden, dass die Dermatosomen der untersuchten Pilzmembran infolge ihrer Kleinheit directer mikroskopischer Beobachtung sich entziehen, und dies ist wohl der Hauptgrund, warum die Pilzzellwänrle in der Regel keine Schichtung zu erkennen geben. Es können iudess ganze Complexe von Dermatosomen von benach- barten sich unterscheiden und auch dadurch zur Bildung breiter Schichten (Schalen) Anlass geben.

Je nach der Yerbiudungsweise der Dermatosomen wird die Wand fibrillär oder geschichtet erscheinen. Je kleiner die Ver- bindungsstränge sind, desto mehr werden die Dermatosomen zu höheren Einheiten verschmolzen uns entgegentreten. Denken wir uns beispielsweise, dass die Dermatosomen einer Zellwaud gleich gross wären und in radialer, tangentialer und longitudinaler Richtung in regelmässigen Reihen angeordnet seien, so wird die Wand aus Querschichten zu bestehen scheinen, wenn die verticalen Verbindungsstränge länger sind (oder stärker gedehnt sind), als alle übrigen, hingegen aus zur Zellaxe parallelen Fibrillen, wenn die verticalen Verbindungsstränge kürzer (oder am stärksten com- primirt) sind als alle anderen, endlich aus zur Oberfläche parallelen Schichten, wenn die radialen Verbindungsstränge länger (bezie- hungsweise gedehnter) sind als alle anderen. Es wird nicht schwierig sein das Zustandekommen schraubig angeordneter Fibrillen in analoger Weise zu erklären. Es wird auch verständlich sein, warum in manchen Zellen (Tracheiden, Bastzellen) Schichten und Streifen gleichzeitig sichtbar werden können, warum parenchyma- tische Elemente häufig Schichtung, aber keine Streifung zeigen etc.

70 Wie SU er.

Das Hervortreten der Schichten in der Zellwand erklärt Nägeli durch das Ahwechseln wasserreicher und wasserarmer Schichten, Strasburger durch den Contact der successive aus dem Plasma sich abscheidenden Häute, wobei indess die Frage offen bleibt, ob die optische Differenzirung auf Structureigenthtim- lichkeiten oder bloss auf eine Differenz in der Lichtbrechung der sich berührenden Schichten zu stellen ist.

Nach meiner Auffassung besteht jede Schichte aus in tan- gentialer Richtung stark genäherten Dermatosomen, die also gewissermassen ein zusammenhängendes Häutchen bilden. Je zwei solcher Schichten sind durch Gerüstsubstanz von einander getrennt. Die zur Oberfläche der Zellwand parallele Lamellirung (Schichtung im engeren Sinne des Wortes) kömmt mithin durch den Wechsel von zu Häutchen vereinigt erscheinenden Dermato- somen und Gerüstsubstanz zu Stande.

In manchen Fällen können die für gewöhnlich nur im isolirten Zustande erkennbaren Dermatosomen direct beobachtet werden. Als Beleg hiefür theile ich folgende Beobachtungen mit.

Die Tracheiden der Fichte (Abies exceha) sind, wie bekannt, häufig gestreift. Wenn man einen Längsschnitt durch das Fichtenholz, welcher sehr deutlich gestreifte Tracheiden enthält^ stundenlang im Luftbade bei 110° trocknet, bis derselbe als völlig wasserfrei angenommen werden kann, und dann unter Mikroskop betrachtet, so tindet man, dass die Streifen noch mit grösserer Schärfe hervortreten als früher. Was in der imbibirten Zellwand nur angedeutet war, die Zusammensetzung aus kleinen Körnchen (Dermatosomen) tritt nun viel schärfer hervor und an radialen Längsschnitten sieht man die Tüpfel wie mit feinen Körnchen übersät, welche theils in radialen Streifen, theils in concentrischen Ringen angeordnet sind. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Dermatosomen durch Wasserverlust sich contrahirt haben und infolge dessen ihre Peripherien sich von einander entfernten, wodurch diese flautkörperchen obwohl kleiner geworden, als solche deutlicher hervortreten. Noch schärfer treten die Dermatosomen hervor, wenn man die Längs- schnitte bis zur beginnenden Zersetzung erhitzt, so lange, bis sie sich deutlich zu bräunen beginnen. Die Wände der bei 110° erhitzten Tracheiden erscheinen wie mit einem unregelmässigen

Untersiichimgen über d. Organisation cl. vegetab. Zellhaut. 71

Netze überdeckt dessen Fäden in .schraubigen Eichtuugen liegen; sie sehen wie ein ungespanntes Netz aus. Lässt man nun Wasser zuti-eten, so wird infolge der Quellung das Netz regel- mässiger, es ist so, als wäre das Netz gespannt worden, die Schraubenlinien aber werden viel undeutlicher. Aus diesem letzten Umstände ist zu folgern, dass in der trockenen "Wand lufterfüllte Hohlräume vorkommen, welche bei Wasserzutritt durch Flüssig- keit ersetzt werden. Diese Hohlräume sind im lebenden Zustande der Zellwand auch vorhanden, nnd zweifellos gleichfalls mit Flüssigkeit erfüllt.

Während die Nägeli'sche Theorie fordert, dass die im lebenden Zustande mit Wasserhüllen umkleideten Micellen bei vollständiger Wasserentziehung sich unmittelbar berühren, geht aus meinen Untersuchungen hervor, dass die Zellwand ein Gerüste bildet, welches reichlich von Hohlräumen durchsetzt ist, die im lebenden Znstande der Wand mit Flüssigkeit gefüllt, im trockenen Zustande leer sind, und sich gewöhnlich mit Luft füllen.

Da nun die Dermatosomen quellbar sind, so ist anzunehmen, dass in der mit Wasser gesättigten Zell- wand das Wasser in zweierlei Form enthalten ist: als capillares, welches die Dermatosomen und deren Ver- bindungsstränge umspült, und als Quellungswasser, welches von den Dermatosomen aufgenommen wurde.

Ich will hier noch eine interessante Beobachtung anführen, welche zeigen soll, dass das Hervortreten der Schichten und Streifen nach Einwirkung von Reagentien, wenigstens in gewissen Fällen nicht auf einer die optische Differenzirung der Structur begünstigenden Aenderung der Brechungsexponenten der benachbarten Hauttheile, sondern auf Auflösung der zwischen den Schichten und Streifen befindlichen Bindesubstauzen beruht.

Wenn man auf einen scharf getrockneten, durch das Holz der Fichte geführten Längsschnitt, dessen Tracheiden deutliche Streifung zeigen, Chromsäure wirken lässt, so wird die Structur undeutlich, indem die in die lufterfüllten Hohlräume eindringende Chromsäurelösung sich optisch nur wenig von den mit derselben Lösung nunmehr imbibirtenHautschiehteudififerenzirt. Nach einigen Augenblicken tritt aber die Streifung mit einer an diesem Objecte

72 Wiesnor,

niemals zu sehenden Schärfe hervor. Nicht lange darauf zerfällt die Zellwand nach den Richtungen der die Streifung charakteri- sirenden Schraubenlinien. Es sind durch das Reagens die Stränge, welche die zu Fibrillen vereinigten Dermatosomen untereinander verbanden, gelöst worden.

V. Wachsthum der Zellwand.

Die Wachsthnmsverhältnisse der vegetabilischen Zellwand sind bisher beinahe durcligehends höchst einseitig aufgefasst worden. Die einen wollen alle Wachsthumsvorgänge auf Intussusception zurückführeR, die anderen auf Apposition. Bekanntlich ist die alte Appositionstheorie durch Nägeli's scharfsinnige Untersuchungen völlig beiseite geschoben und bis vor wenigen Jahren als völlig abgethan betrachtet worden. Heute stellt aber die Sache wieder anders: es sind Vertheidiger der Appositionstheorie aufgetreten, welche geradezu jede Wirk- samkeit der Intussusception, wenigstens innerhalb des Bereiches der Pflnnzenzelle in Abrede stellen.

Die Erscheinungen, welche das Wachsthum darbietet, sind aber so mannigfaltige, dass schon von vorneherein ein gleich- artiges Zustandekommen unwahrscheinlich ist. Übrigens lehrt schon, wie ich bereits vor Jahren hervorhob, * eine einfache Überlegung, dass jede Intussusception Apposition voraussetzt, denn es kann doch keine Zwischenlagerung von Molekülen stattfinden, bevor dieselben sich nicht angelagert haben. Wenn aber einmal im Laufe des Zellenlebens das Protoplasma die Fähigkeit hat, durch Apposition ein Hautanalogon zu schaffen, warum sollte dieser Process im weiteren Verlaufe des Zellen- lebens sich nicht wiederholen?

Für die Wirksamkeit der Intussusception im Wachsthume der Wand sprechen nicht nur Wahrscheinlichkeitsgründe, sondern auch Beobachtungen, welche durch Annahme von Appositions- wachsthum nicht zu verstehen sind.

Was den ersten Punkt anlangt, so ist zunächst die Tendenz wachsender Organismen zu intercalaren Bildungen hervor-

3 Elemente der Anut. u. Phys. d. Pflanzen. 1. Aufl., pag. 259, 2. Anfl., pag. 290.

Untersiielumg-eii über d. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaut. 73

zuheben, welche sich in der Anlage der Organe, im Wachsthume der Gewebe, ja gewisser Zellen ich erinnere an den allgemein bekannten Fall von Oedogonium so scharf ausspricht, dass man diese Tendenz zu den charakteristischesten Eigenthümlich- keiten der Organismen rechnen kann. Es wächst der Organismus gewissermassen aus sich selbst heraus. Ferner: es ist höchst bedenklich, in jenen Fällen, wo behäutete Zellen mehrhundertmal an Volum zunehmen, das Flächenwachsthum der Wand durch blosse Dehnung einer durch Apposition entstandenen Hautanlage zu erklären. Sodann: es ist nicht minder bedenklich, wenn man ein locales Wachsthum der Wand, wie es zum Beispiel bei der Sprossung der Hefe vorkömmt, einfach durch eine local verstärkte Dehnbarkeit der Wand zu erklären versucht, indem doch die Wand nicht in dem Verhältnisse dünner wird, als sie an Volum zunimmt, und für eine Zunahme der gedehnten Wand an Dicke durch Appo- sition kein Beweis vorliegt, namentlich aber das Zustandekommen der Tochterzellwände durch Apposition in Anbetracht der fast punktförmiuen Kleinheit der Ansatzstelle sehr verwickelte Bedin- gungen zur Voraussetzung hat, während der Vorgang durch intercalares Wachsthum sich sehr leicht und einfach erklärt.

Was den zweiten Punkt anbelangt, so will ich nur auf die sehr umfassende und objective Untersuchung, welche jüngsthin Leitgeb über Bau und Entwicklung der Sporenhäute ver- öffentlichte ^, verweisen, worin gezeigt wird, wie bei bestimmten Wachsthumserscheinungen die Apposition, bei anderen die Intussusception in Wirksamkeit tritt, dass beispielsweise selbst an einer und derselben Lebermoos-Spore ein Theil der Wand (sporeneigene Haut) durch Intussusception, ein anderer (das Peri- nium) durch Auflagerung gebaut wird.

Es kann also heute wohl kaum einem Zweifel mehr unter- liegen, dnss sowohl Apposition als Intussusception beim Wachs- thum der Zellwand betheiligt sind. Diese unter den Botanikern noch selten anzutreffende Auffassung ist unter jenen Histologeu, welche sich mit thierischeu Objecten befassen^ wie ich glaube, die herrschende.^

1 Graz, 1884.

- Vergl. Ebner, 1. c, pag. 207. ff.

74 W i e s 11 e v ,

Die Vovstelliingeu, welche man sieh aber in Betreff des Zu- standekommens des Zellwandwachsthums und speciell der Intus- susception gebildet hatte, dürften wohl durchwegs noch sehr rohe sein, und ich meine, dass dieTraub e'schenZellen mit jenen Intus- susceptionsvorgängen, welche das Zellwandwachsthum beherr- schen, nichts zu thun haben ; auf das Dickenwachsthum sind sie aber einfach gar nicht anwendbar. Auch die Apposition verläuft im Organismus nicht so einfach, wie bei der Bildung eines Krystalls, wie ich weiter unten durch ein Beispiel belegen werde.

Die in der vorliegenden Abhandlung enthaltenen neuen Thatsachen in Verbindung mit anderweitigen Erfahrungen führten mich zu Anschauungen über das Wachsthum der Zell- häute, welche vielleicht der Beachtung werth sind, wenn sie auch jener Einfachheit entbehren, welche Strasburger's Theorie des. Zellhautwachsthums auszeichnet.

Die erste Anlage der Zellwand besteht aus einer Schichte von Protoplasma, wie Strasburger zuerst bewies. Jugendliche Zellwände_, wie die der Meristeme, enthalten reichlich Proto- plasma. Auch in ausgewachsenen Zellen lässt sich Protoplasma in Form von Verbindnngssträngen, welche das Innere benach- barter Zellen in Communication setzen, nachweisen. In solchen ausgewachsenen Zellen ist aber die Hauptmasse der Zellwand frei von Protoplasma oder enthält höchstens Spuren davon, während in jugendlichen Zellen das Protoplasma überall die Häute durchdringt.

Aus Strasburger's Untersuchungen folgt also, dass die Zellwand nicht aus dem Protoplasma ausgeschieden wird, sondern dass das letztere selbst die Anlage der Wand bildet.^ Dieses die Wandanlage bildende Protoplasma verwandelt sich aber nicht, wie es Strasburger's Appositionslehre fordert, in eine Wand- schichte, sondern bleibt mit dem übrigen Zellplasma in Ver- bindung und bildet zwischen sich Dermatosomen aus; denn das in die Wandbildung hereingezogene Protoplasma (Dermato- plasma) liegt in der Wand selbst und bezieht von dem übrigen

1 Diese Auffassuug findet sich auch, wie ich bereits iii der Einleitung berührte, in der bekannten Zellwachsthninstheorie Pringsheim's, deren Hauptsatz dahin lautet, dass das Protoplasma Hautschichten bildet, welche sich später in aus Cellulose bestehende Membranschichten umsetzen.

Untersiichuiigeu über d. Organisation d. vegetab. Zellliaut. 75

Protoplasma her bloss Substanz. Die Fornibildung der Zell- wand geht, dieser meiner Auffassung- zufolge, nicht von dem von der Zellwand rund umschlossenen Protoplasma (Zellenplasma), sondern von dem inmitten der Zell- wand gelegeneu Protoplasma (Dermatoplasma, Haut- plasma) aus. Diese Auffassung schliesst eine Neuanlage von Hautschichten seitens des Protoplasmas nicht aus. Sollten der- artige Wiederholungen vorkommen, so müssten dieselben wie die erste Hautanlage weiterwachsen.

Durch Annahme des Wachsthums der Plasmasubstanz innerhalb der Wand, wird uns der wahre Charakter der letzteren als lebendes Glied der Zellen verständlich. Unserer Vor- stellung zufolge wächst die Haut nicht nach Art der Traube'- schen Zellen durch blosse Einlagerung der Theile, auch nicht durch blosse Anlagerung von Aussen oder Innen, wie es Stras- biirger's Appositionstheorie fordert, sondern im Wesentlichen wie das Zellenprotoplasma, gewissermassen aus sich selbst heraus.

Die complicirten Structuränderungen, welche sich während des Wachsthums vieler Zellhäute (besonders der Pollenkörner und Sporen) einstellen, werden unter der hier entwickelten Vor- stellung verständlicher als unter Annahme einfachen Appositions- oder Intussusceptionswachsthums oder einer Combination beider.

Die Zellhautanlage ist nach den Untersuchungen Stras- burger's eine protoplasmatische. Sie besteht aus Plasmatosomen und einer Zwischensubstanz, die aber selbst organisirt ist, und die man wohl ebenso als netzförmig gestaltet annehmen darf, wie alle anderen Protoplasmagebilde, welche einer genauen Unter siichung auf ihre Structur zugänglich waren.

Diese Wandanlage wächst weiter. Wir finden später in der- selben Dermatosomen und Protoplasma, in welchem selbst wieder Plasmatosomen erscheinen. Durch Strasburger ist die Um- bildung von Plasmatosomen (Mikrosomen nach seiner Termino- logie) in Dermatosomen nachgewiesen. Dabei werden also die Plasmatosomen consumirt. Woher kommen die neuen Plasmato- someu? Da, so weit die Erfahrung reicht, das Organisirte sich selbst wieder nur aus Organisirtem bildet, die Plasmatosomen aber organisirt sind, so müssen sich dieselben entweder aus ihres

76 W i e s u e r,

Gleichen durch Theilung oder aus kleinen in der Plasma- fäden enthaltenen der Beobachtung- sich entziehenden organi- sirtenaus dem Plasma sich in dividiualisiren den Körperchen bilden, die aber selbst wieder als Plasmatosomen aufzufassen wären. *

In den meisten Fällen scheinen die Plasmatosomeu sich gänzlich in Dermatosomen zu verwandeln. Auszuschliessen sind jene Fälle, in welchen nach Beendigung des Wachsthums noch Protoplasmastränge in der Zellwand nachweislich sind.

Es wandelt sich in den erstgenannten Fällen auch die zarte Gerüstsubstanz in Waudsubstanz um und bildet dann jenen homogen erscheinende Schleim, welcher durch Carbonisirung, Salzsäure- und Kaliwirkung aus den Zellmembranen neben den Dermatosomen entsteht. Ob diese Strangmasse homogen ist oder aus kleinen der Wahrnehmung sich entziehenden Dermatosomen besteht, ist natürlich zweifelhaft, doch ist mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Zwischenniasse dieselbe chemische Beschaf- fenheit zeigt, wie die Dermatosomen (z. B. in der Membran der Leinenfaser, wo beide aus Cellulose bestehen), das letztere wahr- scheinlicher.

Die Dermatosomen sind im ausgebildeten Zustande frei von Eiweisskörpern; die protoplasmatische Substanz, aus welcher sie hervorgegangen, verschwindet schliesslich vollständig, und sie bestehen dann gänzlich oder zum grössten Theile aus Abkömm- lingen von Eiweisssubstanzen. In diesem Zustande vollkommener Ausbildung sind sie wohl nicht mehr als lebende Gebilde anzu- sehen.

Die Frage nach den Eichtungen, in welchen das Wachs- thum der Zellwand stattfindet, wird unter der Vorstellung, dass die lebende Substanz innerhalb der Wand weiterwächst, nunmehr weniger einseitig gelöst werden können, als bisher, wo aller Substanzzufluss zur Wand entweder bloss von dem von der Wand umschlossenen Protoplasma oder von einem Periplasma abge- leitet wird.

1 Es scheint mir, wie schon oben angedeutet wurde, eine erlaubte, den Überblick über die Thatsachen sehr förderliche Vorstellung zu sein, das ganze Plasma aus kleinen organisirten Körperchen, Plasmatosomen, zusammengesetzt anzunehmen, welche einstweilen als die wahren Ele- mentarorgane der lebenden Wesen anzuuehuien wären.

Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellliaut. i i

Ich will schliesslich an einem Beispiele zeigen, dass selbst ein so einfach erscheinender Vorgang- wie die „Auflagerung" einer Haut- schichte auf eineZellwand nicht als ein blosser mit dem Apposition.s- wachsthum eines Krystalls vergleichbarer Process aufzufassen ist.

Es ist durch die Untersuchungen Strasburger's u. A. nach- gewiesen worden, dass Wandverdickung an Pollenkörnern und Sporen auch durch Auflagerung auf die Peripherie der Zellwand erfolgt. Die aufgelagerte Wand leitet Strasburger von einem zwischen der Membran der Mutterzelle und der Membran der Tochterzelle gelegenen Protoplasma ab.

Es soll dieser Vorgang einfach auf einem centrifugalen Ap- positiousvorgaug beruhen. Dass diese Auffassung nicht allgemein richtig ist, hat Leitgeb (I.e.) durch eingehende Untersuchungen über den Bau und die Entwackelung der Sporenhäute von Mus- cineen und Gefässkryptogamen gezeigt.

NachL eitge b's Untersuchungen entsteht bei Sphaerocarpus, Riccia, Preissia u. a> Lebermoosen das Perinium nicht aus einem Periplasma; es geht dasselbe vielmehr aus der innersten Lamelle der Specialmutterzellwand hervor, welche überall dicht der äusseren ..sporeneigenen" Haut, der wahren Exiue, anhaftet.

Diese innerste Lamelle erfährt nun gleich den übrigen Sporenhäuten im Laufe ihrer Entwickelung vielfache, zum Theile sehr tief eingreifende morphologische und chemische Verände- rungen, welche wohl erst verständlicher werden, wenn man die Membran als belebt, das ist als protoplasmafiihrend, annimmt.

Die Bildung des Periniums der genannten Lebermoose geht nun unter dieser, wie ich glaube, sehr berechtigten Voraussetzung, in folgender Weise vor sich. Das Protoplasma der Specialmutter- zellen bildet zunächst die „sporeneigene" Haut. Das von dieser umschlossene Protoplasma durchdringt aber auch die Wand der Specialmutterzellen und die sporeneigene Haut. Durch die Thätigkeit dieses inmitten der Zellhaut befindlichen Plasma (Der- matoplasma) gehen daselbst die oben angedeuteten Verände- rungen vor sich, unter anderen auch die Verschmelzung der innersten Schichte der Specialmutterzellwand mit der Exine (eigentliches Exospor) und die Umgestaltung dieser innersten Schichten der Specialmutterzellwand zur äussersteu Schiclite der Spore, zum Perinium.

78 Wiesner,

Ich widerstand der Verlockung, die in dieser Abhandlung- ausgesprochenen, zum Theile unmittelbar aus den Thatsachen sich ergebenden, zum Theile durch berechtigte Annahmen ent- standenen Ideen weiter auszuspinnen und zu einer Theorie der Zellwandstructur oder gar der Zellstructur zu gestalteu. Die Lösung derartiger Fragen gedeiht nach meiner Ansicht besser, wenn sie von mehreren Forschern angestrebt und so von ver- schiedenen Seiten beleuchtet wird, als wenn man ihr durch eine fertige Theorie beizukommen sucht.

So mögen denn die hier ausgesprochenen Grundgedanken, welche ebenso auf die von Nägeli, Strasburger, Dippel, Tangl, Leitgeb u. A. gemachten Entdeckungen, wie auf meinen eigenen Beobachtungen fassen, sich ebenso weiter entwickeln, wie sie entstanden sind: durch Zusammenwirken zahlreicher Forscher.

Ich begnüge mich mit den gegebenen Ausführungen, welche dahin zusammenzufassen sind, dass der Charakter der wachsenden Zell wand al s lebendes, protoplasmaführen- des Gebilde in den Vordergrund gestellt und sowohl die Structur, als das Wachsthum und der Chemismus der Zellhaut den analogen Verhältnissen des Proto- plasma näher gebracht wurde, und welche zur Aufstellung folgender Sätze führen :

1. Die erste Zellhautanlage besteht gänzlich aus Proto- plasma ( S t r a s b u r g e r ) .

2. So lange die Wand wächst, enthält sie lebendes Proto- plasma (Dermatoplasma). Dasselbe ist aber nur dann direct im Mikroskop zu sehen, wenn es in relativ breiten, cellulosefreien Zügen auftritt und dann die ganze Wand durchsetzt, welcher letztere Fall bekanntlich von Tangl zuerst beobachtet wurde.

3. Der Bau der Zellhaut ist nicht nur in der ersten Anlage, sondern stets ein netzförmiger, wie ein solcher dem Protoplasma, aus welchem die Zellhaut ja hervorgeht, entspricht.

4. Die Hauptmasse einer herangewachsenen Wand besteht aus kleinen, runden, organisirten Gebilden, Dermatosomen, welche aus Mikrosomen des Protoplasma (^Plasmatosomen) hervor- gehen, und die, solange die Zellwand wächst, durch zarte Proto- plasmazüge verbunden sind. Diese plasmatosomenführenden

Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zelihaut. 79

Stränge bilden aus sich i^durcli Theilting?) neue Plasmatosomen und scUiesslieli Deimatosomen, worauf das Waelisthnm der Wand beruht, das also, wenigstens im Wesentlichen, ein iuter- calares ist.

5. Die Dermatosomen sind in der Regel direct in der Zell- wand nicht erkennbar, werden aber gesehen, wenn man die sie zusammenhaltenden Fäden löst oder sprengt. Dies kann durch verschiedene Mittel geschehen. Am vollkommensten gelingt die Isolirung der Dermatosomen durch Chlorwasser, welches die Stränge früher angreift als die Dermatosomen.

Durch hintereinanderfolgende Behandlung mit einprocentiger Salzsäure, Trocknen bei 50 60°, Behandeln mit gewöhnlicher Salzsäure, Wasser, sodann mit Kali, Wasser und endlich durch Einwirkung von Druck ist man im Stande, die Bastfasern in Dermatosomen zu zerlegen, welche kleine mikrokokkenartige rundliche Körperchen darstellen.

6. Ausgewachsene Dermatosomen enthalten kein Eiweiss mehr, sind nicht mehr als lebende Gebilde aufzufassen, wohl aber sind sie quellbar.

7. Das Wasser ist in den Zellwänden in zweierlei Form enthalten: erstens als Quellungswasser der Dermatosomen, zweitens als capillares Imbibitionswasser zwischen den Derma- tosomen, die Verbindungsstränge umspülend.

8. Die Bindung der Dermatosomen ist innerhalb einer Zell- wand eine stärkere als zwischen zwei benachbarten Zellen. Ein lockeres, in Eeagenzien relativ leicht lösliches Fibrillengerüste trennt die sogenannte Mittellamelle (gemeinschaftliche Aussen- haut) in zwei Häute; jede im Gewebeverbande befindliche Zelle besitzt ihre eigene Aussenhaut,

9. Die Zellwand kann mit dem gleichen Rechte als fibrillär gebaut betrachtet werden, mit welchem man sie als lamellös zu- sammengesetzt auffasst. Sie ist aber im Grunde weder das eine noch das andere, sondern je nach Anordnung der Dermatosomen, nach Länge (beziehungsweise Spannung) der Verbindungsfäden wird sie geschichtet, oder fibrillär oder in beiderlei Art gefügt oder homogen erscheinen.

10. Die optische Diffenzirung der Schichten, beziehungsweise Fibrillen der Zellhaut kommt im Wesentlichen durch regel-

80 W i e s u e r, Untersucluuigeu über die Organisation etc.

massigen Wechsel genäherter Dermatosomen (welche zu Schichten oder Fibrillen vereinigt erscheinen) und Gertistsubstanz zustande.

11. Die Anwesenheit von Eiweisskörpern in der lebenden Zellwand macht die chemische Beschaffenheit und die innerhalb derselben stattfindenden chemischen Metamorphosen verständ- licher als die herrschende Lehre, derzufolge Cellulose das erste Product bildet, welches aus dem Protoplasma als Wandsubstanz ausgeschieden wird und welches den Ausgangspunkt für die Entstehung aller sogenannten „Umwandlungsproducte" der Zell- haut bilden soll.

12. Die Zellwand repräsentirt, wenigstens so lange sie wächst, ein lebendes Glied der Zelle, was besonders dadurch anschaulich wird, dass es Zellen gibt, welche den grössten Theil ihres Protoplasma inmitten der Zellhaut führen (Pilzhyphen mit dickwandigen wachsenden Enden).

Durch diese Auffassung über die Natur der Zellwand fällt selbstverständlich jene strenge Grenze zwischen Protoplasma und Zellhaut, welche mau bisher zu ziehen gewohnt war.

81

Resultate der Untersuchung des nach dem Schlamm- regen vom 14. October 1885 in Klagenfurt gesam- melten Staubes.

Von Dr. Max Schuster.

(Mit J Tafeln.)

Am 14. October 1885 hat es in Klageufurt bei heftigem Südwind Staub geregnet. Herr F. Seeland schildert die Umstände, unter denen dieser Schlammregen beobachtet wurde, in der meteorologischen Zeitschrift 1885, pag. 419 mit folgenden Worten:

„Es war ein Gussregen, der ganz ähnlich prasselte, wie bei einem Graupelfall und mich aus dem Schlafe weckte. Der Thürmer, welcher auf dem äusseren Gange des Klagenfurter vStadtpfarrthurmes die Feuerwache hält, hat ihn beobachtet und mir über den Schlammregen zur Nachtzeit berichtet. Leider hat er am 15. Morgens den putzpulverähnlichen Staub, der den Gang und das Gitter bedeckte, abgekehrt.

Als ich auf den Thurm kam, um mich von der Sache zu überzeugen, war in den Eisenvertiefungen des Ganggitters und in den Falznuthen der Blechdächer Klagenfurts von dem gelben Staub, ungeachtet des vielen nachfolgenden Eegens, noch ziemlich viel zu sehen.

Insbesondere enthielt das neue Blechdach des Goldarbeiters Wagenpfeil noch reichliche Überbleibsel davon. Ich begab mich daher auch dorthin und sammelte Muster des Staiibes, der höchst fein und von gelber, ockerähnlicher Farbe (ins Köthliche ziehend) ist.

Es ist das genau derselbe Staub, welchen uns am 25. Februar 1879 ein S. E. Sturm über Lesina herauf, avo er auch beobachtet wurde, nach Klagenfurt brachte, und welcher damals den massen-

Sitzb. d. mathem.-natunv. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 0

82 Schuster.

haft fallenden Schnee roth färbte. Seine Heimat ist verniuthlich die Wüste Sahara.

In Klag-enfurt herrschte, wie heute noch, echtes Siroccal- wetter. Am 14. war 7'^ SW, 2'' SW, 9'^ W und am 15. Morgens S-Wiud beobachtet worden. Am 15. 3" 57'" Früh war ein Erd- beben in der Eiclitung E— W mit nachfolgendem Rollen, so dass Fenster klirrten und Möbel schaukelten, mit einem einzigen Stoss beobachtet worden. Klageufurt, 17. October 1885."

Eine kleine Probe des bei dieser Gelegenheit aufgesammelten Staubes, circa ^/^^ Grm. im Gewichte, wurde vom Herrn Director Hann an das hiesige mineralogisch-petrographischeUniversitäts- institiit eingesendet und vom Herrn Hofrath Tschermak mir zur Untersuchung übergeben.

Die vorliegenden Untersuchungen, welche hauptsäclilich die mineralogische Zusammensetzung des Staubes zum Gegenstande haben, gestalteten sich ebenso mühsam als zeitraubend, nicht so sehr wegen der g-eringen Menge des zu Gebote stehenden Materiales als vielmehr wiegen der Kleinheit der Elemente, aus denen der Staub besteht, deren mittlere Grösse kaum 'Yj^^ Mm. beträgt. Dadurch waren einerseits die mechanischen Trennuugs- methodeu, sei es nach dem specifischen Gewichte mittelst schwerer Flüssigkeiten, sei es durch den Elektromagneten, welche bei dem grösstcntheils fragmentaren Charakter der einzelnen Partikel am vortheilb ältesten gewesen w'ären, theils völlig ausgeschlossen, theils nahezu illusorisch gemacht, andererseits musste auch die chemische Untersuchung hauptsächlich unter dem Mikroskope vorgenommen werden und konnten mit Vortheil nur mikro- chemische Reactionen in Anwendung kommen.

Die Scliwierigkeit und Umständlichkeit (respective Undank- barkeit) derartiger Untersuchungen, welche mit den Resultaten in keinem rechten Verhältnisse stehen, mögen mit zu den Gründen gehören, warum in den classischen Arbeiten Ehrenberg's gerade die mineralogische Zusammensetzung der von ihm unter- suchten Staube weniger Berücksichtigung erfuhr und warum auch in neuerer Zeit nur vereinzelte Angaben darüber in die Öffentlich- keit gelangten, trotzdem dieWichtigkeit dieser Untersuchungen für die Frage nach der Herkunft der Staube in letzter Zeit von

Untersachimg" eines Meteorstaubes. 83

Lasaulx' und anderen Forschern erkannt und wiederholt hervorgehoben wnrde.

Das Interesse, welches sich an alle Vorgänge knüpft, welche auf den zeitweiligen Wechsel in der Zusammensetzung unserer Atmosphäre Einfluss nehmen, \vird die nachfolgenden ausführ- licheren ^littheilungen rechtfertigen, welche bestimmt sind, einen Beitrag zu liefern zur Kenntniss einer gewissen abnormen Beschaffenheit der Atmosphäre.

Wenngleich Schlüsse allgemeinerer Natur, wie namentlich betreffs der Herkunft ähnlicher Staube, aus einer Einzel- untersuchung, gleich der vorliegenden, nur in beschränktem Masse möglich und erst von der Durchführung ähnlicher Unter- suchungen und Yergieichung einer grösseren Anzahl, unter den verschiedensten Umständen namentlich am selben Orte gefallenen Staube zu erwarten sind, so waren doch die hierbei erlangten Resultate, wie sich zeigen wird, schon an und für sich recht inter- essant und bemerkenswerth.

Es wird vortheilhaft sein, eine Zusammenstellung der in dem vorliegenden Staube aufgefundenen Gemengtheile voran- zustellen, die Gründe, auf welche die einzelnen Bestimmun- gen sich stützen, sowie detaillirtere Angaben über den Gang der Untersuchung nachfolgen zu lassen, mit einem kurzen Vergleiche analoger Staubfunde und einigen allgemeinen Betrach- tungen die Mittheilung zu schliessen.

I. Übersicht der im Staube enthaltenen Mineralbestandtheile und Organismenreste,

Die untersuchten Staubproben bestehen zum weitaus über- wiegenden Theile aus Partikeln mineralischer Natur. Davon waren mit Sicherheit zu bestimmen:

1. Farblose und schwach grünlich gefärbte Kryställchen (Rhomboeder), Krystallfragmente und Körner von Carbonaten. welche nach dem verschiedenartigen Verhalten gegen Säuren nur theilweise dem Calcit, theilweise hingegen einem eisenhaltigen Dolomit und Magnesit zuzurechnen sein dürften.

1 Tschermak. Mineralog. und peti-ogr. Mittheil. Bd. III, 1881.

6*

84 Schuster,

2. Dazwischen gestreute farblose, bis weisse Körner, selten Nadeln, von Apatit.

3. Farblose Splitter und Körner von Kieselsäure; theils mehr oder weniger lebhaft polarisirende Quarzsubstanz (manchmal Fltissigkeitseinschlüsse, bisweilen ähnlich dem Aggre- gatquarze granitischer Gesteine undulöse Auslöschung zeigend), theils isotrope Opal Substanz.

4. Weisse bis graue, meist getrübte Feldspathpartikel ohne Zwillingsstreifung (Orthoklas), öfters entsprechend der Spalt- barkeit mit gradlinigen Conturen versehen.

5. Bald lichter bald dunkler braun gefärbte, zuweilen wie braunes Glas aussehende, gelb- bis röthlich- und dunkelbraun pleochroitische Blättchen und Fetzen eines einaxigen Glimmers, welcher als Biotit bestimmt wurde; daneben scheint ein stets heller gefärbter Phlogopit* gleichfalls vorhanden zu sein.

6. Weisser Glimmer und daneben wahrscheinlich auch Talk und Kaolin.

7. Blaugrüne Ohio ritt ä fei chen, schwach dichroitisch.

8. GelblichgrUner Augit in Fragmenten grösserer Indi- viduen und vollständig ausgebildeten Mikrolithen, die zum Theile Zwillingsverwachsung zeigen.

9. Bräunliche Spaltungsblättchen von Hornblende, selten nachweisbar; blassgefärbte Hornblendefragmente erscheinen zweifelhaft.

10. Reichlich linden sich dazwischen allenthalben durch Eisenhydroxyd gefärbte, bräunlich gelbe Partikel von krUmlicher Thonsubstanz.

11. Besonders charakteristisch erscheinen gelbliche zum Theile röthlich gefleckte Rutilnädelchen, mitunter in den bekannten herz- und knieförmigen Zwillingen, Anataspyra- miden und scharfe Zirkoukry stall chen, sowie vereinzelte T u r m a 1 i nnä d e 1 ch e n.

12. Als wahrscheinlich, aber nicht unzweifelhaft vorhanden, sind Granat-, Titanit-, Epidotkörner, Spinellpartikel und Spinellkrystalle anzusehen.

1 Mit jjrrüsscri'm AxeiiwiukL^l.

Untersuchung eines Meteorstaubes. 85

13. Ausserdem wurde Pyrit (sehr vereinzelt) und Magnetit (häufiger), letzterer zum Theile in deutlichen Octaederu und auch complicirteren Combinationen erkannt, endlich Magnetkies. Plagioklas, Olivin etc. waren nicht nachweisbar.

Unter den genannten Mineralbestandtheilen machen die Carbonate, die Glimmerarten, der Quarz und die Thonpartikel die Hauptmasse aus.

Metallisches Eisen war auf keinem Wege nachweisbar.

Sowie nach dem Gesagten über den entschieden terrestrischen Ursprung des Staubmateriales kein Zweifel bestehen kann, so scheint andererseits dieses Material selbst darauf hinzudeuten, dass es zum Theile Kalk- oder Dolomitbergen, zum Theile einem altkrystallinischeu Gebiete entstammt.

Gegenüber den Mineralpartikeln treten die organisirten Gebilde, rcspective die Partikel organischen Ursprunges an Menge bedeutend zurück.

Kohlige Substanz ist in minimaler Menge vorhanden; gering ist auch die Menge jener Substanz vegetabilischer Natur, welche in der Hitze bei Behandlung mit Schwefelsäure zur Verkohlung gebracht wird.

Ein Theil ist auf Pilzsporen und ähnliche Fructifi- cationsorgane^ zurückzuführen, ein Theil auf Pflanzen- fasern und Pflanzenhaare; Conferven und Algenfäden sind nicht mit Sicherheit zu bestimmen.

Ausserdem sind kieselschalige, verkieselte undkalk- sc haiige Organismenreste in ziemlicher Menge vorhanden.

Namentlich sind es Diatomeenpanzer, theils einzeln, theils paarweise verbunden, theils in Fragmenten, welche unter dem Mikroskope sofort in die Augen fallen.

Manche dieser Gebilde sind recht wohl erhalten und würden vielleicht eine eingehendere Würdigung und Beachtung von berufener Seite verdienen. Ich muss mich auf die folgenden Bemerkungen beschränken, welche zu einer allgemeinen Orien- tirung über die Formen, die im Staube enthalten sind, wohl hin- reichen werden.

Es lässt sich behaupten, dass die besprocheneu Organismen- reste mit den in dem citirten Werke Ehrenbergs „Über Passat-

1 Welche in Wasser zum Theile zur Keimung gebracht werden konnten.

86 Schuster,

Staub uud Bliitregen" (Berlin 1849) aufgezählteu und abgebil- deten Formen derart übereinstimmen, dass alle die grösseren, wichtigeren Gattungen hier ihre Vertreter finden.

Einige davon sind mit gewissen Gallionella- und Dlscoplea- Arten sowie „Lithostylidien", welch' letztere allerdings in jener Schrift noch sehr verschiedenartige Gebilde zu vereinigen scheinen, direct zu identificiren.

Viele sehen den dort unter den Namen Synedra, Navicula, Pimmlaria, Lifhasiei-iscns, Coscinodiscns, Fragilaria, Eunotia, dann den als Rotalia und Textilaria aufgezählten Formen mindestens selir ähnlich.

Auch Spofifjolidiis und Jw/^;/t/V//sn/s (wiewohl selten) scheinen nicht zu fehlen.

Das Gesagte, sowie die beifolgenden zwei Tafeln werden genügen, die Mannigfaltigkeit der beobachteten Formen zu illustriren. Herr Dr. Molisch, welcher so freundlich war, gleich- falls eine Probe des besprochenen Staubes unter dem Mikroskope zu besichtigen und auf die darin enthalteneu Pflanzentheile zu untersuchen, hob namentlich die verhältnissmässige Häufigkeit der Diatomeenreste hervor und konnte überdies nicht nur Pflanzenhaar- und Gewebefragmente, sondern auch Innenhäute von Parenchymzellen, d. i. jene, den Innern Raum von Zellen auskleidenden Schichten der Zellmembranen, welche bekannt- lich gegen Säuren und Fäulnis sehr widerstandsfähig sind, mit Sicherheit erkennen.

Der Umstand, dass einzelne davon bereits verkieselt sind, bestimmt ihn, im Vereine mit dem Vorhandensein der Diatomeen, zu der Ansicht, dass dieser Staub von einem Orte herrührt, der einmal oder vielleicht periodisch mit Wasser bedeckt war; man hätte sich also etwa zu denken, dass die ins Wasser fallenden Pflanzentheile sammt den Diatomeen in den Schlammabsatz geriethen, dort verwesten und nur die ausserordentlich wider- standsfähige Innenhaut gewisser Zellen dabei erhalten blieb, welche nachträglich sogar verkieselte.

Gleich an dieser Stelle möchte ich bemerken, dass V er kiese hing und Vererzung sich noch auf eine Reihe anderer Staubbestandtheile erstrecken dürfte.

Untersuchimg- eines Meteorstnubes. 87

Dies gilt hauptsächlich von den in ziemlicher Häufigkeit und wechselnder Grösse darin vorkommenden, theils gelblichen, theils röthlichcu, braunen bis blauschwarzen Kiigelchen, welche im Allgemeinen grosse Ähnlichkeit mit Pollenzellen und Sporen zeigen, aber nicht nur vegetabilischen, sondern auch thierischen und selbst mineralischen Ursprungs sein könnten.

Von diesen in vielfacher Hinsicht räthselhafteu Gebilden wird später nochmals die Rede sein.

IL Detailbemerkuiigen, betreffend die einzelnen Staubbestand-

theile, den Gang ihrer Untersuchung und Bestimmung.

Von den mir zur Verfügung gestellten ^/^^ Grm. Substanz wurde etwa die Hälfte, also eine gute Messerspitze voll, in viele kleine Portionen getheilt, zu den nachfolgenden Versuchen ver- wendet.

Ein Tlieil vnirde in unverändertem Zustande in Wasser oder in Cauadabalsam gelegt und unter dem Deckgläschen mikro- skopisch untersucht, ein anderer vor dem Löthrohr und in den verschiedenen Perlen geprüft, ein dritter über dem Platinblech oder im. Kölbchen geglüht, oder endlich mit einer Anzahl Säuren behandelt und hierauf in angegriffenem, geglühtem oder un- geglülitem Zustande unter dem Mikroskope betrachtet.

Ein Tlieil wurde schliesslich mit kohlensaurem Natron oder mit Flusssäure aufgeschlossen und die Lösung mit einer Reihe von Reagentieu behandelt.

Aus dem Verbleiben und Verschwinden und den Verän- derungen, welche die einzelnen Bestandtheile unter diesen Umständen wahrnehmen Hessen, wurde auf ihr Wesen und ihren Charakter geschlossen.

Das Pulver zeigt, in grösserer Menge betrachtet, für sich eine gelblichbraune, ziemlich lichte, kaum einen Stich ins Rothe besitzende Farbe.

Wenn man eine Probe davon auf einen Objectträger legt, und denselben vom Rande her erschüttert, so ballt sich ein Theil zusammen; doch ist ein wesentlicher Unterschied zwischen den zerstreut liegenden Partikeln und den zusammengehäuften Partien nicht zu constatireu, nur dass die letzteren an Thon- partikeln und Glimmerblättehen etwas angereichert erscheinen.

88 Schuster,

Mit Wasser mischt sich das Pulver uach einigem Wider- streben; ein Theil sinkt nach dem Schütteln des Gläschens in demselben zu Boden, ein Theil, welcher ausser den wirklich specifisch leichteren die kleinsten Partikel, ohne Unterschied der Substanz enthält, schwimmt oben oder erhält sich schwebend.

Das Wasser hinterlässt beimVerdunsten keine Chlornatrium- würfel, überhaupt keinen krystallinen Rückstand.

Ein eigenthümlicher, penetranter Geruch ist weder un- mittelbar, noch beim Erhitzen des Pulvers im Kölbchen wahr- zunehmen; nur beim Anhauchen entwickelt sich ein entschiedener Thongeruch.

Beim Erhitzen in Kölbchen entweicht eine ganz geringe Menge Wassers,

Unter dem Mikroskope für sich betrachtet, lassen die ein- zelnen Partikel sich nur schlecht von einander unterscheiden.

Mau erkennt an den überaus dunklen Conturen, dass viele davon stark lichtbrechend sind; aus dem gleichen Grunde ist die Färbung derselben nur undeutlich v^ahrnehmbar.

Man bemerkt, dass die eckige Form der Partikel vorherrscht, dass die flachen Blättchen gleichzeitig meist gerundet erseheinen, Kryställchen mit scharfen geraden Umrissen eine Seltenheit sind, andererseits fadenförmige Gebilde, Splitter, Lappen und Kügelchen gleichfalls in weit geringerer Zahl auftreten.

Zugleich sieht man schon bei dieser Gelegenheit, dass die Färbung eine ziemlich bunte ist.

Neben vorherrschenden gelbbraunen, lichtgelben und grün- lich gefärbten treten weisse und trübgraue Elemente nur undeut- lich, dunkelbraune und rothgelbe bis schwarze, zuweilen metallisch glänzende hingegen besser hervor.

Bereits beim Einlegen in Wasser kommt eine weit grössere Anzahl von farblosen und weissen Bestandtheilen (bis zu winzigster Kleinheit herabsinkend) zum Vorschein und die Farbenunterschiede treten jetzt, besonders aber nach dem Einbetten der Probe in Canadabalsam viel deutlicher hervor; auch die Unterschiede in dem Lichtbrechungsvermögen der einzelnen Partikel sind viel besser wahrnehmbar; jetzt erst erkennt man , welche grosse Menge lebhaft polarisirender

Uutersnchiuig- eines Meteorstaubes. 89

Körnchen vorliegt sobald man zwischen gekreuzten Nicols beobachtet und die verhältnismässig grosse Häufigkeit der Diatomeenreste.

Was die Grössenverhältnisse der Bestandtheile betrifft, so genügen w^ohl die folgenden Daten, um über die Grenzen, innerhalb deren sich dieselben in der Regel bewegen, Aufschluss zu geben.

Als mittlere Grösse der mineralischen Partikel sind etwa 0-027 Mm. zu bezeichnen. Rhomboederchen mit anhaftenden Thonpartikeln oder organischer Substanz erreichen sehr häufig eine Grösse von 0-0324 Mm. (Länge und Breite) und darüber, sinken aber andererseits zu submikroskopischer Kleinheit herab. Die kleinsten individualisirten Partikel, Kügelchen und Scheibchen darstellend, sind oft nicht grösser als 0-009 Mm. in Länge und Breite und gehen ebenso oft noch darunter hinab. Ein Turmalin- nädelchen besass 0-0324 Mm. Länge 0-0050 Mm. Breite.

Nur ausnahmsweise finden sich zwischen den genannten auch Partikel von grösseren Dimensionen; namentlich gilt dies von den fadenförmigen organisirten Gebilden, den Haaren etc., die makroskopische Dimensionen annehmen und andererseits von den Blättchen, die bisweilen eine grössere Flächenausdehuung erlangen, wie beispielsweise 0-135 Mm. in der einen und 0-0864 Mm. in der zweiten Richtung.

Der Umstand, dass, wie erwähnt, gewisse Gemeugtheile, so die Carbonate, in sehr wechselnden Grössenverhältnissen sich vorfinden, vielfach die anderen (z. B. Thonpartikel und Kügelchen) umschliessen, oder einen verschieden gefärbten Kern besitzen, der den Umriss wiederholt, und auch in winzigsten Körnchen bisweilen vollkommene Krystallform erkennen lassen, die übrigen hingegen, so namentlich die Glimmerblättchen in der Regel nur bis zu einer gewissen Kleinheit herabgeben, während sie nach oben hin weitere Grenzen besitzen, scheint immerhin auf einen Unterschied in ihrer Entstehungsweise hinzudeuten; während die letzteren zweifellos nur aus Fragmenten bestehen, wäre es möglich, dass die ersteren, wenigstens theilweise, an Ort und Stelle (vielleicht in der Atmosphäre, aus den mitgewehten Wassertröpfehen) gebildet oder regenerirt wurden.

90 S c h u s t e r ,

Was die Meiig'enverbältiii>sse der einzelnen Gemeng- theile betrifft, so sei hier bemerkt^ dass dieselben, wie dies bereits in der I'bersiclit geschab, sieb nur in allgemeinen Ausdrücken angeben lassen, indem der Staub, trotz seiner Feinheit, wider alles Erwarten doch keine gleichförmige Mischung darstellt, sondern in verschiedenen Proben bald der eine, bald der andere der vorherrschenden Gemcngtheile in grösserer Menge erscheint. Dies ist auch der Grund, warum ich zur Ansicht gelangte, dass die quantitative chemische Analyse eines solchen Staubes nur dann, wenn grosse Mengen zur Verfügung stehen, von wesent- lichem Nutzen sein könnte, in unserem Falle aber nur einen sehr bedingten Werth gehabt hätte, ein besseres Resultat hingegen von der Durchsicht einer grösseren Anzahl von Proben, zum Zwecke einer beiläufigen Schätzung der relativen Mengenver- hältnisse der einzelnen Gemeugtheile unter dem Mikroskope zu erwarten sei.

Bei dieser Schätzung ergab sich jedoch die weitere Schwierig- keit, dass die verschiedeneu Partikel keineswegs immer unzweifel- hafte Bestimmung zuliessen und in Folge ihrer höchst fragmentaren Beschaffenheit insbesondere brauner Glimmer und braune Horn- blende, zersetzter Glimmer und Thonpartikel nicht in allen Fällen auseinanderzuhalten waren, während die gleichen Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen den Carbonatfragmenten und Augitpartikeln, den Carbonaten und Apatit, und endlich besonders zwischen Quarz und Feldspath sich geltend machen.

Im Grossen und Ganzen dürften die bräunlichen und röth- lichen Elemente (Thonpartikel und durch Eisenhydroxyd gefärbter Quarz >- brauner Glimmer >- Hornblende) die eine Hälfte, die lichtgrünlichen und weissen (Carbonate>- Chlorit :> Augit r> Apatit) ein weiteres Drittel, und farbloser Quarz :> weisser Glimmer>- trüber Feldspath zusammen den Rest ausmachen.

Untersuchung des Pulvers auf trockenem Wege, durch Glühen, Behandeln mit dem Löthrohre etc. Wenn man Proben des Pulvers auf dem Platin bleche glüht, bleibt der grösste Theil desselben nahezu unverändert. Von Verkohlung organischer Substanz ist nur wenig zu bemerken. Das Pulver i^lumpt sich etwas zusammen, fällt aber beim Klopfen

Uiitersuchuiig eines Meteorstaubes. 91

leicht wieder aiiseiuaucler. Die Farbe wird aufaugs etwas dimlder, beim Abkühlen röthlicher als zuvor.

Die meisten Splitter haben dabei ihre Form behalten, auch die Rhomboederchen; doch sind letztere fast alle undurchsichtig, trübe geworden und polarisiren nicht mehr einheitlich oder sie sind amorph geworden und in Pulver zerfallen.

Die Thonpartikel zeigen nun eine sehr auffallende Ähnlich- keit mit dem rothen Thon von Siena. Unter dem Mikroskope sieht man, wie nach anhaltendem Glühen gefritteteThonsubstanz gleich Fäden diejenigen Körner verbindet, welche unverändert geblieben sind. Dahin gehören namentlich Quarz und Feldspath, welche ziemlich schwach polarisiren und neben den gleichfalls unverändert gebliebenen, stark lichtbrechenden Substanzen, wie Rutil, Zirkon nun desto deutlicher hervortreten.

Hie und da fällt ein verkohltes Haar oder etw^as Ahnliches in die Augen.

Der Biotit ist nun noch dunkler geworden und gelber bis brauner Dichroismus sehr deutlich wahrzunehmen in solchen Blättchen, die auf der Schmalseite liegen; luden flach gelegenen, die wie braunes Glas aussehen, konnte mitunter das Axenkreuz einaxiger Krystalle und die negative Doppelbrechung wieder deutlich coustatirt werden, bei blasseren Blättchen ein ziemlicher Axenwinkel, wie bei Phlogopit.

Auch im Köl beben erhitzt, entwickelt das Pulver keinen Rauch.

Beim Erhitzen vor dem Löth röhre lässt sich das Pulver zunächst vollkommener fritten und schmilzt partiell zusammen. Um das feine Pulver nicht zu verlieren und wegzublasen, bevor es zur Frittung kommt, die schon ziemlich hohe Temperatur erfordert, thut man gut, dasselbe in ein dünnes Platinblech einzuschlagen und sammt diesem der Löthrobrflamme auszusetzen, die man auf der etwas geöffneten Seite eindringen lässt.

Bei Anwendung einer Kerzenflamme erhält man dann eine blasige Schlacke, welche noch ungeschmolzene braune und rothe neben den angeschmolzenen grauen (Feldspath) Partikeln und scharfkantigen unveränderten Quarzpartikeln und farbloseu ( Talk) Blättchen enthält.

92 .Schuster,

Wenn mau einen Bimsen 'sehen Brenner benützt und sich des Löthrohres bedient, dann gelingt es zunächst, sämmt- liche gefärbte Partikel vollständig und zuletzt auch die für Quarz in Anspruch genommeneu Splitter grösstentheils zu einem mehr oder weniger klaren Glase aufzulösen.

Wenn man das zwischen dem Platinbleche flach gedrückte Schmelzproduct von Zeit zu Zeit unter dem Mikroskope betrachtet, so kann man die Veränderung und das stufenweise Einschmelzen der Bestandtheile verfolgen und hat so einen Anhaltspunkt für die Beurtheilung ihrer richtigen Bestimmung.

Das Pulver lässt sich auf solche Weise zu einem stellenweise völlig homogenen, grünlichgelben bis bräunlichgelben (in dünnsten Splittern dann farblosen), stellenweise dunkel rothbraunem Glase zusammenschmelzen.

Boraxperlen zeigen keine merkliche Färbung, wohl hauptsächlich desshalb, weil die Verdünnung, in welcher die färbenden Substanzen im Pulver enthalten sind, eine zu grosse ist.

T.Og, obwohl nach dem mikroskopischen Befunde sicher vorhanden, war also auf diesem Wege nicht nachweisbar. Gleiches gilt vom Eisengehalt u. s. w.

Während die P)Oraxperle vollständig klar bleibt, wird die Sodaperle inhomogen; es entsteht zum Theile klares Glas, zum Theile opalisirende Masse. In der Phosphorsalzperle bildet sich ein Kieselskelett und wenig Quarz bleibt übrig.

Untersuchung der mit der Magnetnadel ausgezogenen

Partikel.

Da zu Gunsten der Annahme eines kosmischen Ursprunges derartiger Staubregen in früherer Zeit namentlich das Vorhan- densein metallischer, phosphor- uudnickelhaltigerEisenkügelchen geltend gemacht worden war und später, als in vielen Fällen der vorwiegend terrestrische Ursprung der ersteren fast zweifellos erwiesen war, doch wenigstens für die wiederholt constatirten, ja, wie es heisst, in minimalen Mengen niemals fehlenden Eisen- kügelchen, die Möglichkeit meteorischer Abkunft zugegeben wurde, so schien es geboten, diesem Punkte besondere Aufmerk- samkeit zuzuwenden.

Untersuchung eines Meteorstaubes. 93

Beim Eintauchen der Magnetnadel ins Pulver bedeckte sich deren Spitze jedesmal mit einem ungemein feinen, oft erst unter dem Mikroskope deutlich sichtbaren Bart.

Die Betrachtung- lehrte, dass unter den auf solche Weise ausgezogenen, sowohl metalliscli als nicht metallisch aussehenden, eckigen und runden Partikeln auch zweifellos un magnetische (wie Carbonatfragmente) sich befanden, welche auf rein mecha- nischem Wege mitgerissen wurden und in Folge ihrer Kleinheit durch blosse Adhäsion daran festhingeu.

Es galt also zunächst die letzteren von den wirklich mag- netischen, die sich, sofernesie eine Längsausdehnung besassen, meist schon dadnrch auszeichneten, dass sie mit dieser senkrecht standen zur Oberfläche der Magnetnadel, möglichst zu trennen.

Um dies zu bewerkstelligen, wurde der Bart auf einen Object- träger abgeklopft und die dabei herabgefallenen Partikel zum zweiten Male mit der Magnetnadel aufgenommen.

Da die Adhäsion an der Glasoberfläche der Adhäsion am Magnetstäbcheu entgegenwirkte, so blieben die gänzlich nn- magnetisclien jetzt grösstentheils liegen, und bei neuerlichem Abstreifen fielen fast ausschliesslich solche nieder, denen ein stärkerer oder schwächerer Magnetismus zukommt.

Um über den letzteren Punkt Gewissheit zu erlangen, und zugleich eine weitere Scheidung unter ihnen vorzunehmen, wurde die Spitze der Magnetnadel den fraglichen Partikeln unter dem Mikroskope bloss genähert und beobachtet, ob und auf welche Entfernung hin dieselben auf die Nadel übersprangen.

Stark magnetische Partikel von bedeutenderer Grösse w^aren im Pulver sehr wenig vorhanden und schon nach dem dritten oder vierten Durchstreifen mit der Nadel völlig ausgezogen.

Dieselben waren von schwarzer Farbe und halbmetallischem Aussehen und zeigten bei Behandlung mit Säuren ganz das Verhalten, wie es dem Magnetit zukommt. Zuweilen waren sie mit Eisenrost bedeckt, zuweilen ihre Oberfläche intact, in vereinzelten Fällen ihre Form als verzerrtes oder regelmässiges Oktaeder erkennbar.

Vom Magnetit abgesehen, besassen alle übrigen stark magnetischen Partikel die Form mehr oder weniger vollkommener Küaelchen.

94 S c h u s t e r ,

Diese Kügelcheu waren von dimkler bis schwarzer Farbe ; über ihr metallisches oder nicht metallisches Aussehen Hess sich wegen ihrer Kleinheit in der Regel kein sicheres Urtheil abgeben.

Anl'lö SU ngs versuche, die mit verdünnter und concen- trirter Salzsäure und mit Salpetersäure angestellt wurden, gaben wider Erwarten im Allgemeinen ein negatives Resultat.

Sie wurden von verdünnter Säure meist gar nicht oder sehr langsam oder endlich nur zum Theile gelöst.

Niemals konnte eine ähnliclie Gasentwicklung wahr- genommen werden, wie sie bei Einwirkung von conceutrirter Salzsäure auf metallisches Eisen durch Bildung von Wasserstoff- superoxyd in so charakteristischer Weise hei*vorgerufen wird.

Bisweilen bedeckt sich das betreffende Kügelchen im ersten Momente mit einem Hof von grünlichgelbem Eisenchlorid, was auf Lösung einer oberflächlichen Schichte ebenso wie auf Eisen- gehalt hindeutet der Rest aber blieb unverändert.

Bisweilen hatte dieser Rest seine Kugelgestalt verloren und es traten nun scharfe Ecken und Kanten im Umrisse hervor.

Bisweilen zeigte es sich, dass das Kügelchen nur scheinbar homogen gewesen; beim Auflösen blieben an seiner Stelle ein Aggregat von dunklen Körnern oder ein farbloses Skelet von bestimmter Structur zurück.

Auch das Einlegen der Körnchen in Kupfervitriollösung und in borwolframsaure Gadmiumlösung, welche durch gediegen Eisen bekanntlich zersetzt wird, führte zu keiner Reaction.

Nirgends kam es zum Niederschlage metallischen Kupfers, und nur in einem einzigen Falle habe icli einen blauen Zersetzungs- fleck in der Cadmiumflüssigkeit wahrgenommen, aber nicht an Stelle eines Kügelchens, was eben interessant gewesen wäre, sondern in der Nähe eines Splitters.

Wenn man bedenkt, in welcher Art das Pulver aufgesammelt wurde, so wird man der Gegenwart dieses Eisensplitters, selbst wenn sie als erwiesen angenommen wird, keine Bedeutung beilegen können, da er leicht als secundäre Verunreinigung in den Staub hineingerathen sein könnte.

Die besprochenen Kügelchen sind also aus mehr als einem Grunde interessant und räthselhaft zugleich.

Untersuchung eines Meteorstaiibes. 95

Metallisches Eisen sind sie nicht. Die leicht löslichen unter ihnen könnte man mit Magneteisenerz identiticireu.

Bei den unlöslichen oder schwer löslichen und doch unzweifelhaft magnetischen hätte man entweder an ein Erz, wie Ilmenit zu denken, oder an etwas, was die Widerstands- fähigkeit organischer Substanz und den Magnetismus der Erze in sich vereinigt also au ein vererztes Gebilde oder endlich au eine eisenreiche Glassubstanz.

Zu Gunsten der Vererzung wäre noch anzuführen, dass viele von ihnen bei günstiger Beleuchtung wie von einer dünnen, durchsichtigen glashellen Haut überzogen, bisweilen wie gestielt erschienen, andere bei genauerer Betrachtung keine ebene Oberfläche besassen, sondern mit Auswüchsen bedeckt waren, welche letztere oft gleichfalls rundlich erschienen, und sich bei Einwirkung von Säuren rasch lösten, während die grosse Kugel sich erhielt, dass endlich bei der Auflösung noch anderer that- sächlich ein deutliches mit einer Structnr versehenes Skelet zurückblieb.

Wenn die Möglichkeit einer Vererzung kugelförmiger orga- nisirter Gebilde zugegeben wird, dann würde auch das eventuelle Vorkommen metallischer Eisenkügelchen in Reductionsprocessen, wie sie an sumpfigen Stellen unter Einfluss organischer Substanzen nachweisbar thatsächlich vor sich gehen, ^ die natür- lichste Erklärung finden und braucht ihnen nicht meteorische Abkunft Zugeschrieben zn werden.

Hat ja schon Renard' hervorgehoben, wie wichtig es für die Annahme kosmischen Ursprunges solcher Eisenkügelchen ist, dieselben in ähnlicher Gesellschaft zu finden, wie in den unzwei- felhaften Meteorsteinen, was hier ganz und gar nicht der Fall wäre.

Es ist übrigens kein Zweifel, dass die Kugel eben von sehr verschiedener Natur sind. Ausser den bereits ange- führten gehört hierher noch die Thatsache, dass sie sich keines-

1 Siehe zu diesem Punkte Lasaulx: „Über sog. kosmischen Staub".

- A. F. Eenard und John Murray: Les caraeteres microscopiques des ceudres volcaniques et des poussieres cosmiques et leur röle dans les Sediments de mer profonde. Bull, du Musee Roy. d' hist. nat. d. Belgique. Tome III, 1884.

96 .Schuster.

weg's alle im gleichen Grade magnetisch erweisen, dass von den immagnetischen durch die schwach magnetischen zu den stark magnetischen ein förmlicher Übergang existirt, dem ein analoger in der Färbung entspricht, vom Gelbroth zum Braunroth, Braun, Bläulich und Schwarz, wobei den letzteren der stärkste Magnetismus zukommt.

Von den rothen und braunen Kügelchen, welche keineswegs immer amorph, sieh zuweilen (bei günstiger Beleuchtung) mit äusserst feinen dreiseitigen Facetten von Krystallflächen bedeckt zeigten, die allerdings auf kein Octaeder, sondern auf eine com- plicirte Combination hinzudeuten schienen (daher die Kugelform), wäre ich geneigt, einige für Spinell oder ein ähnliches Mineral zu halten; sie liegen bisweilen mitten in thonig zersetzten Silikatresten. ^

Zu bemerken ist endlich, dass unter den schwach magnetischen Partikeln auch Augitfragmeute und ein bronzefarbiges Mineral, vielleicht Magnetkies (als Seltenheit), sich vorfanden.

Unter den kugelförmigen Gebilden wurden endlich nieren- förmig bis traubig vereinigte Aggregate gefunden, die im auffal- lenden Lichte die grünlichgelbe Farbe des Markasites besassen.

U n t e ]• s u c h u n g des Pulvers auf nassem Wege.

Behandlung mit Säuren.

Ätzung' mit Salzsäure.

Bei Zugabe einiger Tropfen von verdünnter Salzsäure fand ein (offenbar je nach der zufälligen Mischung des Pulvers) bald schwächeres, bald stärkeres Aufbrausen statt; bisweilen war ein solches kaum wahrnehmbar.

Bei Anwendung concentrirter Säure und beim Erwärmen erneuerte sich das Aufbrausen nochmals.

Gänzlich verschwunden waren, soweit sich coustatiren liess, nach dieser Operation nur die Carbonate, gewisse Erz- und die als Apatit angesprochenen Partikel; die übrigen Bestandtheile erschienen in 'höherem oder geringerem Grade verändert, viele gänzlich unangegriffen.

1 Ztisammeiiliaiig der kugelförmigen magnetischen Partikel mit Qnarz- und Thonpartikeln ist überhaupt mehrfach zu beobachten gewesen.

Untersuchung- eines Meteorstaubes. 97

Die durch Eiseuchlorid gelblich gefärbte Lösung- ergab in einem Falle direct, ohne Zuthiin von Schwefelsäure beim Ver- dunsten vereinzelte Gypskrystalle. Dies könnte damit in Zusam- menhang gebracht werden, dass ein schwefelhaltiger Bestand- theil in der Weise zersetzt wurde, dass freie Schwefelsäure entstand.^ Gleichzeitig erscheint dadurch bereits die Gegenwart von Ca signalisirt.

Bei Zugabe von Schwefelsäure erfolgte in der That massen- hafte Ausscheidung von Kalksulfat in der charakteristischen Krystallform und den verschiedensten Zwillingsgestalten des Gypses.

Die Lösung enthielt ausserdem Phosphorsäure und Magnesia, von denen die erstere durch molybdänsaures Ammon, die letztere durch Chlorammonium, Ammoniak und Phosphorsalz nachgewiesen wurde.

Der Gehalt an Phosphorsäure ist hier wohl grösstentheils dem verschwundenen Apatit zuzuschreiben, keinesfalls aber den nicht nachweisbaren, und wenn überhaupt, so nur in minimalster Menge vorhandenen Eisenkügelchen ; die Magnesia möchte ich in diesem Falle weniger auf den Magnesiaglimmer, als auf ein Carbonat beziehen.

So auch das Eisen, das zum Theile wohl von aufgelösten Erzpartikeln herrührt und das durch Ferrocyankalium und Rhodankalium direct nachgewiesen wurde.

Die mikroskopische Analyse des Rückstandes der -Lösung gab folgende Resultate.

Wie schon das verschiedenartige Aufbrausen lehrte, liegen Carbonate von verschiedener Löslichkeit vor.

Bei schwächerer Atzung waren nur die farblosen Rhom- boederchen gänzlich verschwunden, die blassbläulich und grün- lich gefärbten zurückgeblieben, aber in sehr verschiedenem Erhaltungszustande.

Einige hatten die Rhomboederform noch scharf beibehalten, andere waren vielfach gerundet.

^ Unter den oben aufgeführten Bestandtheilen kommt, abgesehen von der organischen Substanz, nur dem Pyiit und Magnetkies Schwefelgehalt zu. Die Salzsäure war vollkommen rein.

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XC'III. Bd. I. Abth. <

98 S c h 11 s t e Y ,

kSolange bloss auf dem Objectglas operivt und das Pulver i'iiifacli mit concentrirter Salzsäure überg-ossen und eintrocknen gelassen oder selbst vorübergehend erwärmt wurde, fanden sich im Rückstande immer noch solche Krystalle; erst bei wieder- holter läng'erer Digestion unter gleichzeitiger Erwärmung im Platinlöffelchen waren sie sämmtlich verschwuuden.

Die unmittelbar vorstehenden und vorausgegangenen Bemer- kungen mögen die Bestimmung der vorliegenden Carbonate als Calcit, eisenhaltigen Dolomit und Magnesit rechtfertigen.

Von den gefärbten Partikeln erschienen die Thonpartikel nicht merklich verändert, im Ganzen nur etwas blasser gefärbt; von den bräunlichen Blättchen (Glimmer) waren etliche etwas krümlich zersetzt und gelblich gefärbt, die meisten aber intact geblieben, einige zeigten deutlichen Dichroismus zwischen gelb und rotlibraun.

Hornblende, Turmalin und Augitpartikel zeigten kaum eine Veränderung, auch biäulichgrüne auseinander gebogene, unzersetzt gebliebene Chlorittafeln fehlten nicht.

Daneben waren nun freilich auch grünliche, wie aus winzigen Nädelchen zusammengesetzte Faseraggregate, vielleicht halb- zersetzte, chloritische Substanzen zu beobachten und auch etwas gallertige Substanz (Kieselsäure) hatte sich abgeschieden.

Der grünlich-gelbe Augit wurde namentlich in Form von mikrolithischen Kry ställchen mit 31 36° Auslöschungsschiefe nachgewiesen, die bisweilen zwillingsartig verwachsen waren.

(Man beachte und sehe dazu und zum Folgenden auf die Tafeln und Tafelerklärung).

Unter den ungefärbten Partikeln fanden sich ferner lichter Glimmer und stark lichtbrechende Substanzen wie typischer Zirkon (bisweilen in rhomboederähnlicher Gestalt) und Rutil in herzförmigen Zwillingen, bei denen die gegenseitige Nei- gung der Hauptaxen zu 59° gemessen wurde; letztere Substanzen waren jetzt häufiger und besser zu beobachten als früher.

Schwächer lichtbrechende ungefärbte Splitter (Quarz und Feldspath) waren gleichfalls unverändert geblieben.

Quarz war vom Feldspath nicht in jedem einzelnen Falle zu unterscheiden, da die Quarzsplitter hier meist so klein sind, dass sie gleich den Quarzen in einer Porphyrgrundmasse ähnlich

Uiitersucluuig- eines Meteorstaubes. 99

polarisiren wie der Feldspath selbst imd eine Untersucbimg- im convergenten polarisirteu Lichte kein gutes Eesultat gibt.

Da aber die grösseren, durch ihre Structur und ihre optischen Eigenschaften (Spaltrisse und Auslöschungsschiefe) sich als Orthoklas characterisirenden Fragmente stets gleichzeitig trüb und fasrig gefunden wurden, während von den durch Flüssigkeitseinschlüsse (auch mit spontan beweglicher Libelle), durch lebhafte Polarisationsfarben und splittriges Aiissebeu gekennzeichneten grösseren Quarzscherben das Gegentheil galt, so waren wohl auch von den kleineren Körnchen die wasser- klareu vorzugsweise dem Quarz, die trüben hauptsächlich dem Feldspath zuzurechnen.

Isotrope glashelle Partikel der verschiedensten Form, ähnlich gewissen Spongiennadelu, sowie den unter den Namen Lithostylidium und Lithostomatium, Spongilithis etc. 1. c. von Ehreuberg aufgezählten Gebilden fehlten ebenso wenig als die unterschiedlichen Diatomeenpanzer, die im Gegentheile, von färbenden Substanzen gereinigt, jetzt besser sichtbar waren, als sonst.

Auch schwarze Partikel wurden wieder l)emerkt.

Viele von den früher vorhandenen Kügelchen und Scheibchen waren auch nach der Behandlung mit der Säure wieder zu finden ; eine Anzahl derselben hatte die Farbe verloren und solche, die früher Aggregatpolarisation gezeigt hatten, zeigten sie jetzt nicht mehr; vielleicht, dass diese theil weise verkalkt oder schon ursprünglich kalkiger Natur gewesen waren.

Unter den Kügelchen fielen nur einige, scheinbar ganz voll- kommene, metallisch aussehende, besonders auf, weil sie wie mit einer glashellen, sehr dünnen Haut umgeben und mit schlauch- förmigen Gebilden in Verbindung waren.

Die organischen Substanzen selbst waren kaum angegriffen.

Erwähnenswerth ist der Umstand, dass Proben des zuvor mit Salzsäure behandelten Pulvers nach dem Glühen viel mehr verkohlte Partikel zu enthalten schienen, als beim directen Glühen der Substanz für gewöhnlich beobachtet wurden.

Schwach geglühtes Pulver, nachher mit verdünnter Salzsäure behandelt, zeigte anfangs kein Aufbrausen, dagegen an ver-

100 Schuster.

schiedeneu Stelleu sofortige Gelbfärbung- durch Eisenchlorid; Aufbrausen stellte sich jedoch ein bei erneuter Zugabe von concentrirter Salzsäure.

Ätzung durch Salpetersäure.

Der Erfolg war im Ganzen ein ähnlicher, wie im vorigen Falle, die Wirkung im Allgemeinen kräftiger, namentlich gegen- über den im Staube enthaltenen organischen Bestandtheilen, indem der grösste Theil dessen, was organischen Ursprunges war, nunmehr entfernt oder zerstört schien.

Während des langsamen Abdampfen« von verdünnter Salpetersäure nahm das eingestreute Pulver eine autfallend roth- bräunliche Farbe an. In der partiellen Salpetersäuren Lösuug wurden wieder Fe, Ca in zienüicher Menge, Mg und P (noch deutlicher als früher) nachgewiesen.

Unter den zurückgebliebenen eckigen Partikeln hebe ich hier hervor schwärzlich bis grünlichbraun und gelbbraun durch- scheinende dichroitische, theils unangegriffene, theils etwas gebleichte Fragmente, von denen erstere auf Hornblende und Phlogopit, letztere auf Biotit bezogen wurden, ferner grünliche bis farblose, breitere und auch schmälere prismatische Krystall- fragmente, von denen einige sehr grosse Auslöschungsschiefe (gegen 37°), andere wiederholt circa 12° besassen, wesshalb die ersteren mit Augit, die letzteren mit Spaltungsstücken einer zweiten, lichteren Hornblende identificirt wurden; von Quarz- körnern, Feldspathbruchstücken mit Spaltflächenbegrenzung, Thonpartikelu gilt dasselbe wie im vorigen Falle, ebenso von den unverändert gebliebenen Blättchen weissen Glimmers und Talkes.

In Betreff der rundlichen Partikel ist zu erwähnen, dass eine Anzahl rother sowohl, als schwarzer Kügelcheu wieder unver- ändert sich erhielten, ausserdem aber solche von gelblicher Farbe (in traubiger x^ggregation) bemerkt wurden.

Während erstere durch Glühen nicht entfernt wurden, waren letztere in der geglühten Probe des mit Salpetersäure bebandelten Pulvers spurlos verschwunden.

Es sind auch sonst noch Anhaltspunkte geboten für die Ansicht, dass dieselben von' Schwefelkies herrührten, welcher in der Sal- petersäure unter Abscheidung von Schwefel gelöst worden war.

Uutersuclumg eines Meteorst;iubes. 101

Hinsichtlich der Natur der erstgenannten Kligelchen ist folgende Beobachtung von Wichtigkeit, welche zugleich zeigt, dass manche davon nur scheinbare Kugelform besitzen.

Eine grössere schwarzbraune Kugel zeigte sich bei günstiger Beleuchtung im auffallenden Lichte bei starker Vergrösserung von einer Unzahl Krystallfacetteu bedeckt, welche einen aus- geprägt tesseralen Charakter trugen und sofort an eine reich- haltige Spinell- oder Granatcombination erinnerten, etwa mit Leucitoeder-, Rhombendodekaeder-, Würfelflächen, aber auch Oktaederflächen.

Da letztere nicht zu fehlen schienen, so wäre ich geneigt, in diesem speciellen Falle eher an einen Spinell (Pleonast zum Beispiele, von dem so reiche Combinationen längst bekannt sind) als an einen Granat zu denken.

Typischer Zirkon und auch Anatas wurden wiederbemerkt.

Das mit Salpetersäure behandelte Pulver nahm nach ein- stündigem Glühen eine viel röthere Farbe an als sonst, und zwar waren namentlich die jetzt viel deutlicher hervortretenden Thon- partikel, sowie die bräunlichen Hornbleudefragmente nun roth- braun geworden.

Unter den Kügelchen waren viele, die im auffallenden Lichte dunkelroth, im durchgehenden vollkommen schwarz erschienen. Auch Partikel von ähnlicher Färbung, aber polygonalem (bisweilen hexagonaiem) Umriss wurden beobachtet.

Die früher nur im polarisirten Lichte unterscheidbareu, schwächer lichtbrechenden, farblosen Partikel erschienen nun mit dunklen Pünktchen wie bestreut, wodurch ihre Umrisse sich viel deutlicher vom Untergründe abhoben.

ÄtzuMg durch Schwefelsäure.

Proben des Pulvers, mit Schwefelsäure erhitzt, wurden vor- übergehend schwarz.

Die Schwärze (herrührend von organischer Substanz) liess sich über offener Flamme leicht verjagen, das zurückgebliebene Pulver war röthlichbraun, enthielt wohl keine organische Substanz mehr, aber noch immer Partikel organischen Ursprunges. Der Biotit war sehr stark gebleicht (und bei Anwendung von concentrirter Säure und nach längerem Kochen) vollständig

102 Schuster,

entfernt worden, respective ein blosses Kieselskelett zurück- geblieben. Darin schienen jetzt mikrolitbisclie Einschlüsse her- vorzutreten, die im Aussehen unter anderem mit Rutil und Augit- nadeln übereinstimmten. Der bläulichgrüne Chlorit war gänzlich verschwunden.

Dagegen lehrt auch diesmal die Beobachtung, dass zweierlei braun gefärbte Glimmer, von verschiedener Widerstandsfähigkeit gegen die Säure neben einander vorhanden seien. Die Thon- partikel zeigen deutliche Spuren von Zersetzung, gallertige Substanz ist reichlicher zu bemerken als in den früheren Fällen.

Zirkon erscheint bei schwacher Atzung auf dem Objectträger gerundet, bei stärkerer ist er verschwunden; der Rutil aber zurückgeblieben, ebenso der Anatas.

Die jetzt durch Zusammenschmelzen des Pulvers gebildete Schlacke war von der direct erhaltenen nicht sehr verschieden.

Aus der schwefelsauren Lösung schieden sich beim Ver- dunsten reichliche Gypskrystalle aus.

Das zuerst geglühte, dann mit Schwefelsäure behandelte Pulver zeigte in vieler Hinsicht eine auffallende Ähnlichkeit mit gewissen rothen Thonen von Siena, namentlich durch den Reich- thum an krümlichen bräunlich-gelben, im auifallenden Lichte orange- bis ziegelrothen, Partikeln und Kügelchen.

Diatomeen und ähnliche Gebilde entschieden organischen Ursprunges enthielten bisweilen rothe Massen von kugelicher Gestalt, die wie zusammengesintert aussehen. Vollkommen scharfe, blasse Kugeln erschienen andererseits augefüllt mit krümlichcm Inhalt.

Wie im vorigen Falle ist theilw^eise Zersetzung der Silicate und Abscheidung von Kieselsäure eingetreten, Bemerkenswerth ist das häufigere Hervortreten von Augitmikrolithen (zum Theile in Zwillingen), wie man sie in Glimmer zuweilen eingeschlossen findet, von Anatas- und Spinellkrystallen und Körnern, letztere bisweilen von bläulichschwarzer Farbe und splittrigeni Aussehen.

Beh.an(lluug mit Flusssäure.

Das Pulver wurde auf einem mit Canadabalsam überzogenen Objectglase mit Flusssänre wiederholt befeuchtet.

Unter SU chuii.g' eines Meteorstaubes. 103

Nach einem Tage hatten sich reichlich spiessige Kiystalle von Kieselfluorcalcium, Oktaeder und Würfel von Kieselfluorkalinm und viele Rhomboeder von Kieselfluormagnesium abgeschieden. In kriimlicher Form erschien Kieselfluoraluminium. Natrium, wahrscheinlich in geringer Menge gleichfalls vorhanden, konnte nicht unzweifelhaft erkannt werden.

Aufschliessiing durch Flusssäure unter Zusatz von Schwefelsäure wurde im Platinschälchen vorgenommen.

Bei unvollkommener Aufschliessung fanden sich im Eück- stand ausser Fasern organischer Natur, verkohlten Substanzen, noch Splitter, die wie Glas- oder Quarzscherbeu aussehen und stark lichtbrechende Substanzen wie Anatas, Zirkon und Rutil und endlich Spinellkörnchen.

Zur vollständigen Aufschliessung wurden Proben des Pulvers wiederholt mit Flusssäure übergössen und jedesmal laugsam zur Trockene eingedampft, dann mehrmals verdünnte Schwefelsäure zugegeben und diese immer wieder, zuletzt aber nur unvollständig abgeraucht.

Bei Zusatz von Schwefelsäure in der Hitze trat etwas Ver- kohlung ein.

Es wurde der Zusatz von Schwefelsäure fortgesetzt, bis eine weitere Schwärzung nicht stattfand.

Die kohligen und flüchtigen Substanzen, welche zunächst an den oberen Rand des PlatinlöfPelchens überdestillirten, wurden schliesslich über offener Flamme vollkommen verjagt.

Der Rückstand war diesmal fast Null, Ausgenommen ein Turmalinsäulcheu, vereinzelte Rutilnädelchen (knieförmige Zwil- linge) und Spinell waren nur Gypskrystalle, schief auslöschend mit rhomboidischen Umrissen, und gerade auslöscheudeNädelchen rhombischer Sulfate in der eintrocknenden Lösung zu beobachten.

Bei Zugabe von HCl entstanden an Stelle der sich trübenden Gypskrystalle büschelige Nadelaggregate von Anhydrit.

In der klaren Lösung, welche nach der Aufschliessung erhalten worden war, wurde durch Chlorammonium, Ammoniak und Phosphorsalz reichlich Magnesia, sowie K durch Platin- chlorid in der Form von Würfeln mit Rhombendodekaedern und Oktaedern und selbständigen Oktaedern nachgewiesen. Der Versuch Na nachzuweisen, blieb ohne Erfol«:.

104 Schuster,

Die .Schmelze des Pulvers wurde von Kieselfluor- wasserstoffsüure nur tlieihveise ang-egriffeu. Am zahlreicbsteu entstanden diesmal regelmässige und verzerrte, ziemlicli grosse Ebomboeder der Magnesium Verbindung, daneben aber auch wieder die eigentbümlicb weekenartigen Formen der Calci um- und die scharfen und regelmässigen der Kalium Verbindung, Kräftiger war die gleichzeitige Einwirkung von Flusssäure und Kieselfluorwasserstoffsäure, das Endresultat aber im Ganzen dasselbe.

Bei Behandlung der Schmelze mit Flusssäure und Schwefelsäure im Platinlöffelchen blieben nach längerer Ein- wirkung des Gremisches unter gleichzeitiger Erwärmung nur sehr wenig Mineralpartikel uuzersetzt zurück.

Beim Verdunsten der Lösung schieden sich natürlich wieder Gypskrystalle und bündeiförmige, spiessige Krystalle rhom- bischer Sulfate ab.

Aufschliessung durch kohlensaures Natron wurde auf dem Deckel eines Platintiegels vorgenommen. Die Probe wurde mit einer entsprechenden Menge wasserfreien kohlensauren Natrons während einer halben Stunde zusammengeschmolzen.

Die erhaltene Schmelze, welche, vermuthlich von aus- geschiedener Seh wef eil eher, stellenweise etwas bräunlich gefärbt erschien, wurde nach dem Aufweichen mit Wasser durch verdünnte HCl aufgenommen.

Beim Eintrocknen eines Theiles dieser Lösung schieden sich in der That vereinzelte Gypskrystalle ab, was die vorstehende Beobachtung zu bestätigen schien.

Die Schmelze hatte sich zunächst vollkommen gelöst bis auf Flocken und Körnchen von Kieselsäure, die darin herum- schwammen und Fuchsinlösung festhielten. In dem klaren Theile der Lösung wurden nebst Kalk, Eisen etc. (wie früher) jetzt noch Aluminium (durch Cäsiumchlorid) in reichlicher Menge direct nachgewiesen.

Schlussbetrachtungen. Vergleich mit anderen Staub-

fuuden. Nächst der Zusammensetzung beansprucht wohl die Frage nach der Herkunft der Bestandthcile das meiste Interesse.

Untersiichuug- eines Metoorstaubes. 105

im Folgeudeu sollen jene Punkte kurz zusammengestellt werden, welche in dieser Beziehung Beachtung zu verdienen scheinen.

1. Über den terrestrischen Ursprung des vorliegenden Staubes kann, wie oben liervorgehoben wurde, kaum ein Zweifel bestehen.

Dazu ist Folgendes in Erinnerung zu bringen: In der ersten Zeit, wo man anfing, derartigen Staubfällen melir Beachtung zu schenken, brachte man bekanntlich dieselben mit echten Meteoritenfällen in Zusammenhang und Arago gab der Meinung Ausdruck, dass zwischen ihnen und den letzteren kein wesent- licher Unterschied bestehe, eine Meinung von der man jedoch bald zurückgekommen ist.

Man fand nämlich, dass die verschiedenen aus der Atmo- sphäre niedergefallenen Staubmassen, von zahlreichen pflanzlichen und anderen organischen Resten abgesehen, fast ihrer ganzen Masse nach aus Mineralpartikeln bestehen, die eine Deutung als Detritus mehr oder weniger naheliegender Gesteine sehr wohl zulassen, also mindestens v o r w i e g e u d terrestrischen Ur- sprunges sind.

A. V. Lasaul X, welcher in seinem citirten Aufsatze „Über sogenannten kosmischen Staub-'' die Resultate früherer Beob- achter übersichtlich zusammengefasst hat und auch eine Reihe eigener Beobachtungen über Staubfunde von Grönland, Catania und Kiel mitthcilte, gelangt schliesslich sogar dahin, die atmo- sphärischen Staube lediglich für terrestrischen Detritus zu erklären.

Nach ihm sind es nach den Gegenden, in denen die Staube niederfallen, verschieden zusammengesetzte Mineralgeuienge, in denen allen der Quarz, das der Verwitterung am besten und längsten widerstehende Mineral, eine Hauptrolle spielt, und in denen immer neben organischer Substanz Magneteisen oder verwandte Eisenverbiudungen und endlich metallisches Eisen sich vorfinden.

Der Gehalt an metallischem Eisen war es hauptsächlich, den man als für solche Staubfälle charakteristisch ansah und den man,

1 UI. Bd. von Tschermak's Mineral, u. petrogr. Mittheil. 1881, pag. 517.

106 Schuster.

wenn nicht ausscliliesslicli, doch wesentlich auf kosmischen Ursprung' zurückführte.

So unter anderen Beobachtern Taechini^^ welcher im Staube, den die Cyklone vom 24. Februar 1879 nach Palermo, Neapel und Termini brachte, sehr kleine (0*001 0-041 Mm.) schwarze Kügelchen wahrnahm, die ihm die chemischen Eeactioncn metallischen Eisens gaben.

Ähnliche Resultate erhielten Meunier und Tissandier (Comptes rendus, 18. Februar 1878) die, ebenso wie Silvestri in seiner zweiten Abhandlung über den Staub von Catania vom 29.-30. März (Academia dci Lincei, 2. Mai 1880) das Vorhanden- sein von Kügelchen metallischen Eisens und gleichzeitig Mckel- und Phosphorgehalt nachwiesen.^

Hinsichtlich des vorliegenden Staubes wurde nun schon früher ausführlicher auseinandergesetzt, dass derselbe zwar gleichfalls magnetische Kügelchen enthalte, die, was Grössen- verhcältnisse und Aussehen betrifft, beispielsweise mit der Beschreibung, welche Silvestri von jenen Gebilden gibt, voll- kommen übereinstimmen, das chemische Verhalten metallischen Eisens aber durchaus nicht zeigen.

Ich habe ferner gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass bei der durch andere Gründe wahrscheinlich gemachten Vererzung gewisser Partikel organischer Natur auch das thatsäch- liche Vorkommen metallischer Eisenkügelchen noch nicht noth- wendiger AVeise kosmischen Ursprung in sich schliessen müsste, sondern, ähnlich, wie dies Lasaulx^ thut, auf andere Weise erklärt werden k(5nnte.

Dazu kommt endlich, dass hier auch von unmetallischen, mineralischen Partikeln entschieden meteorischen Ursprunges nichts zu beobachten war, obwohl jene, wieLasaulxhervorhob, in

1 M. Tacchini, 8ur des partieiihss lernigineiises obsevves claus la poussiere ameuee par uu coup de veut de Sirocco en divers points de l'Italie. C. E. 1879, 1. semestre T. LXXXVIII, Nro. 11.

- Nachdem zuerst Nordeuskiökl 1874 unter ähnlichen Verhältnissen Nickel- und Kobaltgehalt aufgefunden hatte.

•' L. c. pag. 53l,wo eine Anzahl von den bisher constatirten Vorkomm- nissen gediegenen terrestrischen Eisens aufgezählt werden, die, wie er sagt, allerdings nur spärlich, aber gerade solche siiul, welche die in den Stauben vorhandene Association mit organischer Substanz zu erklären vermögen.

Untci'suchniig eines Meteorstaubes. 107

dem Miueralgemeug-e der meisten echten Meteoriten das Eisen au Häufigkeit übertreifen und daher auch im Meteorstaube von vorneherein in grösserer Menge zu erwarten wären als dieses selbst, so beispielsweise nichts von jenen höchst interessanten von A. Renard* beschriebenen und abgebildeten Enstatit- Chondren, in deren Gesellschaft sich die aus den Sedimenten des Meeresgrundes von der Challenger-Expedition gesammelten, mit einem metallischen Eisenkerne und einer Hülle von Magnetit versehenen magnetischen Kügelchen vorfanden.

2. Es ist der Umstand /u berücksichtigen, dass Klagenfurt, also der Ort, wo der in Rede stehende Staub niedergefallen ist, (hauptsächlich im W, N, und 0) von krystallinischen Gebirgen und zwar Schiefern der Primärformation umgeben ist, während (im S und SO) auch Granite, bei Kappel und im Bacher- Gebirge, nicht weit entfernt liegen und (hauptsächlich im S) Dolomite und Kalkberge in der Umgebung ebenso wenig fehlen, so zw^ar, dass das Material, welches den mineralogischen Bestand des auf- gesammelten Schlammregens ausmachte, ganz in der Nähe wiedergefunden werden könnte.

Diese Thatsache gewinnt dadurch einige Bedeutung, dass in letzter Zeit von verschiedenen Forschern, die sieh mit dem Gegenstande beschäftigten, der Nachweis geführt wmrde, dass die sogenannten atmosphärischen Staube keineswegs noth- wendigerweise aus grosser Ferne herstammen müssen, sondern auch in der Nähe des Fallortes ihren Ursprung haben können.

Dagegen würde sicli dieselbe Thatsache freilich unter einem anderen Gesichtspunkte darstellen lassen, sobald dargethan werden könnte, dass auch andere Staubfimde, w^elche um dieselbe Zeit in anderen z. B. weit südlicheren Gegenden gemacht wnirden, im Wesentlichen die gleiche Zusammensetzung zeigen.

Von dem vorjährigen Staubfalle standen mir solche Beispiele zwar nicht zu Gebote, jedoch wurde mir vom Herrn Hofrath Tschermak eine Staubprobe mit der Etiquette: „Meteorstaub von Fiume, Winter 1878/79" zur Verfügung gestellt, welche obigen Satz bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich macht.

1 Bulletin du Musee Eoyal d' histoire naturelle de Belgique,t. III, 1884, IL partie, pag. 21 d. Separatabdruckes. Ebenda pag. 22 wird im Gegensatze dazu ein rein terrestrischer Staub vom Gipfel des Ben Nevis besprochen.

108 Scliustüi-,

Nacli der im Eingänge dieser Arbeit reprodueirten Notiz des Herrn F. Seeland bat nämlicb der vorjäbrige Scblammregen (vom 14. October) in Kbig-enfurt im Februar 1879 bereits seinen Voiläufer gebabt.

Seeland schreibt darüber: „Es ist derselbe Staub, welchen uns am 25. Februar 1879 ein SE.-Sturm über Lesina herauf, wo er auch beobachtet wurde, nach Klagenf'urt brachte und welcher damals den massenhaft fallenden Schnee roth färbte."

Es ist wahrscheinlich, dass die unter der Etiquette „Fiume" mir übergebene Probe mit dem eben citirten Staubfalle aus dem Jahre 1879 in Verbindung- steht, und dass der betreffende Staub somit eigentlich ein dem hier ausführlich beschriebenen analoges aber in südlicheren Gegenden uiedergefallenesVorkommeu betrifft.

Als mir die erwähnte Staubprobe zukam, hatte ich die vor- stehenden Untersuchungen bereits abgeschlossen; ich habe die- selbe daher nicht eingehender geprüft.

Indessen genügte schon eine flüchtige mikroskopische Analyse von Canadabalsampräparaten, um zu dem bemerkeus- werthen Resultate zu gelangen, dass der Staub von Fiume alle jene Mineralpartikel wieder enthalte, welche als Hauptbestandtheile im Klagenfurter Staube sich vorfanden, so die Carbonatrhom- boSder, Glimmerarten, Quarz- und Thoni)artikel.

Als Unterschied wäre bloss Folgendes hervorzuheben.

Während in dem Klagenfurter Staube die einzelnen Partikel in den Grösseuverhältnissen nach oben und unten hin meist eine gewisse mittlere Grenze einhalten, erscheinen hier in jener Hauptmasse von Bestandtheilen bestimmter Grösse, welche, für sich betrachtet, in ihrem Gesammteindrucke dem erstgenannten Staube ungemein ähnlich sieht, einerseits sehr feiner Mulm, andererseits ziemlich grobe Fragmente z. B. Gesteinsbrocken, grössere Quarzsplitter mit reichlichen Flüssigkeitseinschlüssen, Bruchstücke von Muschelschalen etc. und eine viel grössere Menge organischer Reste, theils thierischen Ursprungs (z. B_ thierische Haare) und verkohlte Substanzen eingestreut.

Die Klagenfurter Staubproben sehen dem gegenüber fast wie gesiebt oder gcsclilämnit aus.

Es ist leicht möglich, dass der Grund davon in der Art der Aufsammlung liegt, welche in Fiume vielleicht nicht mit der

Uiitersiichiiug eines Meteorstaubes. 109

gleichen Sorgfalt geschah, so dass mehr Localstaub dazu kam und dass aucli der grössere Wechsel des Kornes, sowie die Mannigfaltigkeit und Ungleichheit der Mischung zum Theile darauf zurückzuführen ist.

Was die darin enthaltenen Diatomeenreste betrifft, so ist zu bemerken, dass zwar viele Arten beiden gemeinsam zukommeu, dass aber der Fiumer Staub an solchen noch weit reicher sein dürfte als der früher genannte^ und dass gewisse Gattungen wie Navicula und Synedra darin in grösserer Häufigkeit vorhanden sind, während sie umgekehrt in jenem eine untergeordnetere Rolle spielten.

3. Man wird aus dem Gesagten bereits entnehmen können, dass gerade die mineralischen Hauptbestandtheile des Klagen- furter Staubes an und für sich zum Mindesten zu wenig charak- teristisch sind, um sich zur Entscheidung zu eignen, ob das Staubmaterial aus der Cmgegend entnommen wurde oder nicht und dass die Beachtung der organischen Reste darüber vielleicht eher Aufschluss zu geben vermöchte.

Von entscheidender Wichtigkeit wäre wohl die unzweifelhafte Constatirung von Meeresformen unter den hierher gehörigen Gebilden.

Nach dem vergleichenden Studium der von Ehrenberg gelieferten Abbildungen scheint mir das Vorkommen von solchen sehr Avahrscheinlich, in jedem Falle aber ein sehr untergeordnetes zu sein; ich muss mich jedoch begnügen, die Aufmerksamkeit der Fachgelehrten auf diesen Punkt zu lenken.

4. Da der Wind, welcher die beiden soeben besprochenen Staubregen brachte, aus dem Süden kam, so drängt sich anderer- seits gleichzeitig die weitere Frage auf, ob nicht etwa allen von Süden kommenden und von dort her über Europa sich aus breitenden Stauben gewisse Hauptbestandtheile gemein seien.

Wenn wir die von Silvestri wiederholt untersuchten von Catania und jene Reihe von Passatstauben und Blutregen in Betracht ziehen, mit denen E hrenb er g sich seinerzeit so ein- gehend beschäftigte, so scheint dies bis zu einem gewissen Grade thatsächlich der Fall zu sein.

Den Aufzeichnungen Silvestri's. welche durch Las au Ix 1. c. etwas ergänzt wurden, entnehme ich nochmals Folgendes;

110 Schuster,

Das betreffende Pulver zeigte bei BeliaiuUimg- mit Säuren lebhaftes Aufbiausen, worauf ein unlöslicher gelblichbrauner Rückstand blieb (wie in unserem Falle). Im Staube A'om März 1872 blieben vier Fünftel von Säure unangegriffen; das letzte Fünftel bestand zur Hälfte aus Kalkcarbonat, zur andern aus durch Hitze zerstörbarer, organischer Materie.

(In unserem Falle scheint wohl der Kalkgehalt grösser, die Menge der verbrennlichen Substanz eher etwas geringer zu sein.)

Im Staube von 1880 wurden 257o lösliche und 75% unlösliche Substanz unterschieden. In der Lösung wurden Kalk und Eisen (mit einer Spur von Nickel) und (0 -14570) Phospliorsäure nach- gewiesen.

(In unserem Falle auch noch reichlich Magnesia, aber kein Nickel.)

Silvestri erwähnt auch glitzernde Glimmerpartikel, die Lasaulx nicht anführt.

Nach beiden bilden Thonpartikel (und Quarz) sowohl der Zahl als Grösse nach im unlöslichen Theil den weitaus über- wiegenden Bestandtheil.

Von den schwarzen Kügelclien, welche von Silvestri nach den chemischen Reactionen zum Theile für metallisches Eisen gehalten wurden, war bereits vorhin die Rede.

Lasaulx gibt an, dass sie sich grösstentheils wie Magnetit verhalten, bisweilen nierförmig sind und mit Thon- oder Quarz- partikeln zusammenhängen, und dass die eisenhaltigen schwarzen Partikel höchstens 2 3% ausmachen.

Endlich erkannte Lasaulx noch das Vorhandensein von Gyps und im Gegensatze zu Silvestri vereinzelte ätnaische Bestandtheile, wie Plagioklas und Olivin, während Mikroklin auf die Umgegend von Messina bezogen wurde.

Was die Organismen und Organismenreste aus dem März- regen von 1872 betrifft, so wurden deren eine ziemliche Mannig- faltigkeit aufgeführt und zum Theile auf zwei Tafeln abgebildet, und zwar von verbrennlicher Substanz: Epidermisfragmente, Gewebefragmente, Zellmembranen, Conferventheile, Haare, Stern- haare, kleine Fructificationsorgaue, so Pilzsporen; endlich noch Diatomeen und Infusorien.

üutersuehniig- eines i[eteorstaul)es. 111

Infusorien wurden in unserem Staube nicht gefunden (auch der Versuch einer Wassercultur hatte keinen Erfolg); auch fehlten die (dort vorhandenen) groben Fragmente pflanzlichen Ursprunges, wie grosse PoUenkörner und Sternhaare; letztere waren jedoch im Fiumaner Staube vertreten gewesen.

Andererseits enthielt auch der Staub von Catania wieder Gallionellen, Discopleen, Synedra, Navicula etc.

Kurz, im Ganzen kann man sagen, dass, bis auf locale Beimengungen, wozu im Staube von Catania insbesondere der echt sicilianische Gyps, sowie in Betreff der Organismenreste beispielsweise die sternförmigen Schüppchen von der Blatt- unterseite des Ölbaumes gehören und denen im Staube von Klagenfurt etwa die grössere Menge von Carbonaten überhaupt, das Vorhandensein von Magnesiacarbon at insbesondere und namentlich das Vorwalten der Magnesiaglimmer gegenüber- gestellt werden könnte, beiderlei Vorkommnisse in ihrer Zu- sammensetzung nicht wesentlich verschieden seien. Ähnlich verhält es sich auch mit den Forschungen Ehrenbergs.

Gleich anfangs (in seineml849 erschienenen Werke, welches mir zur Hand ist) richtet er die Aufmerksamkeit auf die auffallende, allen Meteorstauben eigenthümliche, vom Eisengehalt herrührende stets gelbe und löthliche Farbe.

Seine Mittheilungen über die Partikel mineralischer Natur sind, wie erwähnt, weniger ausführlich als die über die Organismenreste.

Als Resultat der chemischen Untersuchung- gibt er an:

Kieselerde, kohlensaure Kalkerde undKohle (welche sich zum Theile schon durch das Vorhandensein organischer Materie erklären), Thonerde, Eiseuoxyd, Manganoxyd, Talkerde, Kali, Xatron, Kupferoxyd, Wasser und organische (verbrennbare) Materie.

Als Resultat der mikroskopischen Analyse: Quarzsand, feinerer, gelblicher oder röthlicher Mulm, überaus feinkörniger Staub, welcher der Gallionella fernigineu zugeschrieben wird, und dazwischen zahlreiche organische Formen und Fragmente, ferner vereinzelt fast immer Bimsteinfragmente, grüne Krystall- prismen und zwar durchsichtige, im Wasser nicht, in Säuren schwer lösliche, meist sehr kleine, lauchgrüne, im auffallenden

112 .Schuster,

Lichte dunkler gefärbte Pyroxen- und Hornblendekrystalle leb- haft bräunliche, rothe bis hyacinthrothe Säiilchen mit unausgebil- deten Enden, welche alle auf die eingreifende, die Mischung- etwas verändernde Thätigkeit der Yulcane (Beimengung vul- canischer Aschen und Tuffe) zurückgeführt wurden, endlich fast stets einzelne weisse, in Salzsäure schnell auf lösliche Kalk- krystalle.

Wenn man diese Angaben in Betracht zieht, und damit die Abbildungen vergleicht, welche er (zum Theile in Totalansichten der Staubproben), von den beobachteten Mineralpartikeln auf seinen zahlreichen Tafeln gibt, so scheint daraus mit grosser Wahrschein- lichkeit hervorzugehen, dass auch hier Quarzpartikel, Thon- partikel, Glimmer (nach den Abbildungen, obwohl nirgends erwähnt) und Carbonatkryställchen (wovon die grünlichen ver- muthlich verkannt wurden) eine Hauptrolle spielen, dass Horn- blende und Augit nur unterg;eordnet auftreten, aber auch Zirkon- krystalle und Turmalinnädelchen ihm aufgefallen sind.

Die Orgauismenreste werden dort aufgeführt als Polygastern^ Phytolitharien, Polycystineu, Polythalamien und weiche Pflanzen- theile, zusammen in 320 Arten.

Viele davon, namentlich von den weichen (verbrennlichen) Pflauzentheilen, wie grosse Sternhaare, Pinuspollen, ebenso wie andererseits Schmetterling-sschuppen, Spongiennadeln u. s. w. fehlen unserem Staube allerdings.

Schon oben wurde jedoch darauf hingewiesen, dass zwischen den Diatomeenresten, welche Ehrenberg aus so zahlreichen atlan- tischen und europäischen Meteorstauben beschrieben hat und den hier-beobachteten eine mehr oder minder grosse, jedenfalls aber eine generelle Ähnlichkeit besteht, insoferne zwar viele davon fehlen, doch (wie die beigegebenen Tafeln zeigen sollen) wenigstens alle Hauptgattungen auch hier ihren Vertreter gefunden haben.

5. Indem ich schliesslich die Möglichkeit im Auge behalte, dass der Ursprung des im Vorjahre in Klagenfurt niedergegan- genen Schlammregens entweder ganz oder vorzugsweise in der Ferne zu suchen sei, will ich noch einen Augenblick dabei verweilen, die Gründe zu untersuchen, welche für und gegen die von Herrn F. Seeland ausgesprochene Vermuthung geltend

Untersuchung eines Meteorstaabes. 113

gemacht werden könnten, wonach die Wüste Sahara als die eigentliche Heimath des hier zur Untersuchung gelangten Staubes anzusehen sei.

Bei der soeben erörterten Ähnlichkeit und den mehrfachen Beziehungen, welche zwischen der Zusammensetzung dieses Staubes und derjenigen der sicilianischen und der Passat-Staube überhaupt bestehen, wird es wichtig sein, vor allem das Urtheil zu berücksichtigen, welches nebst anderen Forschern Silvestri* und Ehrenberg über diesen Punkt sich gebildet haben.

Die Ansicht, dass alle die rothenSchlammregen^welche Föhn und Sirocco gelegentlich bringen, in der Wüste Sahara ihren gemeinsamen Ausgangspunkt haben, wurde bekanntlich schon früher ausgesprochen und namentlich von Desor (inNeuchatel) Escher und Mas so n (in Zürich) und Wild (in Petersburg) vertreten, welche den Föhn der Alpen als dem Sirocco Italiens correspondirend ansahen.

H. Tarry hat in der Pariser Akademie (9. März 1870) eine förmliche Theorie entwickelt, welche die (in Europa besonders häufig zu gewissen Zeiten des Jahres, wie Februar und März, stattfindende) Bildung von Cyclonen betriift, die einerseits die Äquatorialgegenden von Amerika mit dem Norden Europas und anderseits die nördlichen Gegenden von Europa und das tropische Afrika in Verbindung setzen und von da, nachdem sie eine grosse Menge des in den höhereu Luftschichten über der Sahara enthaltenen, fein vertheilten Staubes mit sich fort- geuommen, als Südwinde über Italien nach Europa zurück- kehren.

Im Gegensätze dazu befindet sich Dove (Berlin), welcher in seinen Untersuchungen über den Föhn der Schweiz zu beweisen suchte, dass derselbe dem Sirocco Italiens nicht entspricht und welcher überdies der Meinung entgegentrat, dass der Sirocco selbst immer afrikanischen Ursprunges sei; er ist geneigt, die Provenienz der im Europa fallenden Staube in noch weiterer

1 Silvestri hat pag. 146 151 in seinem oben erwähnten Aufsatze Ricerche chimico-micrografiche sopra le Piogge rosse e le Polveri meteo- riche dalla Sicilia in occasione di grandi burrasche atmosferiche. Atti Acc. Gioen. Catania vol. XII, mit der Discussion dieser Frage sich eingehender beschäftigt.

Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl. XCIII. Bd. I. Abth. 8

114 Schuster,

Ferne, etwa in Amerika zu suchen, wodurch er sich einer Ansicht anschliesst, die Ehrenberg l.c.bezüglich der Passatstaube gleich- falls ausspricht.

Auch Silvestri hob hervor, dass aus der Zusammensetzung der von ihm untersuchten und analoger Staube für die Herkunft des Materiales aus der Sahara nicht nur kein directer Anhalts- punkt sich ergab, sondern dass bei früherer Gelegenheit einer direct aus der Sahara stammenden Düne Egyptens entnommene Sandproben sich von ersteren sogar wesentlich verschieden erwiesen.

Die 1. c. von ihm aufgeführte Analyse eines Saharastaubes, welcher OT^^, kieselige Partikel, 87o Kalkpartikel, etwas Chlor- natrium, organische Materie hingegen in so geringer Menge enthielt, dass diese nur unter dem Mikroskope sichtbar wurde (O'SYo); 'Stellt weder mit den von ihm untersuchten noch mit dem in vorliegender Arbeit besprochenen Staube im Einklänge.

Bemerkens werth ist die Angabe, dass dieser Saharastaub eine röthlieh gelbe Farbe besitzt, was nach Ehrenberg als durch- aus locale Erscheinung aufgefasst werden müsste,

Ehrenberg stellt vielmehr bei seinen gegen die Herleitung der Passatstaube aus der afrikanischen Wüste gerichteten Ein- würfen die Thatsache obenan, dass er in der Sahara des östlichen Nordafrika selbst Jahre lang nur blendend weisse Sand- oberflächen von Kreidekalk und Dünensand zu beobachten Gelegenheit fand, den feinen Staub des Chamsin stets grau, nie orangefarben sah, was auch andere Reisende berichteten.

Er schreibt 1847: Es gibt im Innern Afrikas keinen Passat- wind und rothstaubige Oberflächen, welche den Passatstaub liefern könnten. Der Sand der Sahara ist weiss und grau, der Nebelstaub des Passates zimmtfarben.

Er betont ferner den Umstand, dass bekannte afrikanische Charakterformen unter den Diatomeen und sonstigen Organismen- resten nicht vorkommen und dass die grosse Mehrzahl der Formen in mehreren Weltthcilen , auch in Europa gefunden werden, wogegen er 1. c. pag. 166 echt amerikanische Formen aufzuzählen vermag.

Es führt aus, dass Sirocco und Föhn dieselben Formen und Mischungen des atlantischen Passatstaubes tragen, dessen Zusam-

üntersucliimg' eiues Meteorstaubes. llö

mensetzung vom atlantischen Meere bis Tirol und Salzburg- sich in Farbe und den grössten Einzelnheiten der Mischung gleichen. So gelangt er schliesslich zur Ansicht, dass ein Staubnebel- strom existire, der durch tausendjährige fortwährende Mischung gleichartig geworden sei und seinen Hauptsitz in der Gegend der Westküste Afrikas über dem atlantischen Meere habe.

Die Resultate dieser allgemeinen, später fortgesetzten Forschungen Ehrenbergs haben in den Specialuntersuchungen Cramers (Zürich) über, bei verschiedener Gelegenheit in der Schweiz aufgesammelte Meteorstaube und deren Vergleich mit Saharasand eine weitere Stütze erhalten und die Ansicht bestärkt, dass die erwähnten Staube weder von der Wüste Sahara noch von irgend einem bestimmten Punkte der Erde ihre Provenienz herleiten.

6. Was gegen die afrikanische Abkunft der Passatstaube, mit denen der Klagenfurter Staub so viele Ähnlichkeit besitzt, vorgebracht wurde, Hesse sich auch bei letzterem mit gleichem Rechte geltend machen, dergestalt, dass beide vielleicht dies- bezüglich in Zusammenhang stehen.

Ein directer Anhaltspunkt für die Herleituug aus der Sahara fehlt auch hier.

Färbung sowie Mischungsverhältnisse (Vorwalten des Glim- mers und des Dolomites) hingegen müssten jedenfalls erst auf eine starke Beimengung fremder Elemente zurückgeflihrt werden. Die Grenze zwischen jenen Bestandtheilen, welche als normale aufzufassen und jene, welche als zufällige (locale) zu bezeichnen wären, würde dann sehr schwer anzugeben sein, und ebenso schwer, woher die letzteren stammen.

Erst von einer fortgesetzten, möglichst genauen Prüfung der zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Umständen in einer und derselben Gegend gefallenen Staubregen und dem Vergleiche verschiedener untereinander wird über jene Punkte völlige Gewissheit zu erlangen sein.

Zum Schlüsse sei hier nur noch hervorgehoben, dass, falls es in unserer Atmosphäre ein allgemeines Staubdepot in dem von Ehrenberg verstandenen Sinne wirklich gibt, dasselbe voraus- sichtlich die Durchschnittsmischung der am häufigsten und in grösster Masse an die Erdoberfläche tretenden Gesteine wieder-

116 Schuster, Untersiichmig eines Meteorstaubes.

spiegeln würde und dann alle jene Bestaudtheile als normale za bezeichnen und am häufigsten zu erwarten wären, die sich gerade im vorliegenden Staube als Hauptbestandtheiie wiederfanden. Wien, Mineral, petrograph. Universitäts-Institut. Jänner 1886.

Tafel erklärung.

VergTösseruug' 300 40< fach.

1. Carbonate, Calcit, Dolomit, Magnesit.

2. Apatit.

3. Quarz, Opal.

4. Orthoklas.

5. Biotit und Phlogopit.

5. n. Behandlung mit Säure.

6. weisser Glimmer, Talk und Kaolin.

7. Chlorit.

8. Augit.

9. Hornblende.

10. Thonpurtikel.

11. a Rutil, b Anatas, c Zirkon, d Turmalin.

12. Titanit, Epidot, Spinell, Granat.

13. Magnetit, a Pyrit, b Magnetkies.

14 23. Partikel organischen Ursprunges.

14. Sporen (vermuthlich Pilzsporen) im Wasser zur Keimung gebracht.

15. Verschiedene Fruetifications - Zustände, pflanzlichen, vielleicht auch; thierischen Ursprunges zum Theile vererzt.

16 23. Diatomeen-Kieselpanzer zum Theile in Fragmenten.

16. GaUinndla Ehr.

17. Discoplea Ehr.

18. Naricida Ehr.

19. Enttofia Ehr.

20. Si/nc'dra Ehr.

21. Coscinodiscus Ehr.

22. SurireUa Ehr.

23. Pflanzenhaare, Algeniaden, Pflanzenfasern, Gewebefragmente, Innen- häute und zweifelhafte, von Ehrenberg 1. c. unter den Namen: Tcxtilaria, Globidaria, Poli/t/mlainia, Lithosti/lidiian, Lithostomatinm, Amphidiscus, LUliastcriscus, Lithodontiunt, Spongulithis mit aufgezählte Gebilde. Thierische Reste.

Schuster: Motcorstaul) vonKIasenfiirt .

iaf.I.

%>%0 <§;

iß' '

# €^/

Aotor del . . KJcüofi: Staatsäriiclcergi .

Sitzimösb.d.k Akad.dW.math natui'w ClasscXCnrBd T v\bUi I88fi.

Schuster: Meteorstaul) von lüasenfiiH

TafU.

Ämc-r dsl KkHofu Staats ärm'keT'e:

Sitzimösb.d.k .\kad dWmath.RatuTir Classe XCIirBd 1 AhÜi . 1886.

117

III. SITZUNG VOM 21. JÄNNER 1886.

Der Vorsitzende gibt Nachrieht von dem am 17. Jänner d. J. erfolgten Ableben des ausländischen correspondirenden Mitgliedes dieser Classe Herrn Prof. Dr. Oskar Schmidt in Strassburg.

Die anwesenden Mitglieder erheben sich zum Zeichen des Beileides von ihren Sitzen.

Herr Prof. Dr. F. J. Studnicka in Prag übersendet ein Exemplar des von ihm herausgegebenen Werkes: ..Tychonis Brahe triangulorum planorum et sphaericorum praxis arithmetica".

Das c. M. Herr Prof. L. Gegen bauer in Innsbruck über- sendet eine Abhandlung, betitelt: „Die mittlere Anzahl der Zerlegung einer ganzen Zahl in zwei Factoren vor- geschriebener Form."

Der Secretär legt eine Abhandlung des Herrn Adolf Ameseder, d. Z. in Erlangen: „Über Configurationen und Polygone auf biquadratischen Curven" vor.

Das w. M. Herr Prof. v. Barth überreicht eine in seinem Laboratorium ausgeführte Arbeit des Herrn Dr. Wilhelm Fossek: „Über Oxyphosp hin säuren" (IL Abhandlung).

Herr Prof. Dr. Joh. N. Woldfich in Wien überreicht eine vorläufige Mittheilung: „Zur Frage über die Abstam- mung der europäischen Hunderacen."

Dr. Franz Kühnert, Observator der k. k. Gradmessung in Wien, überreicht eine Abhandlung: „Über die definitiven Elemente des Planeten (^ Hilda".

Herr J. Liznar, Adjuuct an der k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, überreicht eine Abhandlung, betitelt: „Über den Stand des Normalbarometers des meteorologischen Institutes in Wien gegenüber den Normalbarometern deranderen meteorologischen Cen- tralstellen Europas."

SITZUNGSBERICHTE

DER

immmi kimm öek wissEisciAFiFj.

MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.

XCIII. Band. II. Heft.

ERSTE ABTHEILUNG.

Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik, Zoologie, Geologie und Paläontologie.

121 IV. SITZUNG VOM 4. FEBRUAR 1886.

Die könig'l. - iiugar. Franz Josef -Universität in Klausenburg dankt für die Betheilung ihrer Bibliothek mit aka- demischen Schriften.

Herr Prof Dr. G. Haberlandt in Graz übersendet eine Arbeit: „Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen Brenn haare."

Herr Franz Zehden, Donaudampfschiffs-Capitän in Galaz, übersendet eine Abhandlung unter dem Titel: ..Zur Theorie der Schifffahrt mit verbesserten Abfahrtspuukten.''

Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor:

1. „Über die Einwirkung von Kaliumpermanganat auf untersciiwefligsaures Natron", Arbeit aus dem chemischen Laboratorium der technischen Hochschule in Brunn, von den Herren M. Honig und E. Zatzek.

2. „Über die Auflösungen von Gleichungen vierten und fünften Grades durch Mechanismus", von Herrn Docenten Adolf Arnes ed er, derzeit in Erlangen.

Ferner legt der Secretär ein versiegeltes Schreiben behufs Wahrung der Priorität von Herrn Dr. Theodor Gross in Berlin vor, welches die Aufschrift führt: ..Anzeige eines neuen Körpers."

Das w. M. Herr Prof. v. Barth überreicht eine in seinem Laboratorium von Herrn Dr. Guido Goldschmiedt ausgeführte Arbeit: „Über die Einwirkung von Natrium auf einige Bromsubstitutiousproducte des Benzols."

Das w. M. Herr Director E. Weiss überreicht eine Abhand- lung von Herrn Regierungsrath Prof. G. v. Niessl in Brunn, betitelt: „Bahnbestimmung des Meteores vom 17. Juni 1885, 9^52°^, Wiener Zeit."

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nioM zugekommene. Periodica sind eingelangt:

Loomis, Elias: Contributions to Meteorologie. (^Revised Edition) Nev Haven, Coon. 1885; 4«.

122

V. SITZUNG VOM 11. FEBRUAR 1886.

Herr Prof. Dr. Gustav A. V, Peschka in Brüun übermittelt den vierten Band des von ihm lierausgegebenen Werkes: „Dar- stellende und projective Geometrie nach dem gegen- wärtigen Stande dieser Wissenschaft mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse höherer Lehranstalten und das Selbststudium." (Mit einem Atlas von 30 Tafeln).

Das c. M. Herr Prof. L, Gegenbauer in Innsbruck über- sendet eine Abhandlung unter dem Titel: „Die mittlere An- zahl der Darstellungen einer ganzen Zahl durch eine Summe von bestimmten Vielfachen von Quadraten."

Der Secretär legt eine Abhandlung des Herrn Florian Koudelka, Stadtthierarzt und Lehrer an der landwirthschaft- lichen Schule in EibenschitZj betitelt: „Das Verhältniss der ossa louf/a zur Skelethöh e bei den Säugethieren" vor.

Das w. M. Herr Prof. V. v. Lang überreicht eine Abhand- lung des c. M. Herrn Prof. Franz Exner, betitelt: „Über die Ursache und die Gesetze der atmosphärischen Elek- tricität."

Herr Dr. Hans Mo lisch, Privatdocent an der Wiener Universität, überreicht eine im pflauzenphysiologischen Institute ausgeführte Arbeit: „LTntersuchuugen über Laubfall".

123

Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen Brennhaare.

Von Prof. Dr. G. Hatoerlandt in Crraz.

;,Mit 2 Tafeln.) (Vorgelegt in der Sitzung am 4. Februar 1886.)

Obgleich die pflanzlichen Brennhaare bekanntlich zu den am häufigsten untersuchten Organen gehören, so sind doch sowohl in anatomischer wie in physiologischer Hinsicht mehrere Punkte unerörtert oder doch unerledigt geblieben, auf welche nun in der vorliegenden Arbeit näher eingegangen werden soll. Für die freundliche Unterstützung mit Untersuchungsmaterial bin ich den Herren Prof. Dr. Eicbler in Berlin und Prof. Dr. Leitgeb zu bestem Danke verpflichtet. Abgesehen von den beiden Jdtrophd- Arten, sowie von Urtica pilulif'era und membranuceu, von welchen mir blos Herbar-Exemplare zu Gebote standen, konnten alle Ob- jecte theils frisch, theils in Alkohol conservirt untersucht werden.

I. Die zweckmässigen mechanischen Einrichtungen im Bau der Brennhaarspitzen. Es ist eine schon längst bekannte Eigenthümlichkeit fast aller echten Brennhaare, dass ihre Spitze mit einer kleinen, köpfchenförmigen Anschwellung endigt, welche in den meisten Fällen schief aufsitzt und die schon von älteren Forschern mit der Function des Brenuhaares, beziehungsweise mit dem Abbrechen seiner .Spitze, in Beziehung gebracht wurde. So spricht schon Schieiden ^ von dem „höchst interessanten Mechanismus" der Brennhaare und hebt hervor, dass das in Rede stehende Köpfchen bei der Berührung sehr leicht abbricht, worauf die geeöffnete Spitze in den berührenden Körper eindringen kann. In gleicher Weise äussert sich H. v. Mohl,^ welcher bekanntlieh

1 Grundzüge der wisseusch. Botanik, 2. Auflage, I. Theil, pag. 269. -' Bot. Zeitung 1861, pag. 219.

124 Haberlandt,

nachwies, dass der obere Theil der Brenubaare von Urtica dioica sehr stark verkieselte Wände besitzt, woraus sich erklärt, dass derselbe so spröde ist und das Köpfchen leicht abbrechen kann.^

Ich stellte mir nun die Frage, ob nicht das Abbrechen des Köpfchens, abgesehen von der Sprödigkeit der Wände, auch noch durch besondere anatomi s che Eigenthümlichkeiten unter- stützt und erleichtert wird und in wie weit überhaupt im Bau der Brennhaarspitze das Zweckmässigkeits-Princip zur Geltung gelangt. In der Literatur ist hierüber, wenn man von den oben citirten, ganz allgemein gehaltenen Angaben absieht, nichts weiter zu finden. Die zahlreichen Abbildungen ganzer Brennhaare von LVtlca, Loasa etc. können in dieser Hinsicht keine Andeutungen geben, da dieselben natürlich bei zu schwachen Vergrösserungen gezeichnet wurden. Allein auch die Abbildungen stark ver- grösserter Brennhaarspitzen mit ihren Köpfchen, wie sie z. B. Duval-Jouve^ und Martinet'^ gezeichnet haben, liefern uns für die Beantwortung der obigen Frage keine Anhaltspunkte; sie stellen nämlich die Brennhaarspitze sammt dem Köpfchen mit ganz gleichmässig verdickten Wänden dar. Dass dies nicht richtig ist, wird sich aus dem Nachfolgenden ergeben.

Die von mir angestellten Beobachtungen erstreckten sich auf Vertreter der Gattungen Urtica, Laportra (Urticaceen), Loasa,

1 Bei den Bi-eiiiihaaren von Urtica dioica und U. //rem sind, wie man sich durch Anwendung von concentrirter Schwefelsäure und uachherigeni Zusatz von 20percentigcr Chronisäure (Verfahren von C r ü g e r und Miliarakis) überzeugen kann, die Wandungen des Köpfchens und des daran grenzenden Haartheiles in ihrer ganzen Dicke verkieselt. Weiter nach abwärts zu nimmt die Dicke der verkieselten Partie der Wand rasch ab; das Kieselskelet besteht schliesslich nur mehr aus einem dünnen Häutchen,